Bettina Fetzer steuert bei Mercedes-Benz die Markenkommunikation – und lebt dabei die drei B: befähigen, beteiligen, begeistern. Gerade hat sie eine digitale Plattform geschaffen, auf der sich Frauen austauschen können.
Seit November ist Bettina Fetzer bei Mercedes-Benz weltweit für das Marketing verantwortlich. Die 39-Jährige führt von Stuttgart aus rund 400 Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen.
EMOTION: Welche Eigenschaften braucht eine gute Führungskraft?
Bettina Fetzer: Ich glaube, sie muss Mut haben, authentisch sein und ihrem Team vertrauen. Außerdem sollte sie ein gewisses Durchhaltevermögen haben, wenn Entscheidungen getroffen wurden.
Und welche Eigenschaften schätzt du besonders an Frauen?
Frauen führen uneitel. Viele von ihnen sind sehr sachorientiert. Das hilft.
Ist das auch eine Stärke, um in einem Konzern voranzukommen?
Es ist zumindest dann eine Stärke, wenn das Umfeld diese Eigenschaft auch als Stärke wahrnimmt. Es gibt natürlich manchmal klassische Machtkämpfe. Frauen tragen die meist anders aus – subtiler, aber nicht weniger effizient.
Was hat dich in deine jetzige Position gebracht?
Authentizität. Wenn man nicht authentisch ist, hält man das nicht lange durch. Darüber hinaus ist es wichtig, einen Job zu haben, in dem deine guten Leistungen auch sichtbar werden – und einen Chef, der dich sichtbar werden lässt. Und dann gibt man einfach sein Bestes. Wenn man dann noch etwas Glück hat, wird man hoffentlich gefördert.
Hast du eigentlich immer die Hand gehoben, wenn Positionen neu zu besetzen waren?
Ja. Ich war immer offen für neue Aufgaben und Herausforderungen und mir war auch immer wichtig, dass mein Umfeld das weiß. Außerdem war ich davon überzeugt, dass ich was konnte. Ich glaube, das sollte man noch viel mehr tun.
Bei EMOTION setzen wir uns sehr stark für New Work ein. Wie sieht das bei Daimler aus?
Wir haben mobiles Arbeiten, wir haben flexible Arbeitszeiten, wir haben Frauen, die sich Jobs teilen, und auch Männer, die das tun. Mein Mann und ich sind Working Parents, das heißt, wir arbeiten beide Vollzeit und kümmern uns zu gleichen Teilen um unseren Sohn. Vollzeit bedeutet nämlich nicht, von acht bis 20 Uhr im Büro anwesend zu sein, sondern sich zuzutrauen, den Job in der Präsenzzeit zu machen, die man für notwendig hält.
Mercedes hat ja als erste Automarke das Thema Frauen für sich entdeckt und deshalb "She’s Mercedes" gestartet. Welchen Nutzen hat das für die Marke?
Zum einen ist es natürlich großartig, dass wir so ein Netzwerk betreiben dürfen, in dem wir tolle Frauen zusammenbringen, die sich gegenseitig inspirieren und motivieren. Zum anderen sind ganz viele Frauen auch Kundinnen der Marke Mercedes-Benz – wir hatten 2018 in Deutschland bei unseren Käufern einen Frauenanteil von rund einem Fünftel. In den USA werden sogar vier von zehn Mercedes von einer Frau gekauft. Als Autokonzern sind wir bisher allerdings nicht immer optimal darauf eingestellt gewesen. Studien zeigen, dass Frauen vom Vertrieb bis zum Service zum Teil anders behandelt werden wollen als Männer.
Und wie?
Wenn mein Mann mit seinem Auto einen Servicetermin hat, freut er sich darauf. Der fährt dann da hin und fachsimpelt mit den Angestellten. Für mich dagegen ist es ein toller Servicetermin, wenn ich gar nicht mitbekommen habe, dass mein Auto beim Service war – und dass, obwohl ich in einem Automobilkonzern arbeite. Oder: Vielen Männern ist es total wichtig, wie viele Zylinder ihr Auto hat. Mir ist das völlig egal, Hauptsache, die Kiste fährt gut und ich muss nicht zu oft tanken. Als Konzern müssen wir uns darauf einstellen.
