Barbara Lutz, Gründerin und Geschäftsführende Gesellschafterin des Frauen-Karriere-Index, im Interview über weibliche Karrieren, die Rolle der Frau in der Digitalisierung und den Effekt von Frauenquoten
Seit 2012 untersucht der Frauen-Karriere-Index (FKi) den Ist-Zustand der Frauenförderung in Unternehmen und entwickelt mit den Firmen Strategien, die Aufstiegs- und Karrierechancen von Frauen nachhaltig verbessern sollen.
EMOTION: Frau Lutz, auch dieses Jahr wurden am Weltfrauentag am 8. März die zehn Unternehmen mit den besten Ergebnissen beim FKi ausgezeichnet. Platz 1 teilen sich Hewlett Packard Enterprise und Accenture. Was haben diese beiden in Sachen Frauenförderung besonders gut gemacht?
Barbara Lutz: Diese Unternehmen arbeiten seit vielen Jahren sehr konsequent an dem Thema Diversity und Frauenkarrieren. Es ist eindeutig im Top Management angesiedelt. Und es wird als strategisch relevantes Thema verstanden, was langfristig zum Erfolg des Unternehmens beitragen wird. Diese unternehmerische Sichtweise fördert extrem die Fokussierung und glaubwürdige Umsetzung ihrer Strategien.
Nach Erhebung der Index-Daten mittels Fragebogen setzen Sie gemeinsam mit den Firmen geeignete Maßnahmen zur Frauenförderung um. Wie gelingt das konkret?
Barbara Lutz: Zum einen führen wir mit den Mitarbeitern Tiefeninterviews durch um noch besser zu verstehen, wo die so genannten unausgesprochenen Wahrheiten liegen, also das, worüber Mitarbeiter auf den ersten Blick nicht sprechen. Das lässt sich aber in langen Gesprächen darstellen und so kann man sehr gut verstehen, wo besonders bei den Männern des Mittelmanagements noch Handlungsbedarf besteht.
Eine weitere konkrete Maßnahmen ist es, den Besetzungsprozess transparent zu machen, um zu vermeiden, dass Einstellungen, aber auch Beförderungen schon im Voraus vereinbart sind. Wir helfen den Prozess so zu gestalten, dass die Information über freie Stellen auch für Frauen zugänglich werden und nicht nur für diejenigen Männer, die zum 'Inner Circle' gehören.
Barbara Lutz hat nach Stationen im Management für Unternehmen wie die französische Publicis Group, die amerikanische Ogilvy Group und die Commerzbank den Frauen-Karriere-Index gegründet. Mit ihrer langjährigen Erfahrung im internationalen Spitzenmanagement möchte sie deutsche Unternehmen im Bereich Frauen und Karriere im weltweiten Vergleich weiter nach vorne bringen.
Prüfen Sie auch, ob derartige Maßnahmen langfristig greifen?
Barbara Lutz: Die Unternehmen lassen sich häufig über viele Jahre hinweg indexieren und auf diese Weise können wir nachvollziehen, welche Maßnahmen besonders erfolgreich sind. In den erhobenen Statistiken können wir außerdem sehen, was besonders erfolgreiche Unternehmen besonders häufig durchgeführt haben. Gemeinsam mit den Unternehmen haben wir 46 Maßnahmen identifiziert, die wir wiederkehrend beobachten und so deutlich machen können, warum diese funktionieren oder nicht.
Können Sie auch hier ein konkretes Beispiel schildern?
Barbara Lutz: Sehr effektiv sind etwa die vielfältigen, häufig sehr aufwendig angelegten Unconscious-Bias-Trainings. Darin lernen die Mitarbeiter ihre eigenen unbewussten Vorurteile und die anderer zu erkennen und abzubauen. Diese Trainings sind an sich wie gesagt sehr erfolgreich, aber nur wenn die erlernten Verhaltensweisen nachträglich im Unternehmen verankert werden, z.B. durch das Vier-Augen-Prinzip bei Einstellungen. Sonst verpufft der Effekt der Trainings nach kürzester Zeit einfach und Trainingsinhalte werden von der Unternehmensrealität eingeholt.
