"Einfach mal was Schönes": In Karoline Herfurths Kinofilm sucht die chaotische, aber sympathische Karla ihr Lebensglück. Unsere Autorin fragt sich: Muss dieses Rollenklischee in jeder romantischen Komödie sein?
Ihr kennt die Frau aus der Überschrift bestimmt aus deutschen Kinofilmen: Sie hat wuscheliges Haar, eine unaufgeräumte, aber dafür erstaunlich saubere Wohnung; einen sie ernährenden Beruf verfolgt sie nicht, dafür hat sie eine allerallerbeste Freundin, die sie immer wieder aus dem von ihr selbst verursachten Schlamassel zieht.
Erst kürzlich bin ich der Chaos-Frau wieder begegnet, und zwar im neuen Film von Karoline Herfurth – "Einfach mal was Schönes" (hier geht's zum Trailer). Herfurth führte Regie und spielt die Hauptrolle: Karla ist 39 und will dringend ein Kind, aber eigentlich, so sagt sie mit großen Augen, "kann sie ja noch nicht mal auf sich selbst aufpassen". Zu chaotisch ist sie selbst und ihr ganzes Leben.
Chaotisch, aber cute: Diese Frau begegnet mir aus unerfindlichen Gründen in jeder deutschen Romantic Comedy. Schon klar, das im Film verbreitete Chaos ist nötig, um die Geschichte einer romantischen Komödie überhaupt erzählen zu können: Alles geht schief, die Protagonistin erkennt ihre eigenen Fehler, aber lernt gleichzeitig, zu ihren liebenswert-menschlichen Eigenheiten zu stehen, woraufhin sie endlich glücklich werden kann, am liebsten natürlich mit einem dreitagebärtigen Mann. Und ganz wichtig: Bis zum Happy End dürfen die Standardzutaten deutscher Komödien nicht fehlen, das heißt, irgendjemand muss in Klamotten nass werden (im Herfurth-Film per Schlammschlacht), es wird dauernd gekotzt und es gibt ein Last-Minute-Liebes-Geständnis (Spoiler: in diesem Fall verbunden mit einer Kutschfahrt durch Berlin).
Eigentlich wollte ich bei "Einfach mal was Schönes" genau das erleben: einfach nur mal schön abschalten. Stattdessen bin ich genervt aus dem Film gegangen. Diese ganze vermeintliche relatability, die mit einer liebenswert-verpeilten Protagonistin vermittelt werden soll, ist, finde ich, fast genauso überholt wie die Witze über Bridget Jones’ Gewicht (sie ist immerhin sowas wie die Ur-Chaos-Frau des Kinos).
Karriere oder Chaos? Es gibt nur diese beiden Rollen
Kann es denn sein, dass es im Kino immer noch nur genau zwei Frauentypen gibt: Die eiskalte Karriere-Frau, die erkennen muss, dass man mit Zynismus nicht glücklich werden kann – und eben die Chaos-Frau, die in ihrer zottelhaarigen Tollpatschigkeit die Kontrolle über ihr Leben erst mühsam erobern muss? Das sind die Charakter-Schablonen, die in deutschen Komödien angeboten sind, und die Logik ist immer folgende: je chaotischer, je verpeilter, desto sympathischer.
Dafür, dass Karoline Herfurth, Nora Tschirner & Co. ja eigentlich alles anders machen wollen als im stereotypen Männer-Kino (und die ja auch beide schon mehrfach bewiesen haben, dass sie das drauf haben!), werden noch immer ganz schön viele Klischees bedient. Und ich glaube, was mich an der Chaos-Frau so stört, ist, dass ihr Chaos ja nie nennenswerte Konsequenzen hat, außer vielleicht, dass ihr Angebeteter sie zwei Minuten lang nicht mehr ganz so toll findet.
Glaubwürdig geht anders
Das soll "authentisch" sein?! Ich persönlich kann mich darin nicht wiederfinden. Dabei sind meine Haare ziemlich oft auch nicht gekämmt und überhaupt geht’s in meinem Leben aktuell mehr als chaotisch zu – aber ich habe deshalb auch schon weitaus unangenehmere Situationen erlebt als im falschen Outfit auf einer Hochzeit aufzutauchen. Und ich musste persönlich schon leidig oft feststellen, dass das Umfeld es tendenziell eher begrenzt liebenswert findet, wenn man fortwährend nur Aufruhr verursacht.
Was ich im Kino gern mal sehen würde, ist eine Frau, die ihr Leben im Großen und Ganzen im Griff hat, bis mehrere unvorhergesehene Situationen alles gleichzeitig ins Wanken bringen und sie aus eigener Kraft die Dinge wieder ordnen muss. Und zwar ohne, dass sie den korrekten Pfad zur persönlichen Zufriedenheit nur erkennt, weil ihre allerallerbeste Freundin, die mal Therapeutin war, jetzt aber als Podcast-Produzentin arbeitet (die Story wird uns in „Einfach mal was Schönes“ um die Ohren gehauen), ein floskeliges "eye opener"-Gespräch mit ihr führt: "Du musst mal mehr auf deine Bedürfnisse achten". Wenn's nur so einfach wäre!!
Ich schreib gern das Drehbuch für den Film zu "Einfach mal glaubwürdig". Ihr müsstet diesen Text halt nur an Karoline Herfurth weiterleiten. Danke!
Dieser Text erschien zuerst im Newsletter der Autorin: "Sunday Delight - Briefe von Julia".
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