"Mit uns an der Macht wäre das anders gelaufen", sagen viele Frauen, wenn Männer Firmen in den Ruin treiben oder Länder in die Krise. Aber können wir es wirklich besser? Ein Streitgespräch.
Deborah Steinborn
...(links) arbeitet seit über 20 Jahren als Wirtschaftsjournalistin in Deutschland und den Vereinigten Staaten. Die Amerikanerin sagt: Frauen besitzen Werte, die Chefetagen bereichern – deshalb brauchen sie mehr Macht
Christine Bauer-Jelinek
...(rechts) ist Wirtschaftscoach und berät Top-Manager. Die Wienerin ist überzeugt: Frauen haben auf dem Arbeitsmarkt jetzt schon die gleichen Chancen wie Männer, wenn sie nach den kapitalistischen Regeln des Systems spielen
EMOTION: Frau Bauer-Jelinek, Sie coachen Frauen und Männer in Spitzenpositionen. Sind Frauen die besseren Chefs?
Christine Bauer-Jelinek: Nein, denn Frauen müssen die Unternehmensziele genauso erreichen wie Männer. Weil sie die Spielregeln des Wettbewerbs aber oft nicht richtig einschätzen, sind sie manchmal sogar schlechtere Chefs.
Deborah Steinborn: Frauen sind nicht per se die besseren Chefs, sondern sie führen anders als Männer. Und in Zeiten der Wirtschaftskrise brauchen Firmen eine andere Führung.
EMOTION: Welche Fähigkeiten haben Frauen denn aus ihrer Sicht den Männern voraus?
Deborah Steinborn: Sie handeln themenfokussierter, weniger selbstorientiert und risikobewusster. Sie sind oft besser vorbereitet, kommunikativer und interessieren sich für ihre Mitarbeiter.
Christine Bauer-Jelinek: Und das ist genau der Grund, warum sie nicht nach oben kommen - wegen dieses traditionellen Rollenmists! Die Frauen sind gefangen in den Bildern davon, wie das weibliche Geschlecht zu sein hat. Junge Frauen, die jetzt ihren ersten Job beginne, sind da anders. Sie entscheiden freier, sagen entweder: "Ich will Karriere machen und kämpe dafür" oder: "Karriere interessiert mich nicht."
Deborah Steinborn: "Mist" ist ja eine hübsche Ausdrucksweise! Aber traditionell ist dieser Mist keinesfalls, sondern Ausdruck moderner Forschung. Man darf wieder über Geschlechter- unterschiede reden, und das ist gut so. Jedenfalls: Die jungen Frauen, über die Sie reden, haben ja noch keine Kinder. Wenn sie in zehn Jahren Familie haben, werden sie nicht mehr so locker entscheiden.
Christine Bauer-Jelinek: In zehn Jahren sind sowieso mehr Frauen an der Spitze, trotz Kindern und allem anderen. Das ist eine natürliche Entwicklung.
Deborah Steinborn: Das hat man in den USA um das Jahr 2000 auch gedacht, und dann ist an den Firmenspitzen zehn Jahre lang so gut wie nichts geschehen.
Christine Bauer-Jelinek: Es bedeutet, dass das Image des Unternehmens, also das, was tatsächlich gesagt wird, und das, was tatsächlich getan wird, zwei verschiedene Paar Schuhe sind. Wer Chef ist, muss beides beherrschen. Das heißt, er muss intern Konflikte lösen und nach außen das Erfolgsimage der Firma aufrechterhalten. Viele Frauen versuchen die positiven Werte, die das Unternehmen als Image präsentiert, intern umzusetzen.
EMOTION: Ist das denn nicht gut?
Christine Bauer-Jelinek: Damit machen sie sich das Leben im Unternehmen schwer. Männer würden gar nicht auf so eine Idee kommen, sondern gucken, wie sie am schnellsten im Chefsessel landen.
Deborah Steinborn: Dann sind Sie etwa der Meinung, dass Frauen nach den Regeln der Männer spielen?
Christine Bauer-Jelinek: Das sind keine Regeln der Männer, sondern das System.
Deborah Steinborn: Aber das System ist doch von Männern gemacht worden. Wenn wir immer die gleiche Art von Leuten an der Spitze haben, dann gibt es auch immer die gleichen Probleme.
"Frauen sind weniger selbstorientiert und risikobewusster als Männer", Deborah Steinborn
EMOTION: Frau Steinborn, in Ihrem Buch zitieren Sie Christine Lagarde, die Chefin des IWF: "Wenn Lehman Brothers Lehman Sisters gewesen wäre, würde die Finanzkrise ganz anders aussehen."
