Jeder hat eine To-do-Liste. Oder zwei. Oder drei. Darauf steht mal Banales, mal Wichtiges. Das aber immer gemein im Nacken sitzt. Wie stellt man es an, dass man beim Abarbeiten nicht das Leben vergisst?
Mein schlechtes Gewissen ist blassgelb und klebt in meinem Notizbuch: ein Post-it. Auf dem all das aufgelistet ist, was ich letztes Jahr wieder nicht geschafft habe: Dachboden ausmisten. Fotos sortieren. Schreibtischstuhl kaufen. Bilder rahmen. Und. So. Weiter. Meine Mach-ich-irgendwann-Liste, die einfach nicht kleiner werden will. Zumal täglich ein neuer Konkurrent zu ihr ins Notizbuch zieht, der einen auf dicke Hose macht. Sich mit lautem „TO DO“ in den Vordergrund drängt, „Wichtig, wichtig!“ brüllt. Und mich beim Abhaken ständig ins Stolpern bringt.
Wir verlieren uns in einem Dickicht aus To-Dos
Vielleicht gehe ich das mit den To-do-Listen auch zu gestrig an. Womöglich brauche ich so eine App, mit der ich mein Leben via Fingertipp in den Abhak-Modus bringe. Die ständig aufpoppt und mitteilt, dass man immer noch nicht Tante XY angerufen oder die Hausratversicherung abgeschlossen hat. Pling. Druck erhöht. Vielleicht denke ich auch nicht groß genug: Schließlich gibt es doch ganze To-do-Bücher mit „1000 Places To See Before You Die“ oder „100 Dingen, die Frau einmal im Leben getan haben sollte“, die reißenden Absatz finden. Blogs quillen über vor „10 Dingen, die man während des Studiums erlebt/vor Feierabend erledigt/mal gegessen haben sollte“ und es existiert sogar ein To-do-list-Magazin, in dem die US-Amerikanerin Sasha Cagen Listen anderer wie Kunst druckt (todolistblog.blogspot.de). Scheint also, als verliere nicht nur ich mich im Dickicht der To-Dos. Dabei sollen die das Leben doch übersichtlicher machen.
Machen Listen mein Leben wirklich übersichtlicher?
„Tun sie auch“, sagt Dr. Martin Krengel, Psychologe und Zeitmanagement-Autor („Golden Rules: Erfolgreich Lernen und Arbeiten“, Eazybookz, 15,95 Euro). „Listen bringen Ordnung und Struktur in unsere Aufgaben, erhöhen die Wahrscheinlichkeit, dass wir die wirklich durchziehen, und machen den Kopf frei für das, was gerade ansteht.“ Bei Ordnungsfans sowieso, aber auch bei Chaoten, die sich ohne Liste schnell verzetteln. Die Wissenschaft hat Krengel auf seiner Seite: Maximal sieben Dinge können wir gedanklich festhalten. Lenkt uns etwas ab, eine E-Mail, die plötzlich aufpoppt, der Postbote, der klingelt, sind es schnell noch weniger. Wie gut, wenn wir sie dann auf einer To-do-Liste zwischengespeichert haben – und so den Zeigarnik-Effekt aushebeln. Der ist nach seiner Entdeckerin, der Psychologin Bljuma Zeigarnik, benannt und besagt, dass Unerledigtes im Kopf hängen bleibt. Und dann, wie Studien beweisen, daran hindert, sich neuen Aufgaben zu widmen. Wer seine Pläne dagegen auf einer To-do-Liste parkt, kann befreit das angehen, was am dringendsten ist.
Sind nur Business-To-Dos erlaubt? Oder auch Schönes?
Aber was ist das? Die private Rente, um für mein Alter vorzusorgen? Oder das Klopapier, das nur noch bis morgen reicht? Schreibe ich auch „Schwimmen“ auf die Liste oder sind nur Business-To-Dos erlaubt? Oder ist eine Liste eh zu wenig? „Fangen Sie mit einer Master-Liste an“, rät Martin Krengel. Darauf kommen ungefähr zehn Ziele, die man demnächst erreichen will, ob „drei neue Kunden akquirieren“ oder „Sommerurlaub buchen“. Privates gehört übrigens genauso darauf wie Berufliches: „Wir sind so gepolt, der Arbeit stets den Vorzug zu geben“, sagt Krengel. „Wer aber auch Freizeit-‚Aufgaben‘ auf seine To-do-Liste schreibt, nimmt diese prompt genauso wichtig – und wird auf Dauer glücklicher.“ Krengel selbst hat neben der Master-Liste noch eine für die Woche, die er freitags schreibt, um den Überblick zu haben. Und packt noch jeden Morgen seine „Tagesziele“ auf eine dritte To-do-Liste, von ihm „Fokus“-Liste genannt. Die er – sie liegt auf dem Schreibtisch – immer im Blick hat.
