Auch wenn sie gut gemeint sind – Kommentare wie dieser können echt wehtun, weiß unsere Autorin. Vor allem, wenn sie sich an Menschen richten, die nicht Konfektionsgröße 38 tragen.
Bodyshaming verpackt als Kompliment
Seit der dritten Klasse bin ich dick. Nein, lass es mich anders ausdrücken: Seit der dritten Klasse wird mir bewusst gemacht, dass ich dick bin (oder zumindest nicht dünn). Nicht unbedingt durch Mobbing oder Beleidigungen, sondern durch "Komplimente".
Als mein Körper anfing, sich zu verändern, sagten mir meine Schulfreundinnen, sie hätten auch gerne "weiblichere Rundungen", so wie ich. In meiner Tanzgruppe war ich für die Hebefiguren zuständig, weil ich ja "so stark" war. Und fortan bekam ich für meine Outfits hauptsächlich Komplimente, wenn sie meine Figur "umschmeichelten".
Diese Kommentare haben mich schon immer gestört. Warum, war mir nie wirklich klar. Bis vor Kurzem eine Frau zu mir sagte: "Ich finde es so toll, dass du bauchfrei trägst!" Da war es wieder, dieses ungute Gefühl in der Magengegend. Doch diesmal wurde mir die Ursache bewusst: Hätte sie das auch zu einer Frau gesagt, die figurtechnisch dem Ideal vermeintlicher Schönheit entspricht? Ich lehne mich mal aus dem Fenster und behaupte: Nein. Denn in der Welt, in der wir leben, ist es immer noch etwas Besonderes, wenn eine dicke Frau es sich erlaubt, ihren Bauch zu zeigen. "Ruft die Speck-Polizei, hier wagt es ein Fetti, sich zu entblößen!"
Mikroaggressionen & Unsicherheiten
Diese kleinen Sticheleien, die einen spüren lassen, dass man irgendwie anders ist und die oft noch nicht mal böse gemeint sind, nennt man Mikroaggressionen. Der Begriff wurde Anfang der Siebzigerjahre von dem Psychiater Chester Pierce geprägt, um zu beschreiben, wie er sich als Afroamerikaner immer wieder bevormundet und abgewertet fühlte.
Disclaimer: Ich möchte dieses Mikro-Bodyshaming, das ich hier beschreibe, keineswegs gleichsetzen mit der verletzenden gesellschaftlichen Ausgrenzung, die BIPoC oder auch Mitglieder der LGBTQAI+ Community erfahren. Das sind noch mal ganz andere, tiefgehendere Arten von Mikroaggressionen, die ich als privilegierte, weiße, heterosexuelle, cis Frau niemals nachempfinden kann.
Die Bedeutung des Begriffs beschreibt aber ganz gut, wie ich mich jedes Mal fühle, wenn ich auf Bumble einem Typen begegne, der "total auf kurvige Frauen steht". Mir wird da durch vor Augen gehalten, dass ich nicht zur Norm gehöre. Und dass ich mich glücklich schätzen kann, wenn überhaupt jemand meinen Körper schön findet. Ich werde an den Selbsthass und die Unsicherheiten erinnert, die ich so lange bekämpft habe – und immer noch bekämpfe.
Ist alles nicht so gemeint
Den meisten fällt gar nicht auf, was sie mit ihren Bemerkungen anrichten. Im Gegenteil – sie meinen es sogar gut! In ihren Ohren klingen solche Sätze wie Komplimente. Ich nehme mich da nicht aus, auch mir rutscht schon mal ein "Wow, hast du abgenommen?" raus. Ist schließlich alles nicht so gemeint. Klar: In dieser liberalen Bubble, in der viele von uns sich befinden, würde sich doch nie jemand Fatshaming erlauben. Hey, wir sind doch alle total bodypositive!
Lasst Körper einfach Körper sein
Wirklich? Wieso müssen Körper dann immer noch kommentiert werden? Egal, in welche Richtung die Bewertung ausfällt, "Du hast total schöne Kurven" kann unter Umständen genauso verletzend sein wie eine offensichtliche Beleidigung.
Dieser Text ist eine freundliche Erinnerung daran, dass wir noch einen langen Weg vor uns haben. Bis Körper einfach Körper sein dürfen. Und bis ein Kleid nur noch "ein schönes Kleid" ist und nicht eines, das "die Kurven umspielt".
Diese Kommentare hab ich wirklich dicke:
"Wie mutig, dass du zu deinen Kurven stehst!"
Was daran ist mutig? Es ist einfach nur (m)ein Körper.
"Aber du hast ja ein so schönes Gesicht!"
Was soll dieses "aber"?
"Waaas, du bist doch nicht dick!"
So ein Satz ignoriert meine Lebensrealität und die negativen Erfahrungen, die ich als dicke Frau mache. Außerdem suggeriert er, dass Dicksein etwas ist, was man nicht sein möchte.
"Ich hab sooo zugenommen, ich muss aufpassen, was ich esse"
Gerade aus dem Mund von offensichtlich schlankeren Personen ist dieser Satz unfassbar unsensibel. Read the room! (Mal abgesehen davon, dass das auch nicht gerade nett zu eurem eigenen Körper ist.)
"Ich finde cool, dass du anziehst, worauf du Lust hast!"
Was denn sonst? Soll ich etwa in einem Kartoffelsack rumlaufen?
Dieser Artikel erschien zuerst in EMOTION 8/9/23.
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