Christine Bauer-Jelinek: Soll heißen: "Die Jungs haben das Ding an die Wand gefahren, Frauen wäre das nicht passiert."
Deborah Steinborn: Das ist natürlich bewusst so spitz ausgedrückt.
Christine Bauer-Jelinek: Ich halte das für einen peinlichen intellektuellen Faux-Pas - noch dazu von einer Frau in dieser Position -, dass ich mich gar nicht genug darüber aufregen kann.
Deborah Steinborn: Lagarde meinte damit ja nicht, dass Frauen die Heldinnen sind oder dass es unter einer Frauenführung keine Finanzkrise gegeben hätte. Aber vielleicht wäre sie nicht so schlimm verlaufen.
Christine Bauer-Jelinek: Frauen können die Wirtschaft nicht ändern. Es ist keine Frage des Geschlechts, sondern der Generationen. Bei den unter 35-Jährigen gibt es sozial orientierte Männer, sanfte Männer, die verhalten sich ganz anders. Auch wie das Wirtschaftssystem mit Querdenkern umgeht, ob das belohnt oder bestraft wird, spielt eine Rolle.
Deborah Steinborn: Natürlich können Frauen die Wirtschaft ändern - und tun das auch! Aber in der Tat, es gibt zu wenig Querdenker, zu wenig Vielfalt bei Entscheidern. Alle denken gleich.
EMOTION: Sie haben als Finanzkorrespondentin miterlebt, wie die Börsenkurse abstürzten...
Deborah Steinborn: Was ich tatsächlich hautnah verfolgen konnte: Bevor die Krise ausbrach, haben sehr viele Frauen, die in Finanzunternehmen arbeiteten, gekündigt. Weil es ihnen einfach zu wild wurde, was ihre männlichen Kollegen da veranstaltet haben.
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Sind Frauen die besseren Chefs? Ein Streitgespräch
EMOTION: Dass Frauen kündigen, weil sie vor dem System kapitulieren, passiert oft. Frau Steinborn, Sie sagen, Frauen hätten hohe Führungs-, aber keine Aufsteigerqualitäten. Also sollten ihnen per Quote ein paar Chefsessel bereitgestellt werden, auf denen sie zeigen werden, was sie können.
Deborah Steinborn: Die Frauenquote ist ein wichtiges Symbol. Sie erinnert uns daran, dass unsere Wirtschaft auf Dauer nur erfolgreich ist, wenn sie von beiden Geschlechtern gelenkt wird.
EMOTION: Frau Bauer-Jelinek, Ihrer Meinung nach ist die Quote frauenschädlich. Warum?
Christine Bauer-Jelinek: Wenn man Frauen den roten Teppich auslegt, ohne dass sie die Machtkämpfe beherrschen, die es an der Spitze nun einmal gibt, werden sie sich auf den Chefsesseln nicht halten. Weil sie mit ihrem ganzheitlichen Denken diesen Biss nicht aufbringen können und wollen.
EMOTION: Sie meinen, Frauen werden durch die Quote in einen Kampf geschickt?
Christine Bauer-Jelinek: Den sie nicht gewinnen können. Was sollen die da oben bloß alles schaffen: Sie sollen als Chefin das ganze System ändern, die Wirtschaft besser machen, Krisen verhindern - das ist völlig irrwitzig, was einer Frau da heute aufgeladen wird.
EMOTION: Und das ist bei Männern anders?
Christine Bauer-Jelinek: Ja, Männer müssen einfach nur Karriere machen und fertig. Wenn sich die Gesellschaft nicht grundsätzlich ändert, halten sich nur Frauen oben, die mit Konkurrenz umgehen können. Die anderen kommen prima in ihrer Abteilung an, verbreiten gute Stimmung und sind super für das Unternehmen. Aber die Top-Karrieren machen die toughen Frauen.
Deborah Steinborn: Und wo bitte sind die Frauen, die es geschafft haben? In vielen Konzernen findet sich nicht ein weibliches Vorstandsmitglied. Als ich einmal die Dax-Konzerne fragte, warum das so sei, schoss die Deutsche Bank den Vogel ab: "Wir beschäftigten mal eine Frau im Vorstand, aber die ist leider verstorben", sagte der Sprecher.
"Oben halten sich heute nur Frauen, die toughe Werte haben" Christine Bauer-Jelinek
EMOTION: Frau Bauer-Jelinek, Sie behaupten in Ihrem Buch, dass die Politik das Gleichstellungsthema bewusst aufgebracht hat.
