Rike Pätzold hat mit unserer Kollegin Julia Möhn darüber gesprochen, warum sie die Ungewissheit so fasziniert und wie wir mit ihr umgehen können.
Rike Pätzold forscht, spricht und berät zur Ungewissheit, einem Gefühl, das Teil unseres Lebens geworden ist und das wir dennoch immer noch versuchen abzuschütteln wie ein lästiges Insekt. Transformation, Change, Kulturwandel - mit dem Institut für Praktische Emergenz hilft sie Teams und Unternehmen, ihren Weg ins Unbekannte zu finden. Ihr Buch "Ohne festen Boden. Wie wir mit Ungewissheit besser umgehen und warum wir sie brauchen" ist eine guter Einstieg für Ungewissheitsinteressierte!
EMOTION: Rike, warum macht dir die Arbeit mit der Ungewissheit Freude?
Weil ich die Offenheit liebe, die die Ungewissheit mit sich bringt. Und weil ich täglich etwas Neues lerne: das Themenfeld zu Ungewissheit scheint fast unendlich. Da geht es um Komplexität, Philosophie, Geschichte, Wirtschaft, Evolution, Psychologie, Biologie und noch einiges mehr. Und weil ich gerade in den letzten Jahren seit Beginn der Pandemie merke, dass ich Menschen unterstützen kann, damit es in der Ungewissheit etwas leichter geht.
In deinem Buch schreibst du, dass Krisenzeiten Offenheit für Veränderung mit sich brächten. Gerade fühlen sich aber viele Menschen blockiert von der Unsicherheit. Wie finde ich diese Offenheit wieder?
In der Angst ist es sehr schwierig, sich auf die Offenheit einzulassen, das ist ja fast schon zynisch. Da geht es erst einmal darum, gut für sich zu sorgen und auch achtsam im Umgang mit anderen zu sein, damit die Verunsicherung und Angst nicht größer werden. Weniger Nachrichten lesen und schauen. Geduldig mit sich und anderen sein. Vereinfach dargestellt könnte man sagen, die vielen Bedrohungen im Außen reißen uns aus unserer Komfortzone und katapultieren uns in die Panikzone. Dazwischen gibt es aber noch die sogenannte Lernzone, in der wir in der Lage sind, zu lernen und zu wachsen. Es geht also darum, immer wieder zu versuchen, an diesen Ort zu kommen, der verträgt sich aber nicht mit Panik. In der Panikzone haben wir evolutionär bedingt nur noch die Optionen Kampf, Schockstarre oder Flucht..
Wenn ich nicht weiß, wie es weitergeht, kann ich dennoch mit meiner Arbeit im Jetzt Freude haben?
Ja! Wie es weitergeht, ist ja nicht nur abhängig vom Außen, man ist nicht passiver Zuschauer in der Arena des Lebens, der nichts tun kann, außer mitfiebern. In der Ungewissheit liegt zugleich eine große Gestaltungsmöglichkeit, am Rande des Chaos kann Neues entstehen, sagt der Komplexitätsforscher Stuart Kauffman. Genau jetzt geht es darum, zu gestalten. Sich vorzustellen, was man sich eigentlich wünscht und sich seinen Werten entsprechend zu verhalten.
Und von wem kann ich lernen, mit Ungewissheit gut umzugehen?
Künstler:innen fallen mir spontan ein. Sie sind Meister in der „Negative Capability“, grob ausgedrückt, der Fähigkeit, eine weiße Leinwand auszuhalten. Improvisationstheater ist auch eine wunderbare und zugleich unterhaltsame Art, Ungewissheitstoleranz zu erleben und sogar zu lernen.
Dieses Interview erschien zuerst im Working Women Newsletter. Jetzt kostenlos anmelden und keine News rund ums Jobtrends, New Work und Gründung verpassen!