Wie geht eine Mayrkur? Mode-Beauty-Chefin Betty hat's ausprobiert und berichtet vom Fasten am Wörthersee.
Fasten nach F.X. Mayr: Eine Woche am Wörthersee
Fasten! Das klang für mich immer nur nach knurrendem Magen und Verzicht. Dass ich mich, die eher nach dem Prinzip "Alles in Maßen und manchmal auch etwas mehr" lebt, auf diese Reise begebe, verwirrt durchaus Menschen in meinem Umfeld. Aber ich bin reif dafür, denn der Spagat zwischen Job & Familie ist tough und ich habe zu oft das Gefühl, auf der Strecke zu bleiben. Mein Stoffwechsel könnte besser sein, ebenso die Verdauung. Hallo ihr neuen Kilos! Es ist also an der Zeit, mal was Neues auszuprobieren. Beziehungsweise was ziemlich Altes.
Denn die Mayrmedizin, der ich mich widmen will, basiert auf den Grundlagen von F.X. Mayr, einem österreichischen Mediziner, der bereits Anfang des 20. Jahrhunderts herausfand, dass unser Darm viel mehr ist als nur ein Transportweg für den Nahrungsabfall.
Also reise ich zu Dr. Stossier ins Vivamayr an den Wörthersee, um eine einwöchige Mayrkur anzutreten. Vor mir liegt eine Woche voller neuer wie spannender Erkenntnisse über mich und meinen Körper.
Sonntag Abend, Anreise:
Vom Flughafen Klagenfurt sind es nur 20 Minuten, der See liegt schläfrig an der Straße und und an der Nordseite zuckelt die Eisenbahn. Die Kurklinik erinnert eher an ein Hotel, aber schließlich kurt man hier auf Top-Niveau. Von meinem Zimmer habe ich einen herrlichen Blick auf den See, aber das Tollste ist: Ich habe eine Geberit Toilette mit Duschfunktion – das wollte ich schon immer mal ausprobieren. Bereits beim Check-in werde ich darauf aufmerksam gemacht, dass ich bis spätestens 19.00 Uhr im Speisesaal zu sein hätte, denn die Essenszeiten sind strikt einzuhalten. Ok, kein Problem.
Christine, die äußerst charmante Restaurantleitung, zeigt mir meinen Tisch für die nächsten sechs Tage. Und weist mich sanft darauf hin, dass hier weder Mobiltelefone, Zeitungen oder Bücher erwünscht sind. Schließlich sind wie hier, um bewusst und ohne Ablenkung zu essen. Zum Abendessen darf ich mir heute noch zwei Beilagen aussuchen und einen Kautrainer, dazu noch ein wenig Leinöl.
Kau-Trainer? So heißt hier das Brot. Man bekommt wahlweise einen Dinkel- Buchweizen oder Sojafladen oder Mais- bzw. Quinoakräcker – auch hier geht man mit dem Trend zu neuen Sorten. Die Beilagen sind würzige, selbstverständlich selbst zubereitete Aufstriche, die aus Avocado, Kürbis, Schafsquark und vielem anderen bestehen und mit Kräutern garniert sind. Für den Anfang nicht schlecht. Satt und zufrieden gehe ich, wie alle anderen Gäste, mit einer Kanne Tee ins Zimmer und um 21.00 Uhr ins Bett.
Montag:
Ausgeschlafen starte ich den Tag mit Bittersalz. Schmeckt schrecklich – aber was muss, das muss. Es zeigt auch relativ schnell seine durchschlagende Wirkung. Mein Darm rumort wie ein Kraftwerk. Nun weiß ich auch, warum man hier ein Hightech-Klo eingebaut hat. Danach soll ich 10 Minuten lang ein "Mundzieh-Öl" von rechts nach links bewegen. Das bindet Bakterien, reinigt und desinfiziert die Mundflora. (Ganz wichtig: ins Klo und nicht ins Waschbecken spucken.) Während ich das Öl von rechts nach links ziehe, mache ich eine Trockenbürstenmassage, um den Lymphfluss anzuregen. Danach duschen, eincremen, Zähne putzen, eine Tasse Tee trinken und gemütlich zum Frühstück gehen. Und dabei feststellen, dass ich die Morgengymnastik verpasst habe. Ups!
Zum Frühstück gibt es wieder den Kautrainer nach Wunsch plus eine Eiweißbeilage, z.B. geräucherten Lachs, Saiblingsfilet, Putenbrust, Ei, oder frische Avocado oder oder oder ... Fasten habe ich mir schlimmer vorgestellt.
Danach treffe ich Dr. Zancolo, denn hier geht es schließlich nicht um Diät, sondern um eine gezielte bewusste Ernährung und einen gesunden Darm. Dafür wird das Blut bis ins kleinste Detail untersucht. Ich hatte praktischerweise bereits meine Ergebnisse vom Hausarzt mitgebracht, so dass wir bereits eine gute Grundlage hatten. Auch der manuelle Test auf Unverträglichkeiten wie z.B. Lactose, Fructose, Histamin und Co. fällt zum Glück negativ aus.