Christine Bauer-Jelinek: Ja, das glaube ich. Die Politik will so von den wahren gesellschaftlichen Problemen ablenken, etwa von der größer werdenden Schere zwischen Arm und Reich.
EMOTION: Die Autorin Amelie Fried schreibt: "Ich höre immer öfter die Klage erfolgreicher Frauen, ihre Gegner seien nicht Männer, sondern Frauen, die ihnen den Aufstieg missgönnen." Ist Solidarität unter Frauen ein Mythos?
Christine Bauer-Jelinek: Ja. Das suggeriert den Frauen, dass das Geschlecht wesentlich ist. Das ist falsch! Es gibt Frauen im Top-Management, die sagen: "Jetzt, wo ich mir das erkämpft habe, hängen mir die Frauen wie Mühlsteine um den Hals, weil sie an meine Solidarität appellieren. Ich muss aber aus unterschiedlichsten Gründen den Mann nehmen und habe ständig dieses Frauenthema an der Backe!"
Deborah Steinborn: Frauen sollten trotzdem lernen, untereinander besser zu netzwerken für ihre Karriere. In Island lernte ich Frauen kennen, die einmal im Monat mit männlichen Kollegen einen trinken gingen, aber dazu auch ganz bewusst einen Frauen-Stammtisch hatten - genau wie die Männer.
Christine Bauer-Jelinek: Sie glauben, dass Männer untereinander solidarisch sind?
Deborah Steinborn: Natürlich!
Christine Bauer-Jelinek: Ich würde eher sagen, Männer sind mit dem solidarisch, der ihnen nützt. Auch sie fechten extreme Konkurrenzkämpfe aus, und wer das Gemetzel gewinnt, wird Chef.
EMOTION: In einem sind Sie sich einig: An die Macht zu kommen, ist verdammt anstrengend. Die Facebook-Managerin Sheryl Sandberg appelliert an Frauen: "Es ist überhaupt nichts falsch mit euch, wenn ihr diesen Weg nicht gehen wollt."
Deborah Steinborn: Richtig! Es ist aber wichtig, dass Frauen, wenn sie sich gegen die Karriere entscheiden, es aus den richtigen Gründen tun. Also nicht aus Frust oder weil sie aufgeben.
Christine Bauer-Jelinek: "Die richtigen Gründe" - das klingt schon wieder so moralisch. Damit sollten wir aufhören, das setzt uns unter Druck.
Deborah Steinborn: Angst vor Moral ist kein guter Wegweiser.
EMOTION: Also, wer seine Erfüllung darin findet, Kuchen zu backen, anstatt an der Karriere zu basteln, soll das machen dürfen?
Christine Bauer-Jelinek: Aber natürlich. Der Weg in den Chefsessel hat seinen Preis, da muss man sich auch mal verbiegen - das muss man wissen! Auch viele Männer würden gut daran tun, mal langsamer zu machen. Erst wenn Frauen und Männer das machen können, was sie wollen, egal ob Vorstandsvorsitz oder Hausarbeit, haben wir echte Gleichberechtigung.
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"Wir wollen Frauen ermutigen, an ihren eigenen Weg zum Erfolg zu glauben"
In der Redaktion haben wir nach diesem Streitgespräch weiterdiskutiert: Was genau bedeutet Erfolg eigentlich für Frauen? Eine Top-Positon? Geld? Einfluss? Eine gute Work-Life-Balance? Oder brauchen wir ganz neue Antworten auf diese Fragen? Wie können wir Frauen inspirieren, ohne sie mit Berichten von Über-Karrieren zu deprimieren?
Herausgekommen ist eine neue EMOTION-Veranstaltung: Am 23. September werden wir zum ersten Mal eine Job-Konferenz veranstalten. Zusammen mit Bucerius Education in den Räumen der Bucerius Law School in Hamburg. Denn uns interessiert die Frage: Was für eine Karriere wollen Frauen heute?
Mit re:work wollen wir mehr schaffen als nur eine weitere Tagung. Wir wollen Frauen ermuntern, an ihren eigenen Weg zum Erfolg zu glauben. Unsere Mittel: Impulsvorträge und Keynotes von Frauen, deren Lebensläufe durch Ecken und Kanten begeistern. Workshops mit Expertinnen, die zeitgemäße Führungs-Tools vermitteln. Dazu hoch besetzte Podiums-Runden. Und vor allem eine inspirierende Atmosphäre des Miteinanders. Wir freuen uns auf diese Premiere!
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