Mit Abstand kann man jeden Schicksalsschlag annehmen. Stimmt das? Das haben wir die Comedienne Gaby Köster elf Jahre nach ihrem Schlaganfall gefragt.
Gaby Kösters "drecksdrisseliger" Schlaganfall
Aufgeben? Kam für Gaby Köster nicht infrage. Nie. Elf Jahre sind seit ihrem Schlaganfall – dem „drecksdrisseligen Schlag“, wie sie ihn nennt – vergangen. Zeit für eine Bestandsaufnahme. „Man muss nicht immer nach vorne schauen, auch nicht auf das, was jetzt nicht mehr geht“, sagt sie, „sondern man sollte, bitte schön, auch mal nach hinten blicken, was man alles gerockt hat.“
Am 8. Januar 2008 wurde Köster plötzlich schwindelig. Sie fiel um, schlug mit dem Kopf auf einem Heizkörper auf und verletzte dabei ihre Halsschlagader so sehr, dass die Blutzufuhr unterbrochen wurde. „Das hat eben den Schlag ausgelöst“, sagt die 57-Jährige. „Als der Prof im Krankenhaus meinte: ‚Frau Köster, regen Sie sich nicht auf, wir müssen Ihnen die Schädeldecke entnehmen‘, da dachte ich, ich bin im Irrenhaus.“ Absurd sei das gewesen. Sie lacht kurz auf, als könne sie es immer noch nicht glauben. Ihre ganze linke Körperhälfte war anfangs gelähmt: „Ich hatte Ängste, wie ich mein Leben halbseitig stemmen könnte.“
Der Rückzug aus der Öffentlichkeit bringt Existenzängste mit sich
Mühsam musste sie Bewegungen neu lernen. Dass alles langsamer geht – „das war für mich als Hibbel und mega-aktiver Mensch die größte Herausforderung.“ Sie mag es nicht, wenn ihr Umgang mit dem Schlag wie etwas Heldenhaftes dargestellt wird: „Jeder Mensch hat doch irgendwie einen Schlag im Leben gehabt, nur nicht unbedingt gesundheitlich.“
Wieder im Fernsehen aufzutreten, schien lange undenkbar. Gerade war sie noch auf dem Höhepunkt ihrer Karriere gewesen, jetzt hatte sie Existenzängste – „glaubt mir niemand, war aber leider so.“ Drei Jahre verschwand Gaby Köster aus der Öffentlichkeit.
Herausforderungen wird es immer geben. Man muss den Fokus auf das Positive legen und Vertrauen in sich selbst haben
Heute sagt sie: „Ich kann behaupten, ich bin ein glücklicher Mensch. Natürlich wäre es noch schöner, wenn alles super funktionieren würde. Aber irgendetwas ist ja immer.“ Ihr linker Arm und das linke Bein sind nach wie vor gelähmt. „Ich habe keinen Bock, dass schlechte Momente mein Leben dominieren“, sagt sie, „man ist in vielen Dingen fremdbestimmt, aber es gibt auch vieles, was man selber kann, da muss man seinen Grips mal anstrengen.“ Sie ist niemand, die sich gern helfen lässt.
Seit Kurzem hat sie ein Elektromobil. Euphorisch erzählt sie auf Kölsch, wie sie jetzt wieder draußen mit den Hunden unterwegs sein kann. Als sie zum ersten Mal damit losziehen wollte – mit Hunden an der Leine, Handtasche am Arm, war das eine neue Herausforderung. In solchen Momenten diskutiere sie mit ihrem „Schlag“: „Wenn du jetzt meinst, das könntest du verhindern, dann hast du dich mal fies vertan!“ Sie hat’s ihm gezeigt. Nur sei der Spaß wetterabhängig. „Ich hab mir ein Regencape bestellt. Dann kann mich nichts mehr aufhalten.“
Improvisieren konnte sie schon vorher. „Im Grunde musste ich das mein ganzes Leben lang“, sagt sie. Als Freiberuflerin kennt sie Zeiten, „wo nichts läuft“. Über die Jahre sei ein tiefes Vertrauen in sich selbst gewachsen – und auch die Gewissheit, dass es immer irgendwie weitergeht. Das gibt ihr Kraft.
Der EMOTION Women's Day wurde auf den 19. Oktober 2020 verschoben. Die wichtigsten Fragen und Antworten findest du hier.