Demonstratives durchstreichen motiviert ungemein
Wie so eine Liste aussehen soll, ob möglichst kurz, thematisch sortiert oder bunt gemischt, mit Unterpunkten oder knapp gehalten, dazu gibt es viele Vorschläge. Zeitmanagement-Experten raten in der Regel zu Kategorien, wie dem ABC-Schema: A für Projekte, die einen voranbringen, B ist für kleinere Aufgaben, C für Organisatorisches.
„Entspannter leben“ klingt für mich anders. Aber da ist Martin Krengel ganz bei mir und meint: Solche Konzepte seien schön und gut, sie müssen aber auch für einen funktionieren. Tun sie das nicht, macht man es eben anders. „Daher bin ich Fan der Papierliste“, so Krengel. Die könne man immer anders gestalten, mal nach Wochentagen sortieren, mal schlicht halten oder bunt markiert, bis man die beste Lösung für sich gefunden hat. „So flexibel ist keine App auf dem Markt. Und: Man kann auf Papier demonstrativ durchstreichen, was erledigt ist. Das motiviert ungemein!“ Doch so ein „Stützrad fürs Gehirn“, wie Krengel die To-do-Liste nennt, kann auch stressen. Wenn zu viele Punkte drauf-stehen. Zu große Aufgaben. Wenn wir zu wenig Zeit dafür veranschlagen. Und keine Pausen. Denn: Die gehören mit auf die Liste. Krengel: „Gerade wer kreativ arbeitet, sollte Zeitpuffer einbauen, die für Spontanes frei bleiben.“ Die Zauberformel: 60 Prozent der Zeit als Plan, 40 Prozent Freestyle.
„Duschen“ gehört nicht auf eine To-do-Liste
Daneben gehöre zum guten Listen-Management, sich immer wieder von Punkten zu befreien. Indem man sie delegiert, ob das Projekt an den Kollegen, der dafür Experte ist, oder den Gang zum Supermarkt an den Gemüse-Lieferanten. Und indem man immer wieder überprüft: Was macht noch Sinn? Und was nur sinnlosen Stress? „Ich überlege schon beim Schreiben der Liste: Was kann ich davon wieder streichen?“, sagt Luise Kinseher. Die Kabarettistin hat die To-do-Liste, für sie „ein Symptom unserer Zeit“, zum Programm gemacht – ihrem Bühnenprogramm „Ruhe bewahren“. Weil sie als notorische Listenschreiberin weiß, wovon sie redet. Weil sie irgendwann so durchstrukturiert war, dass sie jede Stunde streng durchgetaktet hatte. „Das ging so weit, dass sogar ‚Duschen‘ auf meiner Liste stand“, sagt sie und lacht. Selbst ein Listen-Fan, schwant mir: Das kann nicht gut gehen. Ging es auch nicht. Irgendwann hatte Kinseher nicht einmal mehr Muße, eine Kaffeepause einzuschieben – die To-do-Liste im Hinterkopf drängelte. Bis der Körper ihr eine Auszeit verordnete und sie ihren Planungseifer überdachte. Heute macht sie darüber Witze, wie das Leben selbst die ausgefeilteste Liste durchkreuzt.
Bloß nicht von To-do-Listen im Kopf bedrängen lassen
„Ich bin gelassener, schreibe auch Dinge wie ‚Dasitzen und auf dem Fenster schauen‘ mit drauf oder verbiete mir schon mal ganz, einen Plan zu machen“, sagt Kinseher. „Diese Balance zwischen Struktur und Chaos finde ich viel gesünder – und erstrebenswerter.“
Apropos Chaos. Das erinnert mich an meinen Dachboden. Den habe ich kürzlich doch noch von Sperrmüll befreit. Und die To-do-Liste auf dem Post-it gleich mit ausgemistet. Seither steht ein neuer Punkt ganz oben: Locker machen. Sieht gut aus, dass ich das dieses Jahr hinkriege.
Unbedingt reinhören! Coach Petra Bock im Podcast "Kasia trifft…"
Die besten kostenlosen Apps
- Die Beliebteste: Any.Do
Aufgaben lassen sich zwischen Smartphone und Computer synchronisieren und mit Freunden, Familie oder Kollegen gemeinsam bearbeiten. Plus: Man kann an die To-Dos neben Notizen auch Dokumente hängen – und jederzeit wieder abrufen. (any.do)
- Die Stylische: Do It (Tomorrow)
Imitiert den Look eines klassischen Kalenders, in den die To-Dos „handschriftlich“ eingetragen werden – samt Kaffee-Ränder auf den virtuellen Seiten. Simpel, nach Tagen sortiert. (tomorrow.de)
- Die Lässige: Coolendar
Erspart das Suchen nach dem passenden Kalendertag: Einfach Aufgabe mit Tag und Uhrzeit (auf Englisch) eintippen (z. B. tomorrow 10am einkaufen) – die App sortiert sie in der Liste an die richtige Stelle – und signalisiert, sobald etwas anliegt. (crunchbase.com)
- Die Übersichtlichste: Todoist
Die App punktet mit der Funktion, einzelnen Beiträgen eine Priorität zuordnen zu können. So vergisst man nie, was wirklich wichtig ist. (todoist.de)