Pupsen ist vollkommen natürlich, trotzdem schweigen wir Verdauungsvorgänge oft tot. Dabei ist das Bekenntnis zum Pups eine Frage der Emanzipation.
Pupsen und alles, was in unserem Darm passiert, wird von uns oft totgeschwiegen. Weil wir sonst schamvoll eingestehen müssten, dass auch bei uns nicht alles nach Rosen duftet. Dabei ist das Bekenntnis zum Pups eine Frage der Emanzipation
Pupsen tun wir alle!
Da waren sie endlich! All die pupsenden Frauen vereinigt auf Instagram, unter einem Post von Stefanie Luxat vom Blog ohhhhmhhh.de, die fragte: „Was macht ihr, wenn ihr alleine zu Hause seid?“ Neben Peelings und Masturbation war die häufigste Antwort: pupsen. Großartig!
Pupsen - darf man das nur allein?
Aber pupsen die alle nur, wenn sie alleine sind? Und nie auch vor ihrem Partner? Ich erinnere mich gut an die legendäre Pupsszene aus „Sex and the City“, als Carrie einen (wirklich niedlichen) Furz in Mr. Bigs Bett ablässt und danach sofort unter der Decke verschwindet – peinlich! Unermessliche Scham, jede Erotik für immer dahin, darüber sind sich alle vier Ladys völlig einig. Als die Folge ausgestrahlt wurde, war ich 15 und gerade dabei, auszutarieren, was zwischen Jungs und Mädchen okay ist.
Als Kind war das anders
Furzmäßig bin ich ziemlich ungehemmt aufgewachsen. Zu verdanken habe ich das meiner Mutter und meiner Tante, beide wahre Körpergeräusch-Enthusiastinnen. Jeder laute Knallbläh und fiese Zischer wurde bei uns zu Hause mit Gelächter und großem Applaus gefeiert: Was drückt, muss raus. Zieh mal! Ups, schon wieder auf einen Frosch getreten.
Frauen duften nicht immer nur nach Rose
Natürlich war mir nicht nur durch „Sex and the City“ klar, dass das Thema Darmwinde nichts für die Öffentlichkeit ist. Und auch, dass das für Frauen irgendwie doppelt gilt, habe ich schnell kapiert. Wir, diese elfengleichen Wesen, stets sexy, duften höchstens nach Rose, aber nie nach Faulgasen. Ich habe Freundinnen, die im ersten Beziehungsjahr alle Luft innehielten und versuchten, jeden Toilettenbesuch zu vermeiden. Dabei ist Unterdrücken sogar ungesund. Mir stinkt das gewaltig!
Wir, diese elfengleichen Wesen, stets sexy, duften höchstens nach Rose, aber nie nach Faulgasen
Miriam BöndelTweet
Frauen pupsen häufiger als Männer
Eigentlich sollten wir Frauen stolz auf unsere Winde sein. Weil es viel mehr Bläh-Girls als -Boys gibt, wie Yael Adler in ihrem Buch „Darüber spricht man nicht“ schreibt. Wir sind Pups-Weltmeisterinnen: Bei normaler Verdauung produzieren Bakterien etwa 0,5 bis 1,5 Liter Gas täglich. Durchschnittlich furzt jeder Mensch 10- bis 20-mal am Tag. Bei Frauen wirken sich Östrogen und Progesteron stärker auf den Darm aus – das kann für Verstopfungen sorgen.
Scham hilft uns nicht weiter
Wer kennt nicht das Grummeln und den Blähbauch, kurz bevor man seine Tage bekommt? Jeder krampflösende Darmgesang ist da einfach hilfreich (astronomisch, was man schon mithilfe einer leichten Rollkur aus dem Anus zaubern kann). Frauen sind auch mehr vom Reizdarmssyndrom betroffen, uns scheinen Belastungen stärker auf den Magen zu schlagen. Wie unfair also, dass wir nicht nur die Beschwerden, sondern auch die gesellschaftlich auferlegte Scham viel stärker zu spüren bekommen als die Männer!