Was halten Sie in diesem Zusammenhang von der gesetzlichen Frauenquote und kann es für Unternehmen sinnvoll sein, eine eigene zusätzliche Quote festzulegen?
Barbara Lutz: Bei Unternehmen, die tatsächlich eine schnelle Veränderung wollen und das nachhaltig als Unternehmenszweck verankern, sehen wir, dass eine interne Quote äußerst hilfreich ist. Das gilt aber eben nicht für eine generelle Quote von 30 Prozent in allen Bereichen. Sinnvoller ist es, eine Quote tatsächlich in jedem Bereich einzeln festzulegen. Wir haben dazu den Quotenrechner entwickelt, bei dem sich der Manager Ziele setzen kann, denen er sich voll verpflichtet. Ein anderer wichtiger Aspekt ist jedoch nachzuarbeiten, wenn Ziele nicht erreicht werden. Wir sehen Unternehmen, die das außerordentlich erfolgreich tun und damit tolle Effekte haben. Wir sehen aber auch Unternehmen, die keine Quote haben und trotzdem extrem erfolgreich sind, weil sie nachhaltig, intensiv und auf allen Unternehmensebenen an dem Thema arbeiten. Was nicht funktioniert ist jedoch, sich eine Quote zu geben und keine Maßnahmen zu ergreifen – das reine Quotenversprechen bringt nichts.
Quotenversprechen ohne Kontrolle bringen nichts!
Barbara Lutz, Gründerin und Geschäftsführende Gesellschafterin des Frauen-Karriere-IndexTweet
Digitalisierung als Chance für die Frauenförderung – was ist dran?
Barbara Lutz: Wir müssen zunächst verstehen, dass Digitalisierung so viel mehr bedeutet, als flexible Arbeitszeiten, Home Office oder die Möglichkeiten des offline und online Arbeitens. Digitalisierung ist eine grundsätzliche Veränderung unserer Arbeitsweisen, bei der wir heute noch gar nicht wissen, wo sie uns hinführen wird. Viele Themen, die uns heute beschäftigen, werden in den nächsten Jahren keine Rolle mehr spielen.
Aber was genau bedeutet das für Frauen zum jetzigen Zeitpunkt?
Barbara Lutz: Neue Systeme und Systematiken werden entstehen, was für die Frauen heißt: sie haben jetzt die Chance Teil der Veränderung sein, was aber auch bedeutet, dass wir uns mit dem Thema intensiv auseinandersetzen müssen. Wer sich diesem Thema nicht stellt, wer sich der Transformation nicht mit einer gewissen Neugierde öffnet, wird verändert – und dann ist es nicht sicher, dass Digitalisierung für die Frauen eine tolle Chance ist. Sie kann es sein, aber nur, wenn ich mich als Frau mit dem Thema gezielt beschäftige. Und auch nur wenn, Unternehmen es nicht verpassen gerade in Zeiten der Unsicherheit, bisher etablierte Pfade zu verlassen, anstatt auf bewährte Denk- und Handlungsmuster zu setzen.
Sie sagen: "Frauenförderung ist kein Sprint, sondern ein Marathon!" Wie weit sind wir heute noch von Kilometer 42 entfernt?
Barbara Lutz: Es gibt internationale Unternehmen, die schon deutlich weiter sind in Deutschland, die sich ganz klar auch der 35er oder 40er Marke nähern. Und wir begleiten Unternehmen, die gerade erst aufbrechen. Man darf aber nicht enttäuscht sein, wenn man nicht nach Kilometer 10 am Ziel ist. Entscheidend ist, durchzuhalten und das Ziel stets im Auge zu behalten. Es gibt ganze Unternehmensphasen, in denen das Thema Diversität und Frauen sehr viel schwieriger wird; gerade in Abbaumaßnahmen und da muss man am Thema dranbleiben und sicherstellen, dass man nicht wieder alte Systeme greifen lässt, sondern sich der Herausforderung stellt.