Nach dem Hype um „Bridgerton“ wollte Netflix wohl ein weiteres „Period Drama“ hinterher schießen – und verfilmte Jane Austens Roman „Überredung“ mit Dakota Johnson in der Hauptrolle neu. Das Ergebnis? 109 Minuten Peinlichkeit.
Der Vater wird „Daddy“ genannt und nicht „Pa-PAH“ – und mehr muss man über die Netflix-Version von Jane Austens Roman „Persuasion“ schon fast nicht wissen, um das Ausmaß der Peinlichkeiten dieses Films zu begreifen.
Dabei wurde der Kostümfilm mit Spannung erwartet: Theaterregisseurin Carrie Cracknell wollte aus den zeitlosen Roman-Motiven Austens – eine Frau, die mit ihren Lebensentscheidungen, ihrem Umfeld und ihrer Zeit hadert – ein für die Instagram-Ära kompatibles Binge-Erlebnis mit Dakota Johnson in der Hauptrolle machen. Doch gerade in der Bemühung um zeitgemäße Relevanz liegt das große, große Problem der Verfilmung.
Warum muss Dakota Johnson als Hauptfigur Anne Elliot ständig in die Kamera, also mit dem Publikum sprechen? Unangenehm! Und warum sind sämtliche Dialoge auf aktuellen Slang getrimmt? Ein Beispiel: die Witze über Selfcare. Meme-Späßchen in Jane Austens feiner Literaturwelt – peinlicher geht’s kaum.
Bei Netflix wollte man ein wenig zu offensichtlich auf den "Bridgerton"-Hype aufspringen - die schnulzige Serie in historisch inspirierten Kostümen, die sämtliche Streaming-Rekorde brach. Man kann sich das Brainstorming-Meeting der Programm-Chefetage sehr gut zusammenfantasieren: "Hey, was könnten wir für all die Period-Drama-Fans noch schnell hinterherschießen, was ihnen mit 99-prozentiger Übereinstimmung empfohlen wird? Ah yes, lasst uns irgendwas von Jane Austen verwursten, die zieht doch immer!"
"Bridgerton" in allen Ehren – aber Jane Austen ist dann doch noch mal ein anderes Kaliber als die Groschenroman-Welt von Julia Quinn. Dass sich die Autorin, die ihre Werke zu Beginn des 19. Jahrhunderts veröffentlichte, bis heute in den Herzen ihrer Fans hält, ist ihrer großen Literatur zu verdanken. Und deshalb schauen Austen-Kenner:innen bei Verfilmungen schon ganz genau hin, wie sorgsam mit ihren Romanheldinnen umgegangen wird.
Im Original ist Anne Elliot ein herzensguter, zurückhaltender Mensch, der im Erwachsenenalter erst lernen muss, für sich einzustehen. Dakota Johnson hingegen interpretiert die Protagonistin als trinkfreudigen, schlagfertigen Tollpatsch – viel zu selbstbewusst jedenfalls, um nachvollziehbar zu machen, warum sie sich als junge Frau gegen eine Heirat mit ihrem Jahre später immer noch aktuellen Schwarm Captain Wentworth entschieden hat.
Kurz gesagt: In „Persuasion“ passt nichts so richtig zusammen. Und der zusammengeschusterte Rest erzeugt nicht mal genügend Bildschirm-Romantik, dass man den Streifen gerade noch als Guilty-Pleasure-Binge nach einem stressigen Arbeitstag durchgehen lassen könnte. Man wünschte sich insofern wirklich, dass Jane Austens Werke endlich mal in Ruhe gelassen würden – schließlich gibt es schon genügend Verfilmungen, die, seien wir ehrlich, zwar teilweise entzückend anzusehen sind, aber letztlich allesamt doch den Romanen nicht gerecht werden.
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