Steven Lopez kann 14 Instrumente spielen und verbindet Weltmusik mit Mantren und Latin Sounds. Der Singer-Songwriter ist der Star der Yogaszene.
Steven Lopez – der Mantra-Musiker
Steven Lopez besitzt heilende Hände – er hat sich nicht nur selbst beigebracht 14 Instrumente zu spielen, sondern auch eine Ausbildung zum Massage-Therapeuten – und ab Februar 2020 sogar zum Saunameister – abgeschlossen. Wie der dreifache Vater aus Puerto Rico die verschiedenen Puzzleteile seines Lebens verbindet und zu seiner eigenen Stimme als Musiker fand, verrät er im SLOW-Interview…
Auf einem Konzert von Steven Lopez ist alles anders als gewohnt. Er will keine Show abliefern, sondern eine vertraute Atmosphäre schaffen – wie unter Freunden. Die Grenze zwischen Publikum und Band sprengen. Als Zuschauer erwartet man, passiv zuzuhören. Nicht bei Steven Lopez: "Wenn ich Musik mache, möchte ich, dass die Leute mit mir singen." Vor jedem Song erzählt eine Geschichte, um dem Publikum eine Botschaft mitzugeben. Er singt über die Liebe oder über Mutter Erde, Pachamama wie er in Puerto Rico sagen würde. "Denn wenn wir Lieder über die Erde singen, holen wir uns in den gegenwärtigen Moment." Die Gegenwärtigkeit verkörpert Steven Lopez mit seiner ruhigen und gelassenen Ausstrahlung voll und ganz, selbst auf seiner Gitarre klebt ein Sticker mit dem Aufdruck: "You are here", der sofort ins Auge springt. "In dieser Gesellschaft ist alles so schnell und unser Verstand ist immer überall – außer hier. Der Fokus, den ich jetzt habe, ist es, die Menschen in diesen Moment zu bringen."
Mantras können das Herz öffnen und den Geist berühren
Deshalb nennt er seine Musik bewusst "Conscious Music". Weil die Energie, die er in seine Musik steckt, spürbar wird. Musik drückt für ihn aus, was Worte allein nicht sagen können. Darin liegt für ihn die Magie der Mantras. Zum ersten Mal in Kontakt mit Mantras kam er in einer Yogaschule, kurz nachdem er nach Deutschland gezogen war. "Ich war fasziniert, wie einfach diese Kirtan-Musik ist – ein oder zwei Worte, die man wiederholt und danach fühlt man sich wirklich gut." Kirtan-Musik beschreibt das Singen von spirituellen Liedern die aus heiligen Worten, den sogenannten Mantras, bestehen. Auch wenn man sie anfangs nicht versteht, können die Worte das Herz öffnen und den Geist berühren. Schon auf dem Emotion Women’s Day 2019 verzauberte er die TeilnehmerInnen bei einer gemeinsamen Kirtan-Session. Vor Kurzem besuchte er das SLOW-Team und kreierte in der Pause einen Moment der Verbundenheit mit dem Mantra: "Lokah Samastah Sukhino Bhavantu", was übersetzt bedeutet: "Mögen alle Menschen und Lebewesen Glück und Harmonie erfahren".
Musik begleitet Steven Lopez schon sein Leben lang. Aufgewachsen in Puerto Rico spielte Musik in der christlichen Kirche eine wichtige Rolle. Ob Salsa, Reggae oder Rock – alle tanzten, klatschten und sangen Lieder, um ihre Verbundenheit zu Gott auszudrücken. Jeden Tag nach der Schule übte er auf dem E-Piano in der Kirche, weil er selbst kein Keyboard zu Hause hatte, aber anfangs nur für sich selbst. Eines Tages löste sich plötzlich die Band der Kirche auf, sodass es keine Musik mehr in den Gottesdiensten gab. Als damals 11-Jähriger wollte Steven das ändern, sprang über seinen Schatten und stellte sich selbst nach vorne, um vor der Gemeinde zu musizieren. Er versuchte, die Stimmen der Sänger auf dem Klavier zu imitieren. Dabei half ihm ein Freund, der auf der anderen Seite der Kirche stand und ihm per Handzeichen verdeutlichte, ob er höhere oder tiefere Töne spielen sollte. Ton für Ton lernte er die Akkorde, um daraus eine Melodie zu spielen. Und er lernte, dass Musik und Spiritualität eng miteinander verbunden sind.
