Mit nur 25 Jahren gründete Malaika Raiss ihr gleichnamiges Label und ist seitdem auf Erfolgskurs. Wir sprachen mit der deutschen Designerin über Skateboardfahren, wie sich die Fashion-Branche verändert hat und warum sie oft für eine Finnin gehalten wird.
Emotion: Dein Label gibt es nun schon seit elf Jahren. Wie hat sich die Modeszene in dieser Zeit verändert?
Malaika Raiss: Die Branche ist entschleunigter und das Thema Nachhaltigkeit ist endlich salonfähig geworden – da hat sich einiges bewegt. Aber es kommen auch mehr Brands auf den Markt und verschwinden genauso schnell wieder.
Deutschland ist kein Modeland. Wie schafft man es, als junge Designerin Fuß zu fassen?
Indem man Sachen anders macht als andere, einen langen Atem hat und versucht, auch mit ungewöhnlichen Sachen auf sich aufmerksam zu machen, um im Gespräch zu bleiben. Am Ende muss das Produkt das halten, was es verspricht – und das tut Malaikaraiss. Wir haben einen Nerv getroffen bei der Kundin, die sich einerseits modisch kleiden will, aber trotzdem Sachen tragen möchte, die sie noch in zehn Jahren gern in ihrem Kleiderschrank sieht.
Wie hast du als Designerin die Pandemie erlebt? Ist das Schlimmste überstanden?
Das ist schwierig einzuschätzen. Ich versuche immer, positiv zu denken. Der Beginn war für uns ganz furchtbar, weil man nicht einschätzen konnte, was als nächstes passiert. Unsere Umsätze sind komplett eingebrochen, mit Japan haben wir einen wichtigen Markt verloren. Das Positive war, dass wir endlich Zeit hatten, Dinge anders zu machen. Wir haben Nachhaltigkeit bei uns intern mehr gepusht und sind mit Skandinavien einen neuen Markt angegangen. Für mich ist heute wichtiger denn je, auf die Endkundin zu hören, nicht die Einkäufer:innen bestimmen.
Bist du ein Sicherheitsmensch?
Nein, das nicht! (lacht) Dann würde ich meinen Job nicht schon elf Jahre machen. Eigentlich ist mein Motto „No risk no fun“. Planen ist auf jeden Fall wichtig, genauso wie eine Vision haben und versuchen, da dran zu bleiben.
Deine Anzüge sind Bestseller – ist das nach wie vor so? Hat du während der Pandemie einen Shift zu Homewear erlebt?
Dazu hatten unsere Kundinnen auch während der Pandemie Lust, unsere Anzüge waren weiterhin Bestseller – neben unseren Schmuck-Styles. Zu Beginn der Pandemie haben sich Leute vor allem mit Schmuck belohnt, weil es eine sichere Nummer war.
Du warst erst bei der Copenhagen Fashion Week – wie hat sich das angefühlt, deine Kollektion wieder live zu zeigen? Kann Mode überhaupt digital erlebbar werden?
Beides ist möglich, aber nur zeitlich begrenzt. Es war total wichtig, dass wir das gemacht haben. Die Kollektion wäre digital nie so rübergekommen wie in der Location. Und vor allem der Austausch mit den Menschen ist ein anderer. Digital kannst du alles perfekt inszenieren, aber dir fehlt das direkte Feedback des Publikums. Das war total toll, dass wieder erleben zu können.
Malaikaraiss steht dafür, dass wir echte Frauen zeigen und das unterstreichen, was eine Frau schon ist.
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Erst vor kurzem hast du dich mit der Naturkosmetik-Brand Dr. Hauschka zusammengetan. Wie kam’s dazu?
Die Pandemie bringt auch Unternehmen zusammen. Wir haben nach einem Partner gesucht, mit dem wir kreativ sein können. Dr. Hauschka hat die gleichen Werte wie wir und ist ein Stiftungsunternehmen, dadurch haben sie den Freiraum, Dinge anders zu machen. Es ging total schnell und gab so viele Ideen, dass wir gleich losgelegt haben. Was die Produkte angeht, passt das einfach perfekt. Malaikaraiss steht dafür, dass wir echte Frauen zeigen und das unterstreichen, was eine Frau schon ist – genau so ist auch das Mindset von Dr. Hauschka. Das konnten wir in Kopenhagen mit unserem Showlook gleich zeigen.
