Mady Morrison aus Potsdam ist 28, Yogalehrerin und ein YouTube-Star. Ihr Ziel: Yoga für alle zugänglich zu machen, unabhängig von Alter, Geschlecht, Körperzustand. Fast 200.000 Leute hat sie schon erreicht. Wie hat sie das gemacht?
Mady Morisson – so lebt der Yoga-Superstar
Das Gartenhaus-Café in Berlin-Zehlendorf. Mady Morisson kommt strahlend durch den umrankten Torbogen über den Kiesweg auf mich zu. Ihr lockerer Dutt wippt ein bisschen schief auf ihrem Kopf. Sie umarmt mich zur Begrüßung, kaum sitzen wir, streift sie ihre Schlappen ab und verschränkt die Beine im Schneidersitz. Es ist sonnenklar für uns beide, dass wir uns duzen.
EMOTION: Mady, Yogalehrerinnen gibt es wie Sand am Meer. Aber deine Videos haben allein auf YouTube 194.500 Leute abonniert. Wie machst du das?
Mady Morrison: Ich zeige mich hundert Prozent ungefiltert. Ich gehe sehr aus mir heraus, lache und mache mal einen blöden Witz. Ich halte mich nicht zurück. Ich denke, das kommt rüber – in meinen Videos und bei Großveranstaltungen. Beim Yoga geht es nicht um mich als Person. Ich bin nur der Kanal, das Sprachrohr. Außerdem glaube ich, jüngere Menschen sehen mich eher als Freundin, als Schwester und weniger als Lehrerin.
Welche Bedürfnisse sprichst du an?
Ich glaube, das ist in erster Linie der Wunsch nach Entspannung. Alle sind immer im "Hustle-Modus", finden im Alltag selbst schlecht Entspannung. Ich helfe Leuten, zu sich zurückzukommen, zu dem, was sie wirklich sind. Ich vermittle, dass man sich nicht verändern muss, um angenommen zu werden.
Die Anfänge von Mady Morrison
Du tust das vor allem über Instagram und YouTube. Ist das nicht paradox?
Zu Beginn meiner Yoga-Ausbildung wurde ich gefragt, was ich damit erreichen möchte. Ich habe gesagt, ich möchte jungen Menschen Yoga auf eine moderne Art und Weise beibringen. Für mich war es da ganz natürlich, das auf meinem Instagram Kanal zu machen, den ich schon ewig hatte. Mit YouTube habe ich überhaupt erst angefangen, weil mich viele darum gebeten haben.
Ich liebe meine Freiheit. ich möchte immer ein selbstbestimmtes Leben führen.
Mady Morrison, Yogalehrerin und YouTuberinTweet
Dein erstes Video war eigentlich nur ein Experiment.
Ja, ich habe mich lange gesträubt. Die Gestalterin in mir hatte zu hohe Ansprüche an so ein Video. Aber dann haben mein Freund Danny und ich eine Location gesucht, gedreht und das Video einfach auf YouTube hochgeladen: "Yoga für Anfänger", in einer Tiefgarage. Das ist bis heute mein erfolgreichstes Video. Ich sehe aber das Problem, das mit den digitalen Medien entstanden ist: Ständig vergleicht man sich, ganz unbewusst. Mit meiner Arbeit will ich das klingt jetzt abgedroschen, Balance zwischen Körper und Geist fördern und so ein wenig zu mehr Selbstliebe verhelfen.
Fällt dir Selbstliebe leicht?
Ich habe eine sehr ruhige, geerdete Seite. Schon als Kind habe ich japanische Teezeremonien mit mir selbst abgehalten. Und Yoga mache ich, seit ich 13 bin. Aber ich war früher sehr viel strenger mit mir. Mit 18 habe ich angefangen zu modeln. Da habe ich oft gehört, dass ich zu dick sei und abnehmen soll. Mein Essverhalten war dadurch recht gestört. Ich habe mir viel verboten, die Freude am Essen verloren. Es war ein langer Prozess, das loszulassen und mir zu erlauben zu sein, wie ich bin.
Und wie bist du? Wie siehst du dich ?
Ich habe mich nie gern angepasst. Als Kind wollte ich keine Röcke tragen. Ich musste mir anhören, ich sei kein richtiges Mädchen und aus mir würde auch keins mehr werden. Dadurch habe ich eine Jetzt erst recht Haltung entwickelt. Schlagzeug ist ein Jungs Instrument? Ich habe damit angefangen. Mit 1,60 Meter kann man nicht modeln? Also habe ich es getan. Man hat mir auch gesagt, mit YouTube ließe sich kein Geld verdienen ... Kann man!
Mady Morrisons Mutter gab ihr die Freiheiten, die sie brauchte
Woher stammt dieses Urvertrauen?
Ich bin allein mit meiner Mutter groß geworden, weil meine Eltern sich getrennt haben, als ich neun war. Sie arbeitet beim Film, also war sie viel unterwegs, und ich war viel allein oder bei meiner Großmutter. Ich habe mich schon früh um Haus und Hund gekümmert und Verantwortung übernommen.
Das heißt, die beiden haben auch dein Frauenbild geprägt
Sehr. Oma hat auch dieses Grundvertrauen. Sie sagt immer: "Alles ist für irgendwas gut." Meine Mutter ist sehr selbstbewusst, sehr klar. Und auch sie hatte immer Vertrauen in mich. Als Teenie war ich ein richtiger Punk. Mit Irokesenschnitt, trinken, rauchen. Ich bin barfuß zur Schule gegangen, zur Jugendweihe habe ich Doc Martens und Netzstrumpfhose getragen. Allerdings hatte ich nie schlechte Noten. Meine Mama hat mir nie gesagt, dass ich so nicht sein darf. Sie hat mir nie etwas verboten. Ich rechne ihr das hoch an, dass sie mir den Raum gegeben hat, mich frei zu entfalten. Und in mir drin ist der kleine Punk eben immer noch da.
Aber deine Posts sind unpolitisch.
Mir ist wichtig, im Netz neutral zu bleiben. Ich sehe das auch nicht als meine Aufgabe. Meine Mission ist es, Yoga zu vermitteln. Ich will Vorurteile auflösen, Yoga für alle zugänglicher machen, unabhängig von Alter, Körper und Geschlecht. Frei von Konventionen. So viele auch Yogalehrer vergessen, wer alles keine Möglichkeit bekommt, Yoga zu praktizieren.
Yoga für alle
An wen denkst du ?
Menschen, die Probleme mit ihrem Körper haben, sich zu dick oder zu dünn fühlen: Sie trauen sich nicht in die Gruppe. Menschen mit Behinderungen. Eine sehbehinderte Frau hat mir geschrieben: "Mady, bei dir kann ich mitmachen, weil du alles so klar aufbaust und so gut erklärst." Das ist eines der schönsten Komplimente, das man als Yogalehrerin bekommen kann! Dann Leute, denen die finanziellen Mittel fehlen, Leute, die kein Studio in der Nähe haben. Manchmal werfen mir andere Lehrer vor, ich würde den Markt kaputt machen. Ich sehe das anders: Ich mache Yoga populärer. Für alle.
Werbung? Ich bin keine Litfaßsäule – Ich trage Verantwortung für meine Community.
Mady Morrison, Yogalehrerin und YouTuberinTweet
Ist das einsam, so allein vor und hinter der Kamera?
Ja. Ich denke, das wird unterschätzt. Die letzten zwei Jahre waren da wirklich hart. Ich war fast nur allein zu Hause. Man vereinsamt auf jeden Fall. Ich weiß noch, als ich meinen 100 000-Abonnenten-Award von YouTube bekommen habe. Niemand war da, um sich mit mir zu freuen. Da denkt man dann: "Joah. Und jetzt?"
Hast du daraufhin etwas verändert?
Ich habe mich gezwungen, meine Prioritäten zu überdenken. Ich hatte mich und meine sozialen Kontakte über die Arbeit stark vernachlässigt. Jetzt stehen Sport, Freundinnen und mein Körper wieder an erster Stelle. Ich stecke ein bisschen weniger Zeit ins Business. Viele behaupten, dass man alle Lebensbereiche gleichzeitig auf einem hohen Level halten kann, aber ich glaube nicht daran. Irgendwann muss man mit sich selbst Rücksprache halten. Für mich bedeutet das auch: wieder mehr Offline-Events machen, um den Menschen näher zu sein.
Wie fühlt es sich an, wenn du, etwa beim Wanderlust Festival 2.000 Leute anleitest? Entsteht da überhaupt eine Verbindung?
Ja, das ist total krass. Ich habe immer Lampenfieber. Damit ich geerdet und angstfrei auf die Bühne gehe, gönne ich mir Atemzüge, meditiere, visualisiere meinen Auftritt. Und wenn ich dann sage: "Einatmen, die Arme heben. Ausatmen, Hände vors Herz"und alle machen mit Gänsehaut!
Was unterscheidet dich von anderen Influencern?
Ich mag es nicht, den Finger hochzuhalten. Ich sage anderen Leuten nicht, was zu tun ist. Ich teile meinen Weg und überlasse den Leuten ihre eigenen Entscheidungen, auch in der Yogapraxis. Ich bin keine Litfaßsäule, ich gebe mich nicht für alles her. Ich denke, hier wird Influencer Marketing auch gern missverstanden. Man kann mich nicht buchen, damit ich Produkte in die Kamera halte. Ich trage meiner Community gegenüber eine große Verantwortung. Das sind Menschen mit einer Geschichte. Darum lehne ich 98 Prozent der Angebote ab und hoffe, dass ich bald mit eigenen Produkten arbeiten kann, damit ich völlig unabhängig werde. Ich will Leichtigkeit und Spaß vermitteln, nicht Geld scheffeln. Und ich will Leute um mich haben, die zu mir passen. Wenn ich vorgebe, etwas zu sein, das ich nicht bin, dann klappt das nicht.
Die kleinen Sorgen im Leben
Was überfordert dich?
Zahlen. Mathe, Chemie, Physik fielen mir immer schwer. Heute sind es Buchhaltung, Steuern, die Gründung eines Unternehmens. Damit gehe ich eher lax um. Danny ist jetzt mit eingestiegen. Er bringt da Ordnung und Energie rein.
Wo gibt es Chaos in deinem Leben?
In unserer Wohnung! Die ist viel zu klein. Überall liegen kleine "MadyHäufchen", wie meine Mutter sie nennt. Und auf meinen Speicherkarten wir drehen so viel Material.
Danny und du, ihr seid seit zehn Jahren ein Paar. Jetzt ist er ins Unternehmen eingestiegen. Hast du keine Sorge, dass das zu viel wird? Arbeit, gemeinsame Wohnung, Liebe?
Solche Gedanken kommen natürlich. Es ist auch nicht immer leicht, alles unter einen Hut zu bekommen. Aber wir organisieren uns gut. Und unsere offene Kommunikation hilft uns dabei.
Streitet ihr auch mal?
Kaum. Ich bin dabei aber auch total gemein, ich muss immer lachen, wenn er Streit sucht. Ich mache Witze oder binde Notizen an Lehas Halsband und schicke sie zu ihm. Das nimmt ihm den Wind aus den Segeln und bringt Leichtigkeit und Humor zurück.