Pupsende Jungs sind lustig und normal
Bei Jungs im Teenageralter sind gute Gaspeitschen identitätsbildend. Furzen ist ein einziger großer Wettbewerb. Wer den lautesten und stinkigsten macht, hat gewonnen. In meiner Familie galt Onkel Jürgis Fähigkeit, das Wort „Erbsensuppe“ rülpsen zu können, als legendär. Weil er ziemlich früh gestorben ist, haben seine Schwestern – meine Mutter und meine Tante – unbewusst Teile seiner Rolle zu Hause übernommen, glaube ich. Sehr zum Leidwesen meiner Oma, die wir bis heute gerne mit unseren Körpergeräuschen aus der Fassung bringen.
Pupsen war nicht immer tabu
Tatsächlich war der Pups nicht immer ein gesellschaftliches Tabu. Früher gab es sogar Kunstfurzer. Der berühmteste war Joseph Pujoul, er gehörte zum Ensemble des Moulin Rouge und trat sogar vor dem belgischen und dänischen König auf. Sein Spezialgebiet: Geigen, Posaunen und Maschinengewehre klangvoll zu imitieren. Dafür muss man die Kunst beherrschen, nicht nur Luft über den Darmausgang abzulassen, sondern auch aufzusaugen. Nur so ist Nachschub gesichert und die Gefahr gebannt, Land mitzuschicken. Nicht ohne Stolz möchte ich sagen, dass ein Mitglied unserer Familie diese Technik zumindest im Ansatz beherrscht.
Die Faszination des eigenen Körpers
Auch ich empfinde meine eigene Verdauung als gute Unterhaltung. Ich finde es beeindruckend, zu welchen Tönen und Geruchsnoten so ein Körper fähig ist. Und mal ehrlich: Ich kann mit meiner Faszination nicht alleine sein. Sonst wäre „Darm mit Charme“ von Giulia Enders nie ein solcher Erfolg geworden.
Für gleichberechtigtes Pupsen!
Für mich hat die Freude am Furz aber auch etwas mit Gleichberechtigung zu tun. Klar ist es auch Männern unangenehm, wenn ihnen in einer unpassenden Situation einer entfleucht. Aber dann schalten sie sofort in den Wettkampfmodus und geben Pupsgeschichten zum Besten. Wir sollten ihnen das Furzfeld also nicht einfach so überlassen. Ich will mich mit meinen Flatulenzen nicht zurückhalten müssen, nur um ein männliches Bild von weiblicher Sexyness aufrechtzuerhalten. Ich halte mich nicht für weniger sexy, wenn ich mal pupse. Im Gegenteil finde ich mich dann oft ziemlich lustig – und mein Mann auch.
Ich möchte mir keinen abklemmen, nur um ,sexy‘ zu wirken
Miriam BöndelTweet
Wer sich immer einen abklemmt, verpasst viel Spaß. Außerdem ist so ein Furz auch eine gute Waffe. Neulich beschrieb eine Frau in einem Post, wie ein Kollege immer wieder zufällig ihre Brüste und ihren Po streifte. Als er ihr in den Hintern kniff, reichte es ihr: Bei der Attacke furzte sie dem Grapscher laut und wütend in die Hand.
Ein Tabubruch hilft uns allen
Das soll nun nicht heißen, dass alle überall und ständig pupsen sollen. Aber ein gleichberechtigterer Umgang mit dem Thema täte vor allem Menschen gut, die Darmprobleme haben und sich nicht zum Arzt trauen. Ich bin meiner Familie dankbar, dass ich so körpernah aufgewachsen bin und all meine Leibesfunktionen so feiern kann. Ich empfinde keine Scham, wenn es darum geht, meine Verdauung zu beschreiben, ich habe eine Sprache dafür.
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