Wie das Essen vom Acker auf den Teller kommt, darauf können alle Mitarbeiter:innen des Marktlokals in der Markthalle Neun in Berlin antworten. Kommunikationsexpertin und Mitgründerin des Restaurants Sabine "Nico" Henning macht in der Food-Szene auf das Thema Nachhaltigkeit aufmerksam, indem sie Food wieder erlebbar macht. Im Fokus steht hier vor allem eins: Der gemeinsame Austausch.
Wie die Kommunikationsexpertin Sabine "Nico" Henning zur Mitgründerin des Marktlokals wurde, hat mit der Corona-Pandemie zu tun. Sie und ihr Mann sind häufige Kunden an einem BIO Obst- und Gemüsestand in der Markthalle Neun in Berlin Kreuzberg. Von heute auf morgen gab es dort keine Selbstbedienung mehr, wodurch der Standleiter Unterstützung brauchte. An den Wochenenden halfen sie ihm. Da der Stand erst Dienstags wieder aufmacht, überlegten sie gemeinsam, was sie mit den Lebensmitteln machen sollten, die Sonntags übrig blieben. Im Sommer 2020 veranstalteten sie drei Pop-up Events, bei denen bis zu 60 Menschen in Restaurants aus der Nachbarschaft, die Sonntags geschlossen haben, bekocht wurden. Auf diese Aktion wurden die Betreiber der Markthalle Neun aufmerksam, die gerade neue Pächter für das Restaurant gesucht haben. "Sie haben uns gefragt, ob wir uns nicht bewerben wollen", sagt Henning: "Wir hatten den Wunsch, die Nähe zur Markthalle Neun zu nutzen, indem wir mit Produzent:innen, die dort verkaufen, zusammenarbeiten."
Zwischen Tradition und Innovation
Die Markthalle und das Restaurant gibt es bereits seit 1891. Hennings Vision war es, diesen traditionellen Ort neu zu beleben, die Tradition aber nicht verloren gehen zu lassen. Wie schafft man das? "Man braucht Aspekte, an denen man festhält und worin sich Leute über ihre Erinnerung und Erfahrung selbst wieder erkennen können", sagt Nico Henning: "Das, was neu interpretiert wird, sollte eher eine Weiterentwicklung sein." Also etwas, wo man eine Idee dafür bekommt, was sonst noch alles möglich ist und sich selbst einbringen kann. Das wird am Ambiente sichtbar, aber auch auf der Speisekarte. Heute ist das Marktlokal ein Ort, an dem gehobenere Küche leicht zugänglich ist und somit für eine breitere Masse erlebbar wird. Im Gegensatz zu vergleichbaren Restaurants, beschreibt Henning, sei die Atmosphäre in ihrem Lokal sehr familiär. Eben laut und wuselig. Aber genau das wünschen sie sich auch: Ein Ort, an dem Austausch stattfinden kann und sich ständig weiterentwickelt.
Wenn ich mit anderen zusammen esse, schmeckt alles einfach tausendmal besser.
Sabine "Nico" Henning, Mitgründerin MarktlokalTweet
Warum es bei Food immer auch um Umweltbildung geht
Das Gründer:innen-Team besteht aus fünf Leuten. Darunter auch Gemüsestand-Leiter Niklas Krasenbrink. "Weil wir alle ganz unterschiedliche Hintergründe haben, ist jeder ist in seinem Bereich ein totaler Experte", sagt Sabine "Nico" Henning. Zehn Jahre hat sie im Content- und Lifestyle-Marketing gearbeitet, zuletzt in ihrer eigenen Agentur. "Nach einigen Jahren habe ich immer mehr infrage gestellt, für wen und was ich Marketing mache und gemerkt, dass ich das nur noch für Dinge, Produkte und Menschen tun möchte, hinter denen ich ernsthaft stehe", erklärt Henning. Food ist ihre Passion. Sie hat es immer schon geliebt, Menschen zusammenzubringen und gemeinsam beim Essen eine schöne Zeit zu haben. "Wenn ich mit anderen zusammen esse, schmeckt alles einfach tausendmal besser", sagt sie. Es ist der Gemeinschaftsaspekt, der für sie als Kommunikationsleiterin des Marktlokals und der Markthalle Neun eine besondere Rolle spielt.
Die Rolle der Community
Bei der Markthalle geht es ihr ganz stark darum, nicht nur schöne Food-Bilder zu zeigen, sondern um Bildung und Ernährungspolitik. "Wir werden die Klimakrise nicht bewältigen können, wenn wir unsere Ernährungsgewohnheiten nicht umstellen", sagt Henning. Sie schafft einen Ort der Begegnung, wo Menschen zusammenkommen, gemeinsam kochen und sich austauschen. Über Veranstaltungen wie Kinderkochen, Senior:innenkochen und Nachbarschaftstreffen sollen Menschen einen bewussteren Umgang mit Lebensmitteln erlernen und wie man nachhaltig und gesund kocht. Die Markthalle bietet über den "Street Food Thursday" nicht nur internationale Küche für die, die kulinarisch etwas Neues entdecken wollen, sonder eine Plattform für Newcomer in der Gastronomie: "Da können sich Leute ausprobieren, die eine Idee oder Passion für ein bestimmtes Essen haben und das gerne anbieten wollen. Einige Stände, die sich über die Jahre auf dem Street Food Thursday etabliert haben, sind mittlerweile erfolgreiche Restaurants in Berlin."
Wir werden die Klimakrise nicht bewältigen können, wenn wir unsere Ernährungsgewohnheiten nicht umstellen.
Sabine "Nico" Henning, Mitgründerin MarktlokalTweet
Wie wir wieder ein Gefühl dafür bekommen, woher unser Essen kommt
Bei Nico Henning und ihrem Team wird nur mit Zutaten gekocht, die es gerade in der Region gibt. "Das heißt, man bekommt im Winter keine Tomaten bei uns im Marktlokal und außerhalb der Saison keine Erdbeeren im Dessert", sagt Henning: "Auch wenn es diese Lebensmittel das ganze Jahr über in Supermärkten gibt." Zum Ende des Winters freuen sich sich bereits, dass es bald Abwechslung vom Wurzelgemüse gibt. Aber sie nehmen die Herausforderung gerne an: "Man muss da wirklich kreativ sein, um auf Dauer lecker und spannend zu bleiben." Es kann auch passieren, dass sie bei den Erzeuger:innen und Produzent:innen Lebensmittel bestellen, die kurzfristig nicht geliefert werden können. Dann müssen sie spontan umplanen. "Wenn es letzte Woche gehagelt hat und der Kohl zerstört ist, erzählen wir unseren Gästen das auch", sagt Henning:
Ich finde es gut, dass unsere Gäste mitbekommen, dass dieses 'always available' der Obst- und Gemüsesorten nicht natürlich ist.
Sabine "Nico" Henning, Mitgründerin MarktlokalTweet
Damit machen sie auf die Hintergründe aufmerksam, die Produktions- und Lieferketten von Lebensmitteln sichtbar und regen darüber hinaus den Austausch zwischen ihren Gästen und den Produzent:innen nebenan in der Markthalle Neun an.
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