Anhand der Werte und meines Zielwunsches beginne ich ab sofort mit der strengen Kur (man kann sich aber auch für eine moderate Version entscheiden), denn ich möchte ja gerne auch das ein oder andere Kilo verlieren.
Sprich, mein Ernährungsplan für die nächsten 5 Tage sieht folgendes vor:
- Morgens : Kautrainer plus eine Eiweißbeilage
- Mittags: basische Gemüsesuppe plus Kautrainer
- Abends: Brühe plus Gemüsechips als Kautrainer, allerdings nicht die leckeren salzigen frittierten aus der Tüte, sondern pur getrocknete Gemüsestreifen (Karotte, rote Beete, Süßkartoffel, Zucchini, Sellerie...)
Dazu verordnet er mir
- 4x täglich Basenpuler – wegen der Übersäuerung (Stress, Ernährung)
- Bittertropfen 3xtäglich vor den Mahlzeiten, wegen der Galle und besseren Verträglichkeit
Plus diverse Anwendungen:
- Entschlackende Fußbäder mit Salzen und Strom.
- Lymphdrainage für mein vom Skiunfall lädiertes Knie (Kreuzband, Innenband- und Meniskusriss)
- Unterwasserfahrrad – für mein Knie.
- Papimi Ionentheraphie – ebenfalls für mein Knie – die den Wundheilungsprozess im Knie beschleunigen soll.
- Ernährungsberatung bei der Köchin Emanuela Fischer.
- Ostheopathie, damit meine einseitige Körperstellung wieder ins Lot kommt.
- Hydrotheraphie – eine sensationelle Wanne mit Düsen, die nur im Entferntesten was mit einem Jacuzzi zu tun hat.
- Eine Infusion, die die Nebenniere anregen soll.
- Eine Infusion mit Mineralien und Vitaminen.
- Plus die tägliche Bauchbehandlung durch Dr. Zancolo.
- Sanftes Yoga das mein Knie nicht belastet.
Danach spüre ich eine leichte Überforderung. Irgendwie ist der Kopf leer und mein Plan voll. Deshalb gehe ich abends vor dem Essen noch mal zur Entspannung in die Sauna.
Die darauf folgende Gemüsebrühe ist mit ein paar wenigen Gemüsewürfeln garniert und sollte mit einem Teelöffel gegessen werden – für die Langsamkeit. Ich trinke sie rebellisch trotzdem aus der Tasse und kaue danach sehr laaangsam an den getrockneten Gemüsechips, denn die Verdauung fängt ja bereits im Mund an.
Es folgt die obligatorische Kanne Tee und ab aufs Zimmer – Zeit für einen Leberwickel.
Wie der geht? Einfach ein feuchtes Tuch auf die Leber und die Wärmflasche drauf. Dazu gibt es eine Folge von „The marvelous Mrs. Meisel“, meiner aktuellen Lieblingsserie.
Fasten im Vivamayr – Bettys Fototagebuch
Dienstag
Die Nacht ist ein wenig unruhig. Ich habe das Gefühl, mein ganzer Körper arbeitet. Aber Hunger habe ich gar keinen.
Der Morgen beginnt mit dem gleichen Ritual wie an Tag Eins: Mit Glaubersalz und Basenpulver, gefolgt von einer Tasse Tee. Die Zeit vergeht schnell, schließlich habe ich ja Termine und strukturierte Essenszeiten. Dazu keinerlei Ablenkung, denn ich kure ja allein und das Mobiltelefon ist auf stumm gestellt.
Während ich zum Mittagessen eine undefinierbare Gemüsesuppe löffle, fein püriert aus nicht blähendem und leicht verdaulichem Gemüse (Karotte, Pastinake, Kohlrabi) die mit einem Schuss Leinöl (fürs Herz und den Cholesterinspiegel) und ein wenig Steinsalz (milder und weniger belastet als Meersalz – kein Mikroplastik!), die erstaunlich gut schmeckt, habe ich Zeit, meine Mitstreiter im Raum zu beobachten. Hinten links sitzt unter anderem ein sich (dank ärztlicher Nachhilfe) sehr ähnlich sehendes Mutter-Tochter-Gespann aus einem arabischen Land. Rechts von mir ein 80-jähriger Österreicher, der einmal im Jahr kommt und links von mir eine junge Anwältin aus Wien. Diese bunte Truppe zwischen 18-90 Jahren sitzt nun für den Rest der Woche zusammen im Speisesaal und kaut munter vor sich hin. Zuprosten fällt aus, denn hier gibt es noch nicht einmal Wasser zum Essen, da sich die Magensäfte unverdünnt an die Verdauung machen sollen.