"Ich habe so viele Dinge in meinem Leben gemacht und in so vielen Jobs gearbeitet, aber die Musik war immer da."
Besonders prägte ihn als Kind und Jugendlicher die Musik von Bob Marley. Aus den Songtexten nahm er mit, dass es immer eine positive Seite gibt, egal was auch im Leben passiert. Er bezeichnete sich früher als schüchtern und ruhig, war lange auf der Suche. "Ich habe so viele Dinge in meinem Leben gemacht und in so vielen Jobs gearbeitet, aber die Musik war immer da." Vor allem die Umwege waren es, wie er sagt, die ihm gezeigt haben, dass seine Liebe zur Musik ein Geschenk ist. Als Soldat in der US-Armee machte er die Erfahrung, welche Stärke in ihm steckte und wie glücklich er sich schätzen konnte, dass er selbst nie in den Krieg musste. Jedes Mal, wenn er an einen neuen Ort versetzt wurde, kamen die anderen Soldaten gerade aus dem Krieg zurück. Nach sechs Jahren in der Armee durfte er gehen. "Manchmal bringt Dich das Leben an verrückte Orte, an denen Du Dinge über Dich entdecken kannst, die Du nie gedacht hättest. Als ich zurückkam, wusste ich, dass ich Menschen helfen und einen Job finden wollte, um Menschen zu verbinden."
"Der Sinn in meinem Leben war es immer, Menschen mit Musik zu berühren."
Als er eines Tages, vor mittlerweile 13 Jahren, in der Zeitung las, dass eine Massageschule eröffnet wurde, bewarb er sich intuitiv auf eine Stelle. Seit seiner ersten Massage war er fasziniert davon, um wie viel mehr es dabei geht als die bloße Berührung mit den Händen. "Mir wurde klar, wie viel man lernen kann, wenn man Menschen berührt. Es ist, als ob man die Emotionen fühlen kann. Man spürt fast, was die Menschen brauchen. Manchmal sagen sie, sie brauchen eine Massage, aber eigentlich brauchen sie nur jemanden in der Nähe." Die Musik hat seine Hände empfindlicher gemacht, glaubt Steven Lopez. Musik und Massage haben für ihn viel gemeinsam, er improvisiert mit den Emotionen und berührt die Herzen. Manchmal kombiniert er seine Fähigkeiten und spielt nach einer Massage noch einen Song mit der Gitarre. "Der Sinn in meinem Leben war es immer, Menschen mit Musik zu berühren."
Dass Musik auch ohne Worte und in jeder Sprache wirken kann, hat der Musiker bereits als Kind gelernt. Die puerto-ricanischen Wurzeln und interkulturellen Erfahrungen erlauben ihm, auf Spanisch, Englisch, in Sanskrit und Deutsch zu singen. Dabei fiel es ihm lange schwer, seine eigene Sprache als Musiker zu finden. Ihm war es nie wichtig im Vordergrund zu stehen und Hauptsänger zu sein. Er sang im Chor und spielte in Bands, brachte sich neue Instrumente bei, aber wusste nicht, was ihn ausmachte. Als er nach Deutschland zog, wollte er mehr singen, also fing er an, Sänger mit der gleichen Stimmlage zu imitieren. Während er die Instrumente frei und nicht nach Noten spielte, schränkte er sich beim Singen genau damit ein. Auch wenn er die Noten traf, war er nicht zufrieden und fühlte eine innere Leere. "Ich vermisste mein wahres Selbst und fand meine eigene Stimme nicht." Bis zu dem Moment, an dem sich alles änderte.
"Die Gesellschaft sollte zusammenarbeiten statt in einem Wettbewerb darüber zu sein, wer dieses oder jenes hat."
