Im Schnitt nehmen Väter 3,7 Monate Elternzeit - Mütter 14,6 Monate. Paritätisch sieht anders aus. Hier erzählt ein Vater mit Führungsverantwortung, warum er sich die Elternzeit 50:50 aufgeteilt hat, was er anderen Vätern rät - und warum in dieser Zeit so viel Potenzial auch für das Arbeitsleben steckt.
2024 soll sie endlich kommen: die zweiwöchige bezahlte Freistellung des zweiten Elternteils nach der Geburt, der sogenannte Vaterschaftsurlaub. Lisa Paus, die Bundesfamilienministerin, hatte das Projekt um ein Jahr geschoben. Tatsächlich wissen wir, dass Väter einen sehr großen Einfluss darauf haben, dass und ob andere Väter in Unternehmen sich für Elternzeit entscheiden, wir brauchen dringend Role Models. Und neue Perspektiven, wie die von Marc Honsell, 37, er ist Teamlead Recruiting OSS Germany @ Oerlikon. Für ihn ist aktive Vaterschaft eine Herzensangelegenheit.
"Als Headhunter hatte ich eine Begegnung mit einem sehr erfolgreichen, erfahrenen Manager. Er sagte: 'Ich bin meiner Frau sehr dankbar, dass sie mir den Rücken freigehalten hat. Zu meinen erwachsenen Kindern habe ich nicht wirklich Kontakt, ich kann es ihnen auch nicht verdenken.' Da war Bitterkeit in der Stimme. An dem Abend habe ich zu meiner Frau gesagt: Ich will nicht eines Tages so ein Typ sein. Ich will es anders machen.
Für mich sind Persönlichkeitsentwicklung und Potenzialentfaltung wirkliche Lebensthemen. Ich bin ohne Vater großgeworden, er hat mich abgelehnt, ein starker Wunsch nach Sicherheit hat mich lange gelenkt und von meinen eigenen Potenzialen ferngehalten. Ich war Hauptschüler und habe erlebt, wie man auf ein Gleis geschoben wird. Es war ein langer Weg, bis ich über mittlere Reife, kaufmännische Ausbildung und nachgeholtes Abitur zum BWL Studium kam. Ich bin auch in meinem ersten Führungsjob auf die Nase gefallen – im fillialisierten Einzelhandel konnte ich nicht nach den Führungsprinzipien von Vertrauen und Ermutigung handeln, die mir wichtig sind. Ich bin in die Personalberatung gewechselt, mit Mentoren und Förderern in eine Führungsrolle hineingewachsen.
Nach zwei Jahren in dieser Führungsrolle ist mein Sohn 2021 auf die Welt gekommen – das größte Glück meines Lebens. Ich war sechs Monate in Elternzeit, wir haben es 50/50 aufgeteilt. Das war eine große Herausforderung, mit Kochen, Haushalt, Mental Load, das alles unter einen Hut zu bekommen, aber mein Sohn und ich haben durch diese Zeit eine intensive Verbindung. Und so schwierig das Verhältnis zu meinem Vater war, er hat mich als Anti-Bild zu dem Vater gemacht, der ich bin. Aktive Vaterschaft ist mir immens wichtig. Meinem Sohn Vorbild und treuer Unterstützer und Begleiter zu sein. Und auch anderen ein Role-Model zu sein. Ein Mann aus meinem Team hat erzählt, dass er Vater wird. Und ich habe ihn gefragt, wie lange er Elternzeit nehmen wird. Nicht ob, sondern wie lange.
Aktive Vaterschaft und erfolgreich im Beruf zu sein – das schließt sich nicht aus
Marc HonsellTweet
Aus einer Business-Perspektive: Es hätte keine bessere Entscheidung geben können als Vater zu werden. Ob Belastbarkeit, Organisationskompetenz, aber vor allem den individuellen Blick zu entwickeln, was Menschen brauchen, all das passiert in der Elternzeit. Die Zeiten, in denen ich 20 und 30 Kandidat:innen für eine Position habe, sind definitiv vorbei. Wie schaffe ich es jetzt, dass Menschen bleiben und ihr Potenzial abrufen? Dass wir sie nicht auf Rollen festschreiben, wie auch in Partnerschaften Rollen nicht festgeschrieben sein sollten – Männer können fürsorglich sein, sich kümmern.
Seit August leite ich das interne Recruiting Team des schweizerischen Maschinen- und Anlagenbauers OSS für den Standort Deutschland. Und teile mir mit meiner Frau nach wie vor die Verantwortung für unseren Sohn. Wir setzen uns einmal die Woche zusammen und schauen in unsere Kalender. Dann wird entschieden. Wer kann, wenn nötig, welche Termin wie schieben? Wer braucht welchen Freiraum? Es ist ganz viel Organisation und Planung. Man muss der Thematik ins Auge blicken.
Für mich steht und fällt das Ganze mit Verantwortung und dem Wunsch, zu sich selbst zu stehen. Aktive Vaterschaft und erfolgreich im Beruf zu sein – das schließt sich nicht aus."
Dieses Interview erschien zuerst im Working Women Newsletter. Jetzt kostenlos anmelden und keine News rund ums Jobtrends, New Work und Gründung verpassen!
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