Welche Ziele hast du dir für "She’s Mercedes" gesetzt?
In Zukunft sollen unsere Network-Veranstaltungen noch nachhaltiger werden. Parallel zu den Events haben wir mit unserer LinkedIn-Community eine digitale Plattform gestartet, auf der sich Frauen täglich und international austauschen können.
"She’s Mercedes" sponsert auch den EMOTION.award – warum?
Mir gefällt, dass er so breit aufgestellt ist: Dass ihr eben nicht nur die Frau im Großkonzern auszeichnet, sondern auch die Frauen, die sich in die Selbstständigkeit gewagt haben. Und Frauen, die sich sozial engagieren.
Was muss eine Frau für dich mitbringen, die man für ihr Lebenswerk auszeichnet?
Sie sollte in ihrem Leben ganz viel Mut gezeigt haben, und für Frauen, die nach ihr kamen, den Weg bereitet haben.
Und was zeichnet für dich eine gute Frau in Führung aus?
Sie sollte eine Kultur schaffen, die geprägt ist durch Vertrauen, durch Wertschätzung, durch Teamgeist und durch Empowerment. Das sind die Werte, die mir wirklich wichtig sind und die ich vorzuleben versuche. Empowerment ist ja so ein Modewort, aber darin steckt das Wort Power, das sowohl Kraft als auch Macht bedeutet. Denn wir müssen unser Wissen mit unseren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern teilen, damit sie in Meetings gehen und dort entscheidungsbefugt sind. Und wenn sie zurückkommen, darf man nicht sagen: "Oh, das hätte ich jetzt anders gemacht." Jede Mitarbeiterin und jeder Mitarbeiter, der auf diese Weise empowered ist, geht mit einer ganz anderen Motivation an die Arbeit. Für mich geht es um drei B: befähigen, beteiligen und begeistern. Wenn ich Leute an dem beteilige, was wir machen, sind sie begeistert. Und wenn man sie entsprechend befähigt, können sie am Ende die beste Entscheidung treffen.
Was sind deiner Ansicht nach die drei wichtigsten Stellschrauben, damit wir endlich eine Fifty-fifty-Beteiligung von Frauen erreichen?
Zum einen müssen wir weiter das Thema auf die Agenda heben. Zum anderen brauchen wir Instrumente, die dem Bewusstsein auch Taten folgen lassen: Wenn wir dafür noch eine Weile eine Frauenquote brauchen, dann ist das so. Und drittens brauchen wir Frauen, die den Mut haben, diese Stellen einzufordern – samt der damit einhergehenden Verantwortung und Bezahlung.
Hast du eigentlich ein Lebensmotto?
Oh ja! "Lieber ein paar Brandblasen als ein Leben lang kalte Finger." Das ist von der österreichischen Kinderbuchautorin Christine Nöstlinger, und ich finde es klasse.
Und wie tankst du auf?
Ich verbringe so viel Zeit wie möglich mit meinem 10-Monate-alten Sohn. Aber an den Wochenenden oder wenn er im Bett ist, schlafe ich. Es gibt verschiedene Phasen im Leben. Ich habe zum Beispiel für anderthalb Jahre ein Sabbatical gemacht. Damals ging mein Mann ins Ausland, und ich habe ihn begleitet. Mein Motto war: nichts müssen, alles können. Ich habe 250 Bücher gelesen, habe ein bisschen Arabisch gelernt und sechsmal die Woche Sport gemacht. Wenn du mich jetzt fragst, wie viel Bücher ich die letzten sieben Monate gelesen habe und wie viel Sport ich getrieben habe – null. Ist aber auch nicht schlimm. Man muss nicht immer alles tun und können. Das ist auch mein Rat an alle Frauen: "Fokussiert euch auf die Themen, die euch wichtig sind und übernehmt euch nicht, das ist überhaupt nicht notwendig." Ich zum Beispiel muss gerade kein Buch lesen. Ich schlafe lieber.
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