Seit letztem Jahr bist du Creative Director beim Wolllabel Lana Grossa. Wie sehen da deine Aufgaben aus?
Ich bin für alle modischen Themen verantwortlich und begleite alle 14 Publikationen und dazugehörige Kollektionen. Strick hat durch die Pandemie ja auch einen Riesen-Hype erlebt. Ich bin total happy, dass ich wieder das machen darf, wo ich herkomme – ich habe ja als Strickdesignerin angefangen und freue mich total, mit Strick zu arbeiten und wieder selbst zu stricken. Ich find's auch total toll, wenn Leute so Strick-Nerds sind.
Du machst regelmäßig Urlaub in Finnland und wirst oft fälschlicherweise für eine Finnin gehalten. Was sind dort deine Lieblingsorte und warum fühlst du dich im Norden so wohl?
Ich fahre schon jeden Sommer nach Finnland, seitdem ich geboren bin. Am liebsten bin ich in Mittelfinnland unterwegs, das nennt man auch das Tausendseengebiet. Das ist eigentlich das pure Nichts und man lebt in Einheit mit der Natur, das finde ich total toll. Für mich ist das der perfekte Kontrast zu Berlin, wo es immer sehr hektisch und laut ist. Dort kann ich einfach denken und arbeite meistens auch an der neuen Kollektion. Wenn ich Zeit habe, bleibe ich immer noch ein paar Tage in Helsinki und schaue mir Architektur von Alvar Aalto an, davon bin ich ein Riesenfan und sammle leidenschaftlich alles, was mit ihm zu tun hat.
Hast du ein absolutes Lieblingsstück von ihm?
Die Ittala-Vase – sie hat die Form eines Sees, die habe ich in diversen Ausführungen und Farben.
Wie wohnt Malaika?
Ich wohne skandinavisch-bunt. Alles ist sehr hell, ich wohne in einem Altbau und zwischendrin sind immer wieder bunte Akzente, ein bisschen wie in meinen Kollektionen. Ich habe auch viel Kunst und Fotografien, an meinen Wänden hängen einige von den „Little Ladies“ von Anna Zimmermann.
Wo findet man dich sonst in Berlin am häufigsten?
Ganz unterschiedlich. Ich mag Museen und Galerien – die wiedereröffnete Nationalgalerie finde ich großartig. Essen gehe ich am liebsten bei Rocket + Basil. Samstagfrüh bin ich auch mal gern im KaDeWe – ich starte mit der Feinschmecker-Abteilung und dann kommt der Rest.
Bist du auch ein Foodie? Gehst du lieber essen oder kochst du selbst?
Sowohl als auch, kommt darauf an, wie viel Zeit ich habe. Je stressiger es ist, desto mehr gehe ich essen und desto ungesünder ernähre ich mich leider auch.
Liest du gern und welche Bücher dann am liebsten?
Ich lese am liebsten Sachbücher und Biografien, die irgendwas mit meiner Arbeit zu tun haben. Ich mag lieber reale Geschichten und bin nicht so der Fiktions-Mensch, da gucke ich lieber Filme. Ich bin wirklich ein sehr starker Nerd in dem, was ich mache. Durch und durch. Neben mir liegt auch gerade das große Strickmusterbuch.
Kannst du dich auch komplett frei machen von deiner Arbeit?
Das fällt mir nicht leicht. Meine Urlaube in Finnland tun unglaublich gut – und Zeit mit der Familie zu verbringen. Oder am Wochenende rausgehen und Skateboard zu fahren.
Du fährst Skateboard?
Ich versuche es wieder zu erlernen, als Kind bin ich oft gefahren. Mein Freund hat mir zum Geburtstag ein Skateboard geschenkt. Noch stelle ich mich relativ dilettantisch an.
Was wünscht du dir für die Zukunft?
Ich möchte meine Marke weiter etablieren und wünsche mir, dass – wenn ich mal 50 oder 60 bin – die Leute wissen, wer ich bin, so wie eine Jil Sander. Ich bin nicht der Mensch, der im Vordergrund stehen will, aber ich will, dass die Marke Malaikaraiss nachhaltig ein Begriff in der deutschen Mode ist und auch im Ausland für deutsche Mode steht.
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