Unfreiwillig mit anhören zu müssen, wie die Tochter vor Lust stöhnt, ist eine Herausforderung. Nicht zuletzt, weil es das eigene Sexleben ganz schön alt aussehen lässt.
Hilfe, meine Tochter hat Sