Wir sollen alle Abstand halten! Weshalb die Online-Redaktion seit drei Wochen im Home Office arbeitet. Hier unsere besten Erlebnisse aus dem Home Office.
Sabine Rodenbäck, Chefredakteurin Digital
Home Office, die dritte – oder vierte Woche? Mein Zeitgefühl hat inzwischen gelitten, die Performance am Esstisch fühlt sich an wie eine Ewigkeit. Ich habe zwei Töchter, eine 6 und eine 9 Jahre alt. Während mein Mann (am Schreibtisch auf dem Dachboden) und ich (am Esstisch im Erdgeschoss) deutlich länger arbeiten als sonst, versuchen wir, das Homeschooling unserer Großen einigermaßen zu schaukeln. Meistens klappt das erst, wenn einer von uns Feierabend gemacht hat oder wir uns abends nochmal ransetzen… Ich bin noch glücklicher als sonst, zwei Kinder zu haben, denn die beiden spielen wunderbar miteinander (gelegentliche Ausfälle, in denen ich zum Kühlschrank hechten muss, um ein Kühlkissen rauszuholen lassen wir mal unerwähnt), und sie sind sich viel einiger als sonst ("Wir wollen noch ein Checker Tobi Video gucken", "Wir hatten noch gar nichts Süßes heute" oder "Dürfen wir heute draußen im Zelt schlafen" kommen wie aus einem Munde).
Die zusätzlichen – total coolen – Angebote, die Social Media gerade bietet, kann ich gar nicht mitmachen, weil ich viel zu viel zu tun habe…Da frage ich mich schon bei den zahlreichen Angeboten für die Kinder, wann ich ihnen dieses erklärpädagogische Video noch aufrufen soll und ob ich ihnen noch die Bastelanleitungen der Mütter aus dem Klassen-Email-Verteiler ausdrucke. Deshalb habe ich mich für die Variante "Freestyle – tut das, was euch maximale Freude bringt", entschieden. Sofern es nicht 3 Stunden am Stück mit einem rechteckigen Endgerät zu tun hat.
Was mir gerade Sorge macht, ist die zunehmende Sorglosigkeit da draußen. Bin ich die einzige die schnappatmend einmal in der Woche durch den Supermarkt schleicht, panisch bedacht, Abstand zu halten? Am Samstag kam es mir so vor, als ich in der Drängelschlange der Gemüseabteilung stand. Vor allem als ich die absurd langen Schlangen vor dem Baumarkt sah, denn viele nutzen die Zeit, um den Garten fit zu machen und DIY-Projekte zu realisieren. Zwei Wochen #stayhome scheint viele schon an die Grenzen der Zumutbarkeit gebracht zu haben. Dabei ist es so wichtig, dass wir noch durchhalten, was meint ihr?
Judith Keßeler, Volontärin
April 2020, der Eisbrecher für jedes (virtuelle) Gespräch: „Ich weiß nicht, wann ich das letzte mal eine anständige Hose anhatte“. Willkommen in meinem Homeoffice aka. meinem Bett. Nach abgeschlossenem Studium war ich mir sicher, ich arbeite jetzt ja nicht mehr zuhause. Schreibtisch? Brauche ich nicht. Und sonst setze ich mich eben in die Küche. Long Story short: Bis dahin reicht das WLAN nicht und ich sitze jetzt seit drei Wochen in meinem Bett. Nachts liege ich auch manchmal drin. Zum Mittagessen setze ich mich ans offene Fenster neben mein Bett. Manchmal sitze ich abends auch bei meiner Mitbewohnerin im Bett um einen Film zu schauen. Und Regel Nummer 1, ich weiß nicht, wie viele Menschen da so denken wie ich, aber Regel Nummer 1 ist: keine Jeans im Bett. Erstens, wo die schon gewesen ist und zweitens ist mein Bett ein Ort der Gemütlichkeit. Der Tempel der Beinfreiheit und ausgestreckter Bäuche. Das kann ich leider auch nicht für einen weltweiten Virus ändern und so müssen meine Kolleginnen mich seit drei Wochen in meinen liebsten Zuhause-Outfits inmitten eines kleinen Kissen-Berges zum Video-Call begrüßen. Aber ich bin mir sicher, tief drin sitzen sie ein bisschen neidisch an ihren Tischen ...
Laura Melzer, Volontärin
Seit drei Wochen bin ich wieder zu Hause. Nicht in meiner Hamburger WG, sondern im Haus meiner Kindheit, in dem ich groß geworden bin. Als ich Mitte März zum Geburtstag meiner Schwester nach Köln fuhr, zeichnete sich im Verlag gerade ab, dass wir ins Home Office gehen können. Gleichzeitig kam meine Mitbewohnerin in Hamburg aus ihrem Skiurlaub in Südtirol wieder. Ich stand vor der Entscheidung zurück nach Hamburg zu fahren, und mit ihr zwei Wochen freiwillig in Quarantäne zu gehen, oder bei meiner Familie in Köln zu bleiben...
Wieder zurück zu Mama ziehen, nachdem ich einmal ausgezogen bin?! War für mich vorher undenkbar. Wenn ich jetzt in meinem alten Kinderzimmer im Home Office sitze, fühle ich mich wie auf einer Zeitreise. Weil alles anders aussieht, aber die Erinnerungen noch da sind. Und weil ich mich verändert habe, aber immer noch das Kind meiner Mutter bin. Jetzt essen wir wieder zusammen Mittag, streiten darüber, was wir im Fernsehen schauen, und wer sein Zimmer aufräumen soll. Eigentlich alles wie damals, nur in einer Ausnahmesituation.
Wir reden alle davon, dass wir „zu Hause“ bleiben. Aber was bedeutet „zu Hause“ überhaupt? Ein Dach über dem Kopf zu haben? Ein Ort, an dem man sich sicher fühlt? Da, wo die Familie ist? Dass ich nicht nur einen, sondern zwei Orte habe, die ich gerade „zu Hause“ nennen kann, ist privilegiert. Während die Corona-Krise Wohnungs- und Obdachlose besonders hart trifft, sich Menschen in ihren eigenen vier Wänden nicht sicher fühlen, und geflüchtete Menschen auf den griechischen Inseln ihrem Schicksal überlassen werden. #leavenoonebehind – lasst uns niemanden zurücklassen, der kein zu Hause hat. Zum Beispiel, indem wir einen Teil beim Einkauf an die Tafel spenden, Petitionen unterschreiben oder Spenden.
Imke Weiter, Redakteurin
Dass mein Freund und ich so entspannt nebeneinander sitzen, war nur an Tag 1 und 2 der Homeoffice-Zeit so, leider gab es bald Streit, wer wann arbeiten darf, wer Mittagessen kocht, wer aufräumt. Gleichzeitig arbeiten, das geht mit einem kleinen Kind leider nicht so gut. Nach einigen Startschwierigkeiten haben wir uns mittlerweile eingegroovt und es gibt feste Schichten: einer arbeitet, der andere kümmert sich ums Kind, das alles organisieren wir um Meetings und Calls herum und es klappt irgendwie.
Insgesamt kann ich das Social Distancing aushalten, aber die virtuellen Treffen (mit Kollegen oder Freunden) können keine echten Kontakte ersetzen. Es würde mir wahnsinnig viel geben, mal wieder jemanden zu umarmen - meine beste Freundin, meine Mama, meinen Papa. Ansonsten ist es mir wichtig, die Läden bei uns im Viertel mit #buylocal zu unterstützen: meinen Stamm-Buchladen, unsere liebste Pizza-Bar, der Blumenladen an der Ecke. Ich hoffe sehr, dass es sie nach der Krise noch geben wird.
Wenn ich ein bisschen Zeit habe, nehme ich im Moment gerne das Kulturangebot wahr, dass online stattfindet - besonders auf Instagram passiert viel. Ob Lesung, Musikfestival oder Comedy, viele Autoren und Künstler wenden sich über soziale Netzwerke an die Menschen und erreichen viele zu Hause. I love it!