Eine neue Studie legt nahe, dass intermittierendes Fasten keinerlei Auswirkung auf die Gewichtsabnahme hat. Wir haben Dr. Matthias Riedl um eine Einschätzung des Ergebnisses gebeten und gefragt, wann Intervallfasten wirklich Sinn macht.
Wie funktioniert Intervallfasten und was verspricht es?
Alle paar Jahre gibt es in der Fitness- und Gesundheitssphäre neue Trends, die zum Wunschgewicht führen und on top noch unser Wohlbefinden und unsere Gesundheit verbessern sollen. Verglichen mit anderen Ernährungsformen und Diäten ist das Intervallfasten schon fast ein Klassiker geworden, wenn es darum geht, gesund abzunehmen. Beim Intervallfasten geht es, wie der Name schon verrät, darum, in bestimmten Zeiträumen zu fasten und in den übrigen wie gewohnt zu essen. Zwei Varianten sind besonders beliebt:
- 16:8-Methode: In einem Intervall von acht Stunden nimmt man zwei Mahlzeiten zu sich – zwischen der letzten Mahlzeit des Vortages und der ersten Mahlzeit am jeweiligen Tag liegen 16 Stunden, in denen nicht gegessen wird
- 5:2-Methode: An fünf Tagen der Woche isst man wie gehabt, an zwei Tagen mit einem größeren Kaloriendefizit
Das soll nicht nur für eine gesunde Abnahme sorgen, sondern auch gesundheitsfördernde Wirkungen auf den Stoffwechsel haben.
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Neue chinesische Studie untersucht das Intervallfasten
Mehrere Studien haben sich in den letzten Jahren wissenschaftlich mit der Methode auseinandergesetzt, um zu ergründen, wie sinnvoll das intermittierende Fasten tatsächlich für unsere Gesundheit ist. Jetzt erschien eine neue Studie – 139 Frauen und Männer nahmen daran teil, durchgeführt wurde sie an der Southern Medical University in Guangzhou, China. Jede:r der Teilnehmer:innen bekam über ein Jahr hinweg ein bestimmtes Kontingent an Kalorien zugeteilt. Eine Gruppe verbrauchte die Kalorien ausschließlich zwischen 8 Uhr morgens und 16 Uhr, die Kontrollgruppe hingegen aß ohne bestimmte Zeitfenster über den Tag verteilt.
Die Studie konnte keine gesundheitlichen Vorteile nachweisen
Die Leiter:innen der Studie kamen nach einem Jahr zu einem ernüchternden Ergebnis: Wann die Studienteilnehmer:innen ihre Kalorien zu sich genommen hatten, war unerheblich für den Erfolg der Abnahme, erklärt das Forscherteam. Zwar nahmen die Frauen und Männer im Schnitt 8 Kilogramm ab, aber ein signifikanter Unterschied zwischen den beiden Gruppen konnte nicht festgestellt werden. Und auch weitere gesundheitliche Vorteile, die angeblich durch das Intervallfasten auftreten sollen, konnten nicht wissenschaftlich belegt werden. Die Wissenschaftler:innen konnten auch in puncto Blutzuckerspiegel, Insulinempfindlichkeit, Blutfetten und Blutdruck keinen Unterschied zwischen den Studienteilnehmer:innen, die in Intervallen aßen und denen, die zeitunabhängig aßen, feststellen.
Wir fragen den Experten: Was bringt Intervallfasten tatsächlich?
Dr. Matthias Riedl ist Internist, Ernährungsmediziner, Diabetologe und ärztlicher Leiter des Medicum Hamburg. Vielen dürfte er auch aus der NDR-Sendung "Die Ernährungs-Docs" bekannt sein. Dr. Riedl beschäftigt sich mit den positiven und negativen Auswirkungen unserer Ernährung auf unsere Gesundheit und blickt auf über 30 Jahre Erfahrung im Medizinbereich zurück. Wir wollen von ihm wissen, wie er die Studie der Southern Medical University in Guangzhou einschätzt, wann Intervallfasten sinnvoll ist und warum es zu dem Thema besonders viele Fehlinformationen und Mythen gibt.
EMOTION: Wie würden Sie die Ergebnisse der Studie der Southern Medical University in Guangzhou einschätzen? Sind 139 Teilnehmer:innen und eine Studiendauer von einem Jahr genug, um eindeutige Ergebnisse zu bekommen?
