Sollten Familienunternehmen in der Familie bleiben? Unsere Kollegin hat darüber mit Anita Freitag-Meyer gesprochen. Sie leitet die Verdener Keks- und Waffelfabrik Hans Freitag in der dritten Generation.
Im November gab Verena Bahlsen bekannt, dass sie nicht mehr dem Vorstand der Bahlsen AG angehören wird. Ist es ein Ziel, dass Familienunternehmen in der Familie bleiben? Anita Freitag-Meyer, 53, hat 2013 den EMOTION.award in der Kategorie „Erfolgreiche weibliche Unternehmensnachfolge" gewonnen und leitet die Verdener Keks- und Waffelfabrik Hans Freitag in der dritten Generation. Ihre beiden Kinder Max und Anna sind ins Unternehmen eingestiegen – in sieben Jahren will sie ihnen die Geschäftsführung übergeben.
EMOTION: Mit 20 hast du deine Ausbildung begonnen, mit 30 das Unternehmen übernommen, jetzt bereitest du wieder eine Übergabe vor - erinnerst du dich an die Zeit des Anfangens?
Ich bin an die Hand, aber auch sehr in Beschlag genommen worden. Plötzlich war mein Vater mein Chef, eine ganz andere Rolle. Wie man diese beiden Rollen gut zueinander bringt, das beschäftigt mich.
Welchen Weg gehst du mit deinen Kindern?
Als Mutter ist ein Satz, der mir wichtig ist: "Wenn sie klein sind, gib ihnen Wurzeln, wenn sie groß sind, gib ihnen Flügel." Als Chefin, die ich jetzt auch bin, gebe ich Leitlinien und mache Vorgaben, aber gebe eben auch Raum zum Wachsen. Ich nehme sie mit, vor allem im Team, so können sie Sicherheit gewinnen. Und wir haben klare Absprachen, wann wir übers Geschäft sprechen und wann nicht.
Wie führt man als Familie Jobgespräche?
Das müssen wir lernen, selbst bei neutralen Themen schwingt immer Emotion mit. Sprechen hilft, damit die anderen nicht mutmaßen müssen, nicht interpretieren. Und ich lobe viel, kein Eimer von Liebe, sondern gezieltes Feedback - weißt du eigentlich, wie stark du rüberkommst…
Du hast als Älteste von Dreien die Geschäftsführung übernommen, deine beiden Kinder arbeiten jetzt beide im Unternehmen.
Beide wollten das immer schon und sollten die gleiche Chance bekommen, sie sind auch nur ein Jahr auseinander. Sie sind sehr unterschiedlich, im Idealfall ergänzen sie sich zu einem Powerduo, Max ist ein toller Einkäufer, Anna eine sehr begabte Vertrieblerin. Mein Tenor war: Ich würde mich freuen, wenn ihr mir nachfolgt, aber es ist eine Entscheidung fürs Leben, trefft sie nicht aus den falschen Motiven.
Was wären die falschen Motive?
Zu denken, das sei der einfacherer Weg.
Warum war es für dich der richtige?
Ich hatte meine Mutter und meine Oma als Vorbilder, auch sie hatten schon viel Verantwortung fürs Unternehmen übernommen. Und ich konnte Familie haben, mein Leben leben, ich habe nicht nur gearbeitet. Und es macht mir immer noch Freude, neulich sagte Max nach einem Kundentermin zu mir, ich hätte ja richtig geleuchtet. Wer einen Termin mit Hans Freitag hat, hat einen guten Termin, das ist das Motto.
Inflation und Energiekrise – wie managt man in der Krise?
Mit unerschütterlichem Optimismus. Ich sage auch immer zu meinen Kindern: Es nützt ja nichts. Ich habe so viele Krisen durchgestanden, wir müssen an Deck bleiben, für unsere Leute präsent sein, alles angehen, aber sich nicht von Sorgen erdrücken lassen. Das Schlimmste ist Unsicherheit, wenn die Führung wackelt.
Und wenn die Führung Fehler macht?
Jeder Mensch braucht einen Flop, hat mein Vater gesagt. Das ist ein schlauer Satz. Ich habe mir meine Fehler immer verziehen.
Woher kommt dein Optimismus?
Es wird immer einen Weg geben. Ich fühle mich nicht gelähmt. Ich habe ein so gutes Team aufgestellt, so ein gutes Team hatte ich noch nie. Wir steigen in den Bio-Markt ein, mit der neuen Brand "Friday's Organic Bakery" - ein Anstoß von Max. Wie kommen wir mit unseren Produkten in die vierte Generation - das finden wir gerade gemeinsam heraus.
Dieses Interview erschien zuerst im Working Women Newsletter. Jetzt kostenlos anmelden und keine News rund ums Jobtrends, New Work und Gründung verpassen!
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