Erfolgsdruck und toxische Männlichkeit dominieren die Fußballwelt. Wie man da rauskommt, haben wir Ex-BVB-Star Neven Subotić gefragt.
Es passt zu unserem Gesprächsthema, dass Neven Subotićs Biografie, die im Juni 2022 erschien, "Alles geben" heißt. Denn als wir uns über Zoom treffen, soll es darum gehen, wie man im Männerfußball Schwäche zeigt. Oder eher: Warum man als Profifußballer keine Schwäche zeigen darf. Was passiert, wenn man alles gibt – und immer noch das Gefühl hat, nicht gut genug zu sein?
Jeder Fehler tut weh
Neven Subotić weiß, was Erfolgsdruck bedeutet. Mit 19 Jahren war er als Verteidiger in der Startelf beim Bundesligisten Borussia Dortmund gesetzt. Ziemlich jung für so eine Position – und so viel Verantwortung. Als er 22 war, wurde er zum ersten Mal Meister, die Erwartungen stiegen. "Am Anfang dachte ich bei jedem Fehler, den ich gemacht habe: Das ist das Ende. Gefühlt erschießen die mich gleich, weil es um so viel geht. Vielleicht tue ich denen einen Gefallen und erschieße mich selbst, dann müssen die es nicht machen." Harte Worte, die tief blicken lassen.
Wenn jeder Fehler noch 80-mal im Fernsehen gezeigt wird, zig Experten erklären, wie man es hätte besser machen können, Hunderttausende darauf setzen, dass du deinen Job gut machst, alles vor dem Hintergrund eines Millionen-Business – das macht was mit einem. "Es war ein Prozess, aber mit der Zeit habe ich gelernt, dass es eben kein Weltuntergang ist, wenn ich mal einen Fehler mache", sagt Neven Subotić.
Toxische Fußballwelt
Aber was, wenn diese Einsicht nicht kommt? Darüber schrieb Per Mertesacker 2018 im "Spiegel". Bei der WM 2006 habe der ehemalige Nationalspieler vor wichtigen Spielen unter Brechreiz und Durchfall gelitten, weil der Druck so auf ihm gelastet habe. Die Reaktionen auf seinen Artikel waren bezeichnend: "Er soll sich nicht so anstellen", waren sich Fußball-Koryphäen wie Lothar Matthäus oder Reiner Calmund einig. Noch immer sprechen zu wenige, wie zuletzt Oliver Kahn, über die psychischen Auswirkungen, die der Erfolgsdruck auf sie hat.
Für Neven Subotić ein weiteres Zeichen dafür, dass mehr Raum geschaffen werden müsse, in dem vermeintliche Schwäche zugelassen werden kann. "Es haben leider immer noch Männer das Sagen, die nicht denken, bevor sie sprechen. Das darf kein Vorbild sein", findet der 34-Jährige. Auch er hat mitbekommen, wie Kollegen mit dieser Last zu kämpfen hatten. "Man versucht dann, den Spieler aufzumuntern, aber das hilft natürlich nur bedingt."
Schnelle Autos, schöne Frauen, viel Geld
Vor allem, da im schnelllebigen Fußball-Alltag kaum Zeit für ernste Gespräche ist. Es gehe eher um Spaß und Oberflächlichkeiten, sagt Neven Subotić. "Man rutscht ganz schnell rein in diese Gruppendynamik, diesen Lifestyle." Was er damit meint? Schnelle Autos, schöne Frauen, viel Geld. Der gebürtige Serbe lebte das Klischee, zumindest zu Beginn seiner Karriere. "Ich habe Aufmerksamkeit von Frauen bekommen, aber die war natürlich auch gekoppelt an die Tatsache, dass ich Fußballer war. Trotzdem bildet man sich ein, ganz toll zu sein." Eine Beziehung auf Augenhöhe ist so kaum möglich. Heute ist er fest liiert und steckt sein Geld in seine Stiftung.
In seinem Buch hinterfragt er die Strukturen des Fußball-Business – und auch sein eigenes Verhalten. Das Bild des selbstsicheren Macho-Fußballprofis sei einer der Faktoren, wieso mentale Gesundheit in dieser Welt ein Tabuthema ist, sagt Neven Subotić. Ob das auch einer der Gründe ist, wieso es so wenige Fußballer gibt, die sich als homosexuell outen? Fehlt der Safe Space, in dem sich Spieler trauen, sie selbst zu sein? Da wird er nachdenklich. "Ich glaube, das sind zwei unterschiedliche Paar Schuhe." Man könne als Gesellschaft nicht mehr tun, als alle willkommen zu heißen, unabhängig von ihrer Sexualität.
Neven Subotić hat seine Fußballkarriere mittlerweile beendet und nutzt seine Prominenz, um Gutes zu tun. Druck spürt er nur noch, wenn er sich selbst Ziele setzt. Es sei ein positiver Druck, sagt er.
Dieser Artikel erschien zuerst in der EMOTION 03/23.
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