Am Nachmittag habe ich eine großartige Osteopathie-Anwendung und will gar nicht mehr von der Liege aufstehen. Da die Sonne scheint, ziehe ich mit einem Buch und einer Kanne Tee auf den Steg am See. Auch das gehört zum "mayrn": die Ruhe genießen. Aus diesem Grund gibt es auch in der ganzen Anlage keine Musik oder sonstige Beschallung. Für manche Gäste ist die Ruhe schwer zu ertragen, gerade wenn sie aus einer pulsierenden Großstadt kommen – so wie Andrew, der mit seiner in Tel Aviv lebenden Tochter hier seine Zeit verbringt.
Mittwoch:
Die Nacht war wieder unruhiger als ich gedacht habe, denn eigentlich schlafe ich wie ein Stein. Doch hier wache ich regelmäßig auf, nicht weil ich von dem ganzen Tee pinkeln muss, eher weil ich unruhig bin. Aber man klärt mich auf: Die Unruhe gehört zum Fasten dazu, denn Körper und Geist stellen sich auf die neue Ernährung ein. Zum Glück steht heute nach der Morgenroutine eine Yogastunde an. Der Fitnessraum liegt direkt am See und da die Sonne schon ein wenig Kraft hat, gehen wir für die Atemübungen auf den Steg. Schöner kann ein Tag nicht beginnen. Danach geht’s zum Frühstück. Mein neues Lieblingsgericht? Marinierter Saibling mit einem Sojakringel und Leinöl mit Steinsalz. Köstlich! Danach geht es zur Bauchbehandlung, Dr. Zancolo ist mehr als zufrieden. Und ich auch, denn das Glaubersalz und die wenige, gesunde und regelmäßige Kost zeigen deutlich ihre Wirkung.
Donnerstag:
Endlich schlafe ich wieder besser und starte frisch in den Tag. Ich finde meine Haut sah’ nie besser aus und mein Blick ist wacher und klarer. Kein Wunder bei einer so gesunden, basischen Kost mit viel Wasser und Tee. Ich frage mich nur, ob ich das auch im stressigen Alltag hinbekommen kann ...
Der Donnerstag vergeht wie im Flug, denn nach und nach kommt man an der Teebar ins Gespräch. Zum Beispiel mit dem charmanten Andrew, der ein Hausboot in London vermietet und zusammen mit seiner Tochter Rosannah (die als Yogalehrerin in Tel Aviv lebt) hier ist.
Mit der lebenslustigen Reyhan aus Istanbul, die die Textilfabrik ihrer Familie leitet und von ihrer Mutter begleitet wird. Oder mit dem geselligen Uli aus München, der als Top-Gastronom europaweit luxuriöse Events verköstigt und auch hier sein Gastgeber-Gen nicht ablegt. Eine bunte Truppe, die eins gemeinsam hat: nachhaltig ihrem Körper etwas Gutes zu tun, um hoffentlich das ein oder andere in den späteren Alltag zu integrieren.
Freitag:
Heute höre ich zum ersten Mal, dass ich im Gesicht schmaler aussehe, und die Augen größer wirken und mehr leuchten. Es freut mich sehr, dass scheinbar auch andere bemerken, was ich im Spiegel sehe. Fast genauso wie es mich freut, ab morgen Mittag auf normales Essen umzustellen. Denn dann kann ich endlich die großartige Küche von Emanuela Fischer genießen, die ich bisher nur am Nebentisch bestaunen durfte. Die Tage sind wie im Flug vergangen, mein Knie hat sich dank der Therapien sehr gut erholt und ich fliege ohne Krücken zurück. Im Interview mit der Küchenchefin erfahre ich, dass eine basische Küche auf Trennkostbasis (abends!) für mich perfekt ist. Sprich eine Pasta ist durchaus erlaubt, aber dann ohne tierische Zutaten (dazu gehört leider auch Parmesan!) aber dann und wann ein Glas Wein schadet auch nicht und gilt nicht als Flüssigkeit, denn dieser muss wie Nahrung ebenfalls verstoffwechselt werden.
Meine to do Liste für zu Hause sieht folgendes vor:
- Zwischen den Mahlzeiten trinken – und nicht dazu!
- Nur 3 Mahlzeiten pro Tag – keine Zwischensnacks.
- Keine Rohkost nach 16:00 – denn die kann der Körper schlecht verstoffwechseln und bildet alkoholische Gase im Darm, die den Blutdruck erhöhen können!
- Zwei Tage pro Woche intervallfasten und damit auf meinen geliebten italienischen Kaffee mit Milch verzichten (klappt prima!).
- Kleinere Mahlzeiten und aufhören zu essen, wenn ich satt bin – auch wenn es noch so lecker schmeckt.
Klingt gar nicht so schlimm und klappt bisher auch ganz gut, mal mehr mal weniger ;-)
Aber das Wichtigste: Nächstes Jahr komme ich wieder. Versprochen!