Er war zum ersten Mal in Berlin und wurde eingeladen, auf dem Berliner Yoga Festival zu spielen. Bei einer offenen Jam-Session am Lagerfeuer forderte ihn plötzlich ein Freund auf, Mantras mit lateinamerikanischer Musik zu spielen. Das hatte er noch nie gemacht, also ergriff er seine Gitarre und spielte ein paar Salsa-Rhythmen. Er stimmte das Mantra "Om Namah Shivaya" ("Alles, was du bist und hast, ist gut – so, wie es ist") an und es dauerte nicht lange, bis die Gruppe um das Lagerfeuer herum gemeinsam musizierte. "Wenn Du ein Mantra singst, führt es dich tief ins Innere hinein. Aber wenn Du es mit lateinamerikanischer Musik kombinierst, nimmt es Dich gleichzeitig mit nach außen und der Geist geht in Urlaub." Durch die Kombination aus Mantras und lateinamerikanischer Musik begann Steven Lopez, seine eigene Stimme zu entdecken, weil er die Verbindung zur Musik seiner Kindheit spüren konnte. Die verschiedenen Puzzleteile seines Lebens ergaben plötzlich ein größeres Bild.
"Ich bin mit der Idee aufgewachsen, dass die Gesellschaft zusammenarbeiten sollte statt in einem Wettbewerb darüber zu sein, wer dieses oder jenes hat." Die ersten Jahre in Deutschland waren deshalb sehr anstrengend für ihn, erzählt er. Die Schnelligkeit überforderte ihn, die Anonymität in der Nachbarschaft machte ihn stutzig und er fragte sich, wo er in der ganzen Unruhe Platz finden würde. Er stellt sich vor, in einer Menschenmasse still zu stehen – nur er und seine Gitarre in der Hand. Würde jemand anhalten und ihn bemerken? "Wenn man einen Moment Zeit hat, Fremde zusammenzubringen, ist Musik dafür der beste Weg." Auf seinen Konzerten möchte er einen Raum öffnen, in dem Menschen innehalten und sich begegnen können. Weil er selbst Momente kennt, in denen er sich besonderes einsam gefühlt hat.
So wichtig ist körperliche Nähe
"Ich denke, wir als Menschen müssen wieder mehr miteinander in Kontakt treten. Was ist das Erste, was Du tust, wenn ein Freund traurig ist? Du nimmst seine Hand oder berührst seine Schulter. Unser Körper reagiert. Wenn wir einander berühren, gibt unser Körper Hormone zur Entspannung frei. Deshalb fühlen sich so viele Menschen allein, leer und traurig. Vielleicht sind sie in einer Beziehung, haben einen Job und ein Haus, aber sie vermissen das nötige Bedürfnis, einander nah zu sein. Je näher wir sind, desto besser leben wir. Berühren liegt in unserem Instinkt. Und Musik in unserem Blut."
Bisher haben die Konzerte von Steven Lopez hauptsächlich in Yoga-Studios stattgefunden, aber er ist offen dafür, die Musik mit dem zu verbinden, was ihm in den Weg kommt. Nichts hält ihn davon ab, seine Instrumente mitzubringen. Noch nicht mal unerträgliche Hitze. In seinem neuesten Job als Saunameister gibt er sogar musikalische Aufgüsse. "Ich möchte überall spielen, wo es möglich ist." Wer Steven Lopez live erleben und sich von seiner Musik verzaubern lassen will, kann sich also auf eine Überraschung gefasst machen – ob bei einer Massage, in der Sauna oder mit seiner Band Ocama in einem Yoga-Café. Der Name Ocama bedeutet "Hör mal zu" in der Sprache der Ureinwohner der Karaibik. Gemeinsam mit seinem Freund Camilo gründete er Ocama. "Wenn wir zusammen spielen, liegt der Hauptfokus darauf, auf die Stimme im Inneren zu hören."
Auf www.stevenlopezmusic.com kann man Konzerte, Gitarrenunterricht und Massagen von Steven Lopez buchen.