Die erste Comedy-Tour im Rollstuhl
2018, zehn Jahre nach dem „Schlag“, ging sie im Rollstuhl zum ersten Mal wieder auf Comedy-Tour. Herausforderungen findet sie wichtig, um nicht in der Komfortzone hängen zu bleiben. „Das Gefühl, wieder auf der Bühne zu stehen?“, überlegt Köster laut und macht eine Pause, als würde sie den Moment gerade noch einmal spüren und seufzt: „Das war einfach su-u-per.“
Waren ihre Antworten vorher eher kurz und knapp, sprudelt es jetzt aus ihr heraus: „Es war einfach toll, zu erleben, dass die Leute mich auch so aufnehmen und über Dinge lachen, die auch wirklich lustig sind – egal, ob man nun gehandicapt ist oder nicht.“ In bester Stand-up-Comedy-Manier hat sie den Titel ihres Programms gewählt: „Sitcom.“ Die Folgen ihres Schlaganfalls macht sie da bewusst nicht zum Thema. Die Leute würden die Veranstaltung ja besuchen, um einen entspannten Abend zu haben – „da kommt es nicht infrage, dass man über Probleme redet. Ich freu mich, wenn die Leute sich freuen.“
Was sie am meisten überrascht hat: Ihr Lampenfieber ist weg. „Man denkt immer, die hat doch ne große Klappe. Die macht das schon“, erzählt sie, „aber ich war immer ein Schisshase und bin vor jedem Auftritt fast gestorben.“ Sie sagt: „Mittlerweile habe ich vor gar nichts Angst. Also, wenn ich irgendwie Angst hätte, könnte ich einpacken. Was soll mir denn noch passieren? Ich hab das Schlimmste hinter mir.“
Wenn einen das alte Leben einholt, hilft es, sich bewusst auf das Hier und Jetzt einzulassen
Im Kern sei sie auch heute noch die „alte Gaby“, ihr Optimismus und Elan hätten ihr dabei geholfen, die schwere Zeit zu überstehen. „Alles, was jetzt passiert, ist halt ’ne neue Gaby. Oder ’ne andere.“ Nur manchmal holt die alte Gaby sie ein. Zum Beispiel, wenn sie abends durchs TV-Programm zappt, und plötzlich bei „Ritas Welt“ landet. Die Hauptrolle als Rita hat ihr gleich mehrere Preise eingebracht. „Das ist wie aus einem anderen Leben“, sagt Köster mit gesenkter Stimme. „Das kann ich nicht gucken. Muss ich auch nicht, weil: Ich war ja dabei. Das tu ich mir nicht an.“ In ihrem entschiedenen Ton schwingt Traurigkeit mit.
Sie hat einen Grundsatz entwickelt, um sich selbst zu schützen: „Alles, was mich unfroh macht, muss weg!“ Über „diesen Drecksschlag“ denke sie eigentlich gar nicht mehr großartig nach. Das sei ja schon lange her. Drehen die Gedanken sich doch einmal darum, überlege sie: „Wie kriege ich es hin, den ganzen Driss wegzubeamen?“ Dabei nimmt sie sich dann auch mal ein Beispiel an ihren Hunden, den „Fellnasen“: „Die sind für mich Buddha. Die leben im Hier und Jetzt, können den Augenblick genießen und überlegen nicht, was morgen ist.“
Die Sorge um die Familie ist größer als die Sorge um sich selbst
Und auch die Zeit mit ihrer Familie – ihrem Sohn Donald und ihrer Mum – lenkt sie ab. „Wir machen es uns schön, so gut es geht“, erzählt Köster. Ihre Mutter werde im November 80. „Sie hat was Besseres verdient, als mir immer helfen zu müssen.“ Das kann sie nicht gut haben. „Dieses ganze Theater mit diesen blöden Umständen und dem ewig neuem Überlegen: Wie mach ich dies, wie mach ich jenes“ – das fällt ihr schwer, aber was das für ihre Familie bedeutet habe, sei viel schlimmer. „Als mein Kind in die Pubertät kam, lag ich im Koma“, sagt Köster. Man spürt, dass es ihr immer noch wehtut, dass ihr Sohn so schnell erwachsen werden musste. Für einen Augenblick ist sie still.
Dann lacht Köster und sagt: „Das Kind pubertierte später noch mal hinterher.“ In ihrem neuen Buch erzählt sie, wie er ihr einmal vorgeworfen habe, dreifach gestraft zu sein: als Scheidungskind, als Sohn eines TV-Promis und einer Mutter mit Schlaganfall. Sie macht Probleme eigentlich am liebsten mit sich selbst aus, aber dieser Ausbruch ihres Sohns habe einiges gelöst. Sie hat sich Sorgen um ihn gemacht, sogar wegen seines Hobbys: argentinischer Tango. „Ich hab gesagt: Schatz, also wenn ich die Mucke pausenlos hören würde, würd’ ich von der Brücke hüpfen.“ Als er vor einiger Zeit neun Monate durch Südamerika gereist ist, war das für Köster ein großer Einschnitt.
Als sie sich verabschiedeten, liefen ihr die Tränen, die seit dem Schlaganfall versiegt waren. „Das war absolut befreiend“, sagt sie. Und: „Man muss gehen lassen können“ – wie eine besorgte Mutter eben klingt, die gleichzeitig glücklich ist, dass ihr Sohn fremde Länder sieht. Am liebsten würde sie selbst fürs Fernsehen ein Reisemagazin machen. Davon hat sie früher schon geträumt, heute wäre das eben: mit dem Rolli um die Welt. „Mein Wille drallt mich nach vorne und allen Unkenrufen zum Trotz weiß ich: Am Ende wird alles jut.“