Dr. Matthias Riedl: Nein. Erstmal ist ein Jahr Studiendauer zu kurz. Außerdem muss man genau prüfen, welche Art von Intervallfasten gemacht wurde und ob die Teilnehmer:innen während der Studie ernährungsmedizinisch beraten wurden. Oftmals wird leider propagiert, dass man 16 Stunden fasten solle und in der übrigen Zeit essen soll, was man will. Für mich als Ernährungsmediziner ist das natürlich Quatsch.
Wann kann Intervallfasten gesundheitliche Vorteile haben?
Wer Intervallfasten nutzt, sollte das nicht isoliert und nicht ohne Beratung tun. Leider ist es in der Ernährungsmedizin immer wieder so, dass von Einzelmaßnahmen erwartet wird, dass sie den Karren aus dem Dreck ziehen. Intervallfasten ist relativ leicht durchführbar, aber man muss es eben auch richtig machen und sich in den Essensphasen gesund und ausgewogen ernähren. Wir empfehlen Intervallfasten all jenen, die einen antientzündlichen Effekt haben wollen – das bewirkt das Intervallfasten nämlich. In der Phase, in der wir nicht essen, ist der Darm nicht beschäftigt. Das Immunsystem muss nicht dauernd abtasten, was wir gerade essen, und kommt aus der Hyperaktivität raus. Das lindert stille Entzündung. Außerdem besteht die Chance, dass der Insulinspiegel sinkt.
Wem können Sie Intervallfasten empfehlen und wem raten Sie davon ab?
Intervallfasten macht bei Schwangeren, untergewichtigen Personen und Muskelmangel keinen Sinn. Sinnvoll kann Intervallfasten bei Menschen mit entzündlichen Krankheiten sein – bei Rheuma oder Diabetes. Aber eben mit professioneller Beratung. Ernährungstherapie, die Intervallfasten als alleinige Maßnahme empfiehlt, ist Quacksalberei. So klar muss man das sagen. Und Studien, die suggerieren, dass sie eine Möglichkeit gefunden haben, mit der man unsere westliche Ernährung neutralisieren kann – die sind Quatsch.
Warum widersprechen so viele Studien zum Thema Intervallfasten einander? Manche belegen, dass Intervallfasten viele gesundheitliche Vorteile hat, andere – wie die der Southern Medical University – kommen zu konträren Ergebnissen.
Oft liegt es am Budget, weil die meisten Studien nicht von großen Firmen oder gar vom Staat finanziert werden. Dann haben mehrere Universitäten ein kleines Budget und können nur Teilaspekte beleuchten. Studien, die wirklich allumfassend sind, sind sehr teuer. Das bezahlt niemand in der Ernährungsmedizin. Derzeit ist die Studienlage alles andere als überzeugend.
Eine neue Studie weist darauf hin, dass Intervallfasten positive Auswirkungen auf die Autophagie, also den Prozess, bei dem unser Körper krankhafte oder nicht benötigte Zellen abbaut und anders verwertet, hat. Wie schätzen Sie als Ernährungsmediziner diese Erkenntnis ein?
Das ist richtig. Und das sind eben jene Effekte, die wir beispielsweise für Menschen mit Rheuma nutzen. Wir empfehlen das bei allen entzündlichen Erkrankungen, zum Beispiel bei Patientinnen mit Endometriose. Denn dadurch ist die Autophagie optimiert, gleichzeitig sinkt das Entzündungsniveau.
Warum sind so viele falsche oder unvollständige Informationen über Intervallfasten im Umlauf?
In der ernährungsmedizinischen Landschaft herrscht an manchen Stellen Dilettantismus vor. Das liegt daran, dass die Fachrichtung noch nicht richtig etabliert ist – in dieser Hinsicht befinden wir uns noch im medizinischen Mittelalter. Außerdem gibt es nicht genug Therapieplätze. Statt Wissen und Informationen über gesunde Ernährung gibt es beinahe schon religiöse Ströme, die dieses und jenes propagieren. Eine Strömung davon ist das fanatische Predigen des Intervallfastens ohne Informationen darüber, wie man es richtig durchführt. Aus diesem Grund haben wir in den letzten drei Jahren die myFoodDoctor-App entwickelt, die genau das ausgleicht. Man führt Tagebuch, bekommt Coaching und Wissensvermittlung und wissenschaftliche Analysen des eigenen Essverhaltens. Dort gibt es auch ein Intervallfasten-Tool, mit dem die Nutzer:innen lernen können, wie gesunde Ernährung sich in den Alltag integrieren lässt und welche Hilfsmittel man dazu nutzen kann.
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