Künstlerin Sarah Lüdemann ist Teil der Millerntor Gallery, dem Kunstfestival der “All-profit” Organisation Viva con Agua.
Wir trafen Sarah Lüdemann im Hamburger Scandic Hotel, in dem sie einen “Art Room” selbst gestaltete. Im Interview erzählt sie uns von den Schwierigkeiten, sich als Frau auf dem Kunstmarkt zu etablieren, mit zu viel Inspiration umzugehen und Plastik zu vermeiden.
EMOTION.DE: Kannst du deine Kunst in ein paar Worten beschreiben?
Sarah Lüdemann: Ich arbeite mit verschiedenen Medien, von der Zeichnung bis hin zu Videoinstallationen. Meine Werke sind oft installativ, sodass der Raum miteinbezogen wird. Oftmals sinnlich schön und abstoßend komisch zugleich. Ich möchte ambivalente Emotionen beim Betrachter kreieren, dass man sich angezogen und gleichzeitig abgestoßen fühlt und gar nicht genau weiß, ob man das mag oder nicht - dass man sehr emotional reagiert.
Steht das im Vordergrund für dich, was du beim Betrachter auslöst?
Ja. Wobei ich intuitiv arbeite - mit dem was in meinem Kopf und meinem Körper passiert – nicht rational. Ich freue mich natürlich immer, wenn ich in Dialog treten kann mit dem Rezipienten, aber ob das funktioniert, weiß man nie. Einige spricht es an und andere nicht.
Hast du das Gefühl, dass es für dich als Frau schwieriger war, dich auf dem Kunstmarkt zu etablieren?
Ich würde gerne sagen, nein. Leider ist das etwas schwerer. Ich glaube viele Menschen, die Kunst sammeln und damit handeln, sind Männer. Und Männer machen gerne Business mit Männern. Das ist als Frau glaube ich schwieriger. Die meisten meiner Sammler sind Sammlerinnen. Aber vielleicht bin ich auch nicht die super taffe Geschäftsfrau, dafür bin ich zu sehr Künstlerin.
Wie gehst du damit um, wenn du gerade keine Inspirationsquelle hast?
Das ist mir noch nie passiert. Du könntest die Frage stellen, wie gehst du damit um, dass du zu viel Inspiration hast und nicht genug Zeit und Raum - das ist nämlich eine wahnsinnige Frustration für mich. Der Künstlerberuf an sich bringt so viele Sachen mit sich, die nicht mit Kunst machen zu tun haben. Administrationen, Eröffnungsabende, Portfolio schreiben, und so weiter. Dadurch ist viel zu wenig Zeit fürs Atelier. Das ist frustrierend. Aber es ist klar, dass ich nie aufhören werde Kunst zu machen - ich brauche mich also eigentlich gar nicht zu hetzen. So eine Langsamkeit ist auch sehr kostbar! Dass man weiß, man wird das einfach immer machen und dadurch muss man sich gar nicht unter Druck setzen.
Kommt die Inspiration hauptsächlich aus dir selbst heraus oder gibt es eine bestimmte äußere Quelle dafür?
Ich glaube was passiert, ist, dass ich total viel Input habe, der verarbeitet wird und dann in anderer Form wieder aus mir heraus kommt. Mich inspirieren Künstler wie Matthew Barnie und Pierre Huyghe, und ich lese wahnsinnig viel, sowohl Zeitungen als auch Bücher zu Physik, zu Psychologie, zu Philosophie. Ich habe mich gerade zum Beispiel intensiv mit der Quantenphysik beschäftigt und mit Tintenfischen. Daher kommt viel Inspiration und dann einfach gucken, ich gucke den ganzen Tag, bin ein sehr visueller Mensch.
Wie kamst du mit Viva con Agua in Berührung?
Durch Maximilian Magnus, das ist ein Freund, Künstler, Kurator, der schon lange mit Viva con Agua zusammenarbeitet und mich dann vorgeschlagen hat für die erste Millerntor Gallery. Und das hat wahnsinnig viel Spaß gemacht, es sind echt tolle Menschen.
Was ist Viva con Agua für dich?
Viva con Agua ist auch eine Inspirationsquelle. Ich weiß noch, als ich hier mitgemacht habe und gedacht habe, wow toll, hier sind einfach Leute, die nicht darauf aus sind, viel Geld oder ein cooles Image zu haben, sondern einfach Lust darauf haben, etwas zu machen. Die Energie war inspirierend.
Engagierst du dich auch anderweitig für soziale Projekte?
Nein. Aber ich fange gerade an, Plastik zu vermeiden und habe wirklich begonnen darüber nachzudenken. Ich hatte mal wieder einen gelben Sack in der Hand und dachte, das wird alles irgendwo nach China verschifft und landet im Wasser. Das ist fürchterlich. Da wollte ich etwas dagegen tun.
Wie sieht das dann aus?
Ich kaufe nichts mehr was mit Plastik verpackt ist und das gestaltet sich gar nicht so einfach. Aber wodurch man ganz viel vermeiden kann ist auf dem Markt einzukaufen.
Hast du das Gefühl, dass es teurer ist so zu leben?
Ja, zunächst hat man das Gefühl, aber was ich auch festgestellt habe ist, dass je mehr man sich mit Essen beschäftigt, desto langsamer und genüsslicher ist man und desto weniger Essen braucht man eigentlich. Ich glaube im Endeffekt zahle ich nicht mehr Geld, denn so zu essen nährt mich mehr.
Sarah Lüdemann ist Künstlerin und lehrt gerade an der Universität in Bremen.
Über Viva Con Agua:
Die Wasserinitiative Viva Con Agua de Sankt Pauli e.V. unterstützt nach dem Motto "Wasser für alle - alle für Wasser" Regionen weltweit, Zugang zu sauberem Trinkwasser zu bekommen. Das Ganze ohne erhobenen Zeigefinger und mit sehr viel geteilter Lebensfreude.