Sie war eine erfolgreiche Managerin, dann zerbrach ihre Ehe. Nun ist Juliane, 42, alleinerziehend und ihr Alltag eine einzige Herausforderung. Ihre wütende und verzweifelte Frage lautet: Warum nimmt der Staat nicht die Väter in die Pflicht?
Manchmal frage ich mich, was passieren würde, wenn ich einfach aufgebe. Wenn ich meine Tochter meinem Ex-Mann vor die Tür setzte und sagte: "Jetzt bist du dran! Ich gehe Karriere machen, sieh zu, wie du den Alltag mit unserem Kind hinbekommst." Wie die Gerichte wohl reagieren würden? Aber alle wissen, eine Mutter macht so etwas nicht. Ich würde das auch nicht wollen. Ich liebe meine neunjährige Tochter. Aber das Muttersein hatte ich mir anders vorgestellt. Ich dachte, ich würde Zeit haben für mein Kind, mit ihm basteln und Plätzchen backen. Einfach Raum für Lebensfreude haben. Dann wurde ich alleinerziehend und alles kam anders. Es ist jetzt acht Jahre her, dass mein Mann und ich uns getrennt haben, Sophie war da gerade ein Jahr alt. Die Abwärtsspirale, die mein Leben seitdem genommen hat, hätte ich nie für möglich gehalten.
Vor der Schwangerschaft war ich Managerin bei einem internationalen Transportunternehmen, verdiente 4.500 Euro brutto. Ich hatte einen Dienstwagen, Sonderzahlungen, sogar eine Sekretärin. Heute arbeite ich selbst als Sekretärin, in Teilzeit und für 1.500 Euro brutto. Ich koche Kaffee für meinen Chef und fühle mich entwürdigt. Die Arbeit liegt völlig unter meiner Qualifikation als studierte Betriebswirtin, das nagt am Selbstwertgefühl. Ich frage mich oft, wie es so weit kommen konnte. Ich habe mir nichts zuschulden kommen lassen. Außer, dass ich ein Kind bekommen habe und meine Ehe nicht gehalten hat.
Kurz vorm Ende der Elternzeit hatte ich einen Bandscheibenvorfall. Ich brauchte eine Reha, konnte Sophie nicht allein versorgen. Es gab viel Streit mit meinem Mann. Ich wollte, dass er sich mehr kümmert, er sagte, er müsse arbeiten. Ich war so enttäuscht, schließlich hatten wir uns doch gemeinsam für ein Kind entschieden. Freunde, die helfen konnten, hatten wir nicht, wir waren erst kurz zuvor nach München gezogen – seines Jobs wegen. Ich sah keinen Ausweg, als vorübergehend zurück nach Leipzig zu gehen, zu meinen Eltern. Nur so konnte mir jemand bei der Betreuung helfen. Mein Mann besuchte uns, aber dennoch zerbrach an alledem unsere Ehe. Ich blieb mit Sophie in Leipzig.
Das war eine schwere Entscheidung, ich hätte mir gewünscht, dass wir es anders hinbekommen. Doch ich hielt es damals wirklich für die beste Lösung, ich wusste einfach nicht, was ich sonst hätte tun können. Mir war damals klar, dass ich den Wiedereinstieg ins Berufsleben ohne die Hilfe meiner Eltern nicht schaffen würde. Mein Ex-Mann arbeitete bis 19.30 Uhr und wollte das nicht einschränken. Unter der Woche hätte er mir nichts abgenommen, einen Vollzeit-Kitaplatz haben wir in München nicht gefunden. Und ich wollte Sophie auch nicht nur von Fremden betreuen lassen.
Sein Leben ging weiter wie bisher, meins nicht. Ich arbeitete in Leipzig zunächst im Immobilienbereich. Allerdings nicht mehr im Management, eine verantwortungsvolle Position kann man vergessen, wenn man keine Überstunden oder Dienstreisen machen kann. Alleinerziehend zu sein, ist wie eine Behinderung: Man wird behandelt, als sei man weniger wert, weil man dem Arbeitsmarkt nicht mehr uneingeschränkt zur Verfügung steht. Mein Ex-Mann wollte Sophie alle 14 Tage für ein Wochenende betreuen, von Freitagnachmittag bis Sonntagabend, so war es verabredet. Doch er kam freitags nie vor Mitternacht nach Leipzig, konnte Sophie also erst am Samstag nehmen. Sonntags fuhr er oft früher. Dass ich einspringen würde, war für ihn selbstverständlich. Das Gleiche galt für die Ferien, die ich nie planen konnte. Er hielt sich nicht an Absprachen und forderte Sophie nur ein, wenn es ihm passte. Das hat mich fast wahnsinnig gemacht, ich habe mich so ausgeliefert gefühlt.
Ich verstehe nicht, wieso sich ein Vater die Gummibärchenzeiten herauspicken darf, als sei es ein Wunschkonzert. Ich muss ihm das Umgangsrecht einräumen – und möchte das auch. Unfair finde ich aber, dass er umgekehrt nicht betreuen muss, wenn er nicht will. Selbst dann nicht, wenn ich wegen Krankheit seine Unterstützung dringend bräuchte. Wir haben zwar das geteilte Sorgerecht, aber offenbar keine geteilte Sorgepflicht. Eine Betreuungspflicht des Vaters fehlt in unserem Rechtssystem. Ich glaube, davon bin ich noch enttäuschter als von meinem Ex-Mann. Eine Trennung kann passieren, das Emotionale ist unberechenbar. Und dass mein Ex so ein veraltetes Rollenbild hat, ist das eine. Aber dass unser Familienrecht das unterstützt, hätte ich nicht gedacht. Ich habe mich selten so diskriminiert und ohnmächtig gefühlt. Den Männern bleibt ihre Freiheit erhalten, während davon ausgegangen wird, dass wir Frauen die Kinderbetreuung schon erledigen.
Vor ein paar Jahren rutschte ich ins Burn-out. Ich arbeitete wie eine Maschine, stemmte eine 38-Stunden-Woche, erledigte Einkauf, Wäsche, Haushalt, Kind. Ich habe nur noch gedienstleistet – als Versorger für mein Kind und Angestellte für den Arbeitgeber. Mit meiner Belastbarkeit von einst ist es seither vorbei. Mein Job in der Immobilienbranche wurde mir gekündigt, angeblich betriebsbedingt, deshalb habe ich als Sekretärin angefangen. Obwohl ich das Glück habe, dass mein Ex-Mann mittlerweile auch mir freiwillig Unterhalt zahlt, mag ich mich nicht darauf verlassen. Wer weiß, was passiert, wenn er eine neue Frau oder Familie hat? Ich bin von seinem Wohlwollen abhängig. An eine Karriere glaube ich nicht mehr. Aber ich würde so gerne wieder besser verdienen. Und ich kann mir sogar vorstellen, nach München zurückziehen. Aber dafür müsste ich sicher sein, dass mein Ex-Mann mir öfter den Rücken frei hält. Ich wünsche mir, dass das für ihn irgendwann selbstverständlich ist. Aber im Moment sehe ich nicht, dass ein Umzug meine Situation verändern würde. Sein Rollenverständnis ist immer noch dasselbe – und das Gesetz gibt ihm Recht.
"Recht für Väter, Pech für Mütter"
Kann man Männer nicht dazu verpflichten, sich mehr um ihre Kinder zu kümmern? Eine Anwältin erklärt, was rechtlich möglich ist und warum man viel früher ansetzen müsste – vor der Trennung
Alleinerziehende Mütter fühlen sich von der Rechtsprechung benachteiligt. Sie beklagen, dass sich Kindsväter aus der Betreuungsverantwortung ziehen können. Ist das ein berechtigter Vorwurf?
Ein sehr berechtigter. Väter, die sich um ihre Kinder bemühen, sind zwar medial präsent, aber leider die Ausnahme. In der Regel bleibt die Betreuungslast an den Müttern hängen, während die Väter sich auf die Ausübung des sogenannten Umgangsrechts beschränken. Das heißt meistens, dass sie ihr Kind am Wochenende und in den Ferien sehen. Für Entlastung der Mütter im Alltag sorgt das kaum.
Was kann eine Frau tun, wenn der Ex-Partner sich weigert, mehr Betreuungszeit zu übernehmen?
Das zu ändern, ist außerordentlich schwierig. Es hat sich mal jemand bis hinauf zum Bundesverfassungsgericht geklagt. Es ging darum, dass man nicht nur das Recht auf Umgang erkämpfen, sondern umgekehrt auch die Pflicht dazu gerichtlich angeordnet werden können sollte. Das hat das Bundesverfassungsgericht mit Blick aufs Kindeswohl abgelehnt. Weil es für das Kind nicht zumutbar wäre, wenn der Vater sich nur unter Strafandrohung um es kümmert.
Einen unwilligen Vater kann niemand zwingen?
Es gibt einige Anwältinnen, die versucht haben, Bußgelder verhängen zu lassen. Ohne Erfolg. In manchen Beschlüssen wird zwar formuliert, dass der Vater auch die Pflicht auf Umgang mit dem Kind hat. Doch ich habe noch keinen Fall erlebt, in dem das unter Strafandrohung durchgesetzt wurde. Es gibt Recht für Väter, Pech für Mütter.
Eine Alleinerziehende schrieb in einem Leserbrief, es werde eine ganze Generation fähiger Frauen verschlissen, die zwar gerne "Working Women" wären, es aber nicht sein können. Wäre es nicht die Aufgabe des Familienrechts, Frauen den Rücken zu stärken?
Das sollte man meinen. Im Grundgesetz steht in Artikel 3, dass Männer und Frauen gleichberechtigt sind. Der Gesetzgeber müsste für die Umsetzung sorgen, also das Familienrecht mütterfreundlicher gestalten. Stattdessen geschieht das Gegenteil. Geschiedenen Müttern wurde der Unterhaltsanspruch für ihre Betreuungsleistung entzogen – ohne dafür die Väter mehr in die Verantwortung zu nehmen.
Ist es denkbar, so eine Verpflichtung gesetzlich zu verankern?
Sicherlich. Man muss es nur wollen. Man könnte zum Beispiel einen gesetzlichen Regelfall konstruieren, vielleicht mit dem gleichberechtigten Wechselmodell als Norm. Der BGH hat sich ja aktuell für das Wechselmodell ausgesprochen und entschieden, dass es in Einzelfällen sogar gegen den Willen eines Elternteils angeordnet werden darf.
Aber das gilt nur, wenn ein Elternteil mehr Zeit mit dem Kind einklagt. Oder auch, wenn der Ex-Partner zu mehr Beteiligung verpflichtet werden soll? Nein, Letzteres ist nicht möglich. Das würde wieder gegen das Kindeswohl verstoßen.
Wenn die Mutter ins Burn-out rutscht, weil sie die Belastung alleine trägt und finanzielle Sorgen wälzt, ist das aber auch nicht zum Wohle des Kindes. Wie lässt sich dieses Dilemma lösen?
Zurzeit gar nicht.
Das klingt deprimierend. Welche Möglichkeiten sehen Sie, um die Situation zu verändern?
Man müsste viel früher dafür sorgen, dass beide Eltern gleichberechtigt in die Kinderbetreuung hineinwachsen. Schon ab der Elternzeit. Skandinavische Staaten machen das. Denkbar ist, dass alle mit dem Kind verbundenen Vergünstigungen und Zuschüsse nur gewährt werden, wenn die Eltern sich gleichwertig beteiligen. Die Hälfte der zusätzlichen Krankheitstage bekäme also die Mutter, die andere müsste der Vater nehmen. So wäre die Teilhabe der Väter staatlich reguliert. Aber wir sind weit davon entfernt, dass sich etwas tut.
Woran liegt das?
Mütter haben keine Lobby. Sie sind zu sehr mit dem Überleben beschäftigt. Da bleibt keine Zeit für eine Müttergewerkschaft. In Parteien und Landtagen sind Frauen noch die Minderheit. Mütterrechte sind ein großes Tabu.
Glauben Sie, dass sich das in absehbarer Zukunft ändert?
Es müsste eine politische Mütterbewegung geben, ähnlich der Frauenbewegung. Aber das sehe ich nicht kommen, die Männerlobby ist einfach zu stark. Die Situation für Alleinerziehende ist außerordentlich unbefriedigend – und leider gibt es keinerlei Ansätze zur Stärkung ihrer Rechte. Das lässt sich nicht schönreden.
Jutta Wagner ist Fachanwältin für Familienrecht in Berlin. Sie engagiert sich für die Gleichstellung der Frau in Beruf und Gesellschaft. Dafür wurde ihr 2013 das Verdienstkreuz am Bande verliehen.