Eine Frauenclique Ende 30 setzt sich nach einem unerwarteten Todesfall mit den Sackgassen im eigenen Leben auseinander: Julia Beckers Film "Over & Out" ist eine Tragikomödie, die Mut zum Glücklichsein machen will. Ein Gespräch über Frauenfreundschaften, enttäuschte Lebenserwartungen und Vergänglichkeit.
Drei Freundinnen machen sich auf den Weg zur Hochzeit ihrer Jugendfreundin. Vor Ort stellen sie fest: Maja (Nora Tschirner) ist tot, sendet per Videobotschaft aber einen speziellen Wunsch an die Hinterbliebenen. Steffi (Julia Becker), Toni (Petra Schmidt-Schaller) und Lea (Jessica Schwarz) sollen eine ganz besondere Bestattung organisieren.
Im Julia Beckers Kinofilm "Over & Out" geht es um die Vergänglichkeit des Lebens – und alle Gedanken, die ein plötzlicher Todesfall bei den Hinterbliebenen auslöst: Lebt man eigentlich das Leben, das man will?
EMOTION: Julia, du hast das Drehbuch für den Film verfasst, Regie geführt und eine der Hauptrollen übernommen. Wie stressig war’s, den Film zu Ende zu drehen?
Julia Becker: Es ging eigentlich! Es hat vor allem wahnsinnig viel Spaß gemacht, so einen großen Film drehen zu können. Nach jedem Drehtag dachte ich: oh nein, schon vorbei. Die Vorbereitung hat natürlich lange gedauert, von der ersten Idee über Corona-Zwangspausen bis zur Premiere hat mich der Film vier Jahre lang begleitet.
In der Filmbranche in Deutschland ist es ja leider immer noch eher ungewöhnlich, dass Frauen von der Idee bis zum fertigen Film die kreative Kontrolle übernehmen können. Wie ist es dir gelungen, die Rolle so für dich zu beanspruchen?
Ich konnte den Film zum Glück wieder mit der Produzentin Frauke Kolbmüller umsetzen, mit der ich auch schon meinen ersten Spielfilm "Maybe, Baby!" gedreht habe. Für sie war es nie eine Frage, ob sie mir die Kontrolle in kreativen Fragen lässt. Sie hat es mir einfach zugetraut, niemand hat mir reingeredet, ich durfte den Film machen, den ich machen wollte. Das war echt schön.
Im Film geht es um den Tod und die Erkenntnis: Das Leben ist endlich. Wieso wolltest du dich unbedingt mit diesem Thema befassen?
Wenn man sich mit dem Thema Tod beschäftigt, betrachtet man das Leben oft ganz neu. Ich finde das für einen Film eine spannende Ausgangssituation – aber eben auch fürs eigene Leben.
Die drei überlebenden Freundinnen im Film crashen über die Auseinandersetzung mit ihren jeweiligen Leben ziemlich aneinander…
Viele kennen das ja aus Freundschaften, die man noch aus dem Kinder- oder Jugendalter hat – da hat man manchmal das Gefühl: Wenn wir uns jetzt kennenlernen würden, wären wir niemals befreundet. Aber weil man sich so lange kennt, gibt man nicht so schnell auf, guckt im besten Falle mal genauer hin, und erkennt: Aha, du bist jetzt vielleicht ganz anders als ich, aber in dir steckt immer noch die oder der 16-Jährige, an die oder den ich mich erinnere – man spürt den gemeinsamen Kern. Das bringt einen dann wieder mehr zusammen.
Im Film brechen echt schwerwiegende Konflikte auf. Bisweilen denkt man: Wie soll diese Freundschaft noch gerettet werden?
Genau, ich wollte eben auch zeigen, dass man nur eine Chance hat, Freundschaften zu retten, wenn man offen und ehrlich miteinander ist. In vielen Filmen gibt es nach schwerwiegenden Unehrlichkeiten keine Vergebung oder ein Aufeinanderzugehen… Dabei spielt sich das echte Leben in viel mehr Zwischentönen ab. Es war mir wichtig, das im Kino auch mal zu zeigen: Man kann sich total verkrachen – aber als erwachsene Menschen auch wieder zueinanderfinden.
Heißt das, dass man über Verletzungen hinwegsehen soll, weil Freundschaften mehr wert sind?
Da muss man im Einzelfall richtig hingucken: Lohnt es sich, für die Verletzung eine Freundschaft aufgeben, oder kann ich da jetzt mal drüberstehen? Wenn man alte Freundschaften aufgibt, verschwindet ja irgendwie auch ein Teil von einem selbst.
Ist es nicht auch eine Altersfrage, wie sehr unterschiedliche Lebenswege Freundschaften trennen?
Ich finde schon. Mit Anfang 30 steht man beruflich zum ersten Mal richtig in der Blüte, denkt, man weiß jetzt ungefähr, was man im Leben will. Ein paar Jahre später sieht das schon wieder anders aus. Auch Frauen durchleben eine Art Midlife-Crisis, in der sie sich fragen, was sie vom Leben eigentlich noch erwarten. Und in dieser Lebensphase, in der sich auch die Figuren im Film befinden, merkt man plötzlich: Es ist ziemlich egal für eine Freundschaft, ob die Freundin zwei Kinder hat und man selbst keine will, welche Einstellungen zum Thema Karriere man teilt oder nicht. Wenn man diesen Punkt erreicht, zu erkennen, dass man voneinander lernen kann, ohne in allen Lebensaspekten einer Meinung sein zu müssen, dann ist das für eine Freundschaft sehr schön.
Mit welchem Gefühl sollen die Zuschauer:innen aus dem Film gehen?
Mit dem Gedanken: Man kann immer noch mal was rumreißen im Leben. Man kann glücklich werden. Viele Menschen richten sich ein in ihrem Leben, sind nicht ganz glücklich, aber auch nicht ganz unglücklich. Ich will Mut machen, sich Glück zu trauen.
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