Kunstberaterin Sonja Lechner im Interview über Marktpreise, die Chancengleichheit von Künstlerinnen und den Ladies Art Lunch.
EMOTION: Frau Lechner, nur jeder zehnte Künstler kann laut einer neuen Studie von seiner Arbeit leben – besonders prekär ist die Lage für Frauen. Warum ist es gerade für Künstlerinnen so schwer, Frau Lechner?
Sonja Lechner: Die Kunst ist ein Seismograf für die Machtverhältnisse in der Gesellschaft. Ob sich ein Künstler am Markt durchsetzt, hängt nicht allein von seiner Qualität ab, sondern auch von seinem Netzwerk aus Galeristen und Kuratoren. Daher ist es so wichtig, dass Frauen Förderer haben, die in ihnen das gleiche Potenzial entdecken wie in Männern.
Sie veranstalten den Ladies Art Lunch. Was ist die Idee dahinter?
Beim Ladies Art Lunch vernetze ich zweimal pro Jahr Frauen in Führungspositionen und inspirierenden Tätigkeitsfeldern miteinander, indem ich sie zu einem Lunch in ein Museum einlade. Ich glaube, dass wir, die wir bereits in solchen Positionen sind, die Voraussetzungen dafür schaffen müssen, dass der weibliche Faktor mehr zum Tragen kommt. Wir erreichen viel mehr, wenn wir unsere Potenziale bündeln.
Welche Preise erzielen die Werke von Frauen heute auf dem Kunstmarkt?
Es existiert eine Schere zwischen der Präsenz von Künstlerinnen und ihrer monetären Bewertung. Bei Auktionen sind die 50 gefragtesten Künstler allesamt Männer. Die erste Frau, Joan Mitchell, eine Pionierin der abstrakten Malerei, folgt erst auf Rang 51. Werke von Künstlerinnen erzielen bei Auktionen im Schnitt nur die Hälfte des Preises wie die von Männern. Es gibt inzwischen aber auch andere Zahlen: Wenn man das Renommee eines Künstlers anhand der Zahl seiner wichtigen Ausstellungen abschätzt, landet zum Beispiel Rosemarie Trockel auf Platz 4.
Doch noch immer stammen etwa 90 Prozent der Werke, die von Museen angekauft werden, von Männern.
Die Guerrilla Girls haben 1985 bei einer wichtigen Ausstellung im New Yorker Museum of Modern Art gezählt, wie viele Frauen unter den 165 Künstlern waren – es waren gerade mal 13. Der Prozess, dies zu ändern, ist glücklicherweise seither in Gang gekommen.
Inwiefern?
Aktuell werden 20 Prozent der Einzelausstellungen in Museen von Künstlerinnen bestritten. Das klingt wenig, aber das ist ein großer Fortschritt. Wir feiern dieses Jahr 100 Jahre Frauenwahlrecht – und danach hat es auch lange gedauert, bis eine Frau Bundeskanzlerin wurde.
Dr. Sonja Lechner, promovierte Kunsthistorikerin, ist selbständig als Kuratorin, Kunstberaterin und Rednerin. Sie ist Co-Founderin der Firma Kunstkonnex Artconsulting, seit 2016 deren alleinige Geschäftsführerin. Zweimal pro Jahr veranstaltet Sonja Lechner den Ladies Art Lunch.
Was stimmt sie optimistisch?
Auch wenn die Direktoren der wichtigsten Museen weltweit meist noch Männer sind, so haben sich die Entscheider dahinter gewandelt. Es gibt Professorinnen, die sich gut erinnern, wie schwierig ihr Weg war. Und es gibt immer mehr Galeristinnen wie Philomene Magers und Monika Sprüth, oder Sammlerinnen wie Julia Stoschek, die Künstlerinnen ans Licht verhelfen.
Welche Vision haben Sie?
Ziel sollte sein, dass sich die Geschlechterfrage gar nicht mehr stellt. Dass sich Werke durchsetzen, die es wert sind – unabhängig vom Geschlecht des Künstlers.