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Kasia Mol-Wolf
Bild: Tina Luther

Kasia spricht Klartext: "Ohne Stolpern geht es nicht voran"

18.10.2023
Kasia Mol-Wolf

Jeden Monat spricht EMOTION Founder & Editorial Director Kasia Mol-Wolf Klartext über ein Thema, das sie gerade bewegt. Diesmal: Ein Ziel unserer Verlegerin: eine gerechtere Welt. Was sie sich dafür wünscht: dass wir auf dem Weg dorthin gelassener bleiben und anderen und uns selbst Fehler verzeihen.

Wenn es darum geht, Herzensprojekte voranzubringen, sind wir Frauen fleißig und gewissenhaft. Und obwohl wir uns eigentlich von unserem Perfektionismus verabschieden wollen, sollen doch bitte die wichtigen Themen fehlerfrei umgesetzt werden. Uns richtig zu verhalten und auszudrücken, sind dabei wesentliche Hebel. Wir fordern Gleichberechtigung: zu Hause, am Arbeitsplatz, überall. Wir wollen nur noch gendergerechte Sprache hören und lesen, Kinderabteilungen, die nicht mehr zwischen Rosa und Hellblau unterscheiden, Elternzeit für beide Partner:innen.

Wir sollten gnädiger mit dem Stolpern sein

Wir sind auf dem richtigen Weg – und dennoch möchte ich eine Lanze fürs Unperfekte brechen. Für mehr Gelassenheit, wenn Fehler passieren. Denn da können wir auch besonders hart und wertend sein. Ja, unsere Sprache prägt uns. Sie macht Gleichberechtigung hörbar. Dennoch kenne ich Situationen, in denen mir – trotz anderer Überzeugung – mal ein unfeministisches oder sogar ein als rassistisch erkanntes Wort über die Lippen kommt. Weder gewollt, noch wirklich bewusst, sondern aus Gewohnheit. Natürlich müssen wir alte Muster aufbrechen und uns umgewöhnen, auch wenn es nicht leicht ist, über Jahrzehnte Eingespieltes umzucodieren. Ich weiß, es ist eine große Forderung, gerade diejenigen, die schon so lange darunter leiden, zu bitten, noch länger nachsichtig zu bleiben und nicht die Geduld zu verlieren. Ich hoffe aber, wenn wir alle etwas gnädiger mit dem Stolpern sind, kommen wir am Ende schneller voran.

Warum halten wir eigentlich viele Dinge für selbstverständlich?

Kasia Mol-Wolf wünscht sich mehr Nachsicht!
Kasia Mol-Wolf wünscht sich mehr Nachsicht!

Vor einiger Zeit begegnete ich einer beruflich sehr erfolgreichen Frau, die ich schon aus der Presse kannte. Ich weiß noch genau, wie ich vor Jahren las, dass ihre Kinder nach der Trennung beim Vater blieben. Und ich muss zugeben, dass ich sie damals als "hart" empfand. Ich urteilte über sie, denn für mein Gefühl entschied sie sich gegen ihre Kinder und für die Karriere. Als wir jetzt sprachen, schämte ich mich, wie harsch ich ihre Entscheidung damals bewertet habe. Überhaupt, warum empfinden wir es als normal, dass Kinder im Trennungsfall zur Mutter gehen? Warum verurteilen wir nicht Väter als "hartherzig", die ihre Karrieren vorantreiben und sich nicht wirklich in der Pflicht der Kinderbetreuung sehen? Noch heute werden Männer, die sich ganz normal, oft nicht einmal zur Hälfte, mit um ihre Kinder kümmern, in den Himmel gelobt. Das alles zeigt, wie eingefahren wir sind. Wie lange wir Dinge für selbstverständlich halten, die bei genauerer Betrachtung schon immer sexistisch, rassistisch, homophob oder – das lerne ich gerade – ableistisch waren.

Gleichberechtigung geht nur gemeinsam

Klar ist, wir werden mit der Gleichberechtigung nur gemeinsam mit den Männern vorankommen – und auch da hilft es vielleicht, mal fünfe gerade sein zu lassen. Kein Mensch ist perfekt. Und das ist auf unserem Weg zur Gleichberechtigung und zu einer diverseren Gesellschaft eine Herausforderung. Natürlich dürfen wir keine Zeit verschwenden – und dennoch passieren Fehler. Auch mir.

Ich wünsche mir mehr Gelassenheit und weniger Urteilen

Ich versuche Gewohntes zu hinterfragen, umzulernen und auch um Verzeihung zu bitten. Und ich hoffe, es gibt die, die mir verzeihen. Doch ich bin auch
überzeugt, auf dem Weg zu einer gleichberechtigten, gendergerechten, anti-rassistischen, inklusiven Gesellschaft hilft uns ein Absolutismus Fehlern gegenüber nicht weiter. Der verschreckt eher viele, die sonst eigentlich offen für Neues wären. Deshalb wünsche ich mir neben der Bereitschaft zu lernen mehr Gelassenheit und weniger Urteilen, um gemeinsam die Gesellschaft zu schaffen, in der wir leben wollen.


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