Dass der Sex nach mehreren Jahren Beziehung nicht mehr ist wie am Anfang – völlig normal. Aber wie spricht man als Paar darüber, wenn man sich doch mehr wünscht? Sexualtherapeutin Julia Henchen hat Antworten.
Sex darf kein Tabu sein – schon gar nicht in der eigenen Partnerschaft
Vielen Menschen ist das eigene Sexleben wichtig – 41 Prozent sogar so sehr, dass dauerhaft unbefriedigender Sex ein Trennungsgrund für sie wäre. Das fand der Amorelie-Sexreport, eine repräsentative Online-Umfrage, 2022 heraus. Umso wichtiger also, dass Sex kein Tabuthema ist – schon gar nicht in der eigenen Beziehung. Dass es Phasen in Beziehungen gebe, in denen eine:r oder auch beide keine Lust auf Sex haben, sei erstmal ganz normal, erklärt Sexualtherapeutin Julia Henchen. "Trotzdem dürfen wir etwas dagegen tun, wenn wir das möchten", sagt sie. Aber wie spricht man mit seinem Partner oder seiner Partnerin darüber, dass man sich etwas anderes als den Status Quo wünscht, ohne verletzend zu sein? "Eine Möglichkeit wäre, zu sagen: 'Ich weiß, dass es ganz normal ist, aber ich vermisse etwas in unserem Sexleben. Wie geht es dir damit?' ", sagt sie.
Julia Henchen ist selbstständige systemische Paar- und Sexualtherapeutin. Sie hilft Menschen und Paaren, die eigene Sexualität besser zu verstehen und sieht sich selbst als eine Art Dolmetscherin für Emotionen. Sie hat es sich zur Aufgabe gemacht, über Lust und Sexualität aufzuklären und Mythen und Tabus aufzubrechen. Julia Henchen ist Autorin mehrerer Sexratgeber, ihr neuestes Buch "Lustfaktor: Wie du Solosex so richtig genießen kannst" erschien im Mai.
Mehr Informationen zu Julia, ihrer Arbeit und verfügbaren Terminen in ihrer Praxis findest du hier.
Erarbeitet euch einen angenehmen kommunikativen Stil, Vorwürfe bringen euch nicht weiter
Julia Henchen, Paar- und Sexualtherapeutin und AutorinTweet
Empathie statt Vorwürfe im Gespräch
Besonders bei einem sensiblen Thema wie diesem ist offene, aber respektvolle Kommunikation wichtig. "Erarbeitet euch einen kommunikativen Stil, der für euch beide angenehm ist, zum Beispiel, indem ihr einander Fragen stellt, was genau ihr wollt und was nicht. Vorwürfe bringen Paare in dieser Situation nicht weiter. Erzählt einander stattdessen von euren Wünschen und fragt, ob der oder die andere das auch so sieht", rät Julia Henchen. Und manchmal muss man auch so ehrlich sein und sich eingestehen, dass man seinen Partner bzw seine Partnerin doch nicht so gut kennt wie gedacht: Nur weil man schon jahrelang zusammen ist und einander gut kennt, heißt das nicht automatisch, dass man immer die aktuellen Wünsche des anderen kennt. "Deshalb ist es wichtig, dass Paare es in ihrem Alltag einrichten, die Bedürfnisse des anderen auch tatsächlich zu erfragen", sagt die Therapeutin. "Viele Paare müssen die Kommunikation in ihrer Beziehung noch üben."
Was, wenn die Libido auch nach Gesprächen und Ausprobieren nicht wieder kommt?
Dauert die sexuelle Unlust oder Unzufriedenheit länger an und lässt sich durch offene Gespräche über Fantasien oder das Ausprobieren neuer Sex-Techniken nicht lösen, solltet ihr als Paar versuchen, der Ursache auf den Grund zu gehen. Krisen in der Partnerschaft, berufliche oder private Herausforderungen oder Veränderungen wie ein Jobwechsel, eine Geburt, ein Umzug, Arbeitslosigkeit oder das Beenden eines Studiums oder einer Ausbildung können mögliche Gründe für Verlust der Libido sein, erklärt Julia Henchen. Auch das ist völlig normal. Offen darüber zu reden, hilft – denn so bezieht der andere die Lustlosigkeit nicht automatisch auf sich und kann helfen, das Problem gemeinsam in Angriff zu nehmen.
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Sexuell unzufrieden – Wie beginnt man das Gespräch mit dem Partner oder der Partnerin? 5 konkrete Tipps von der Sexualtherapeutin
- Sei offen und ehrlich, aber nicht verletzend – bleibe respektvoll
- Stelle deinem Partner bzw deiner Partnerin Fragen und formuliere eigene Wünsche – Vorwürfe bringen euch nicht weiter
- Gehe nicht davon aus, dass du die Fantasien und Wünsche deines Partners bzw deiner Partnerin kennst, sondern erfrage sie von Zeit zu Zeit neu
- Wenn sexuelle Unlust länger anhält: Fragt euch gemeinsam, was die Gründe dafür sein könnten (Streit in der Beziehung, kürzliche Veränderungen in eurem Leben?) und sprecht offen darüber, wie euch diese Umstände beeinflussen
- Wenn ihr alleine nicht mehr vorankommt: Es ist keine Schande, sich Hilfe zu holen – ganz im Gegenteil. Ein:e Sextherapeut:in kann zwischen euch vermitteln und dabei helfen, herauszufinden, was ihr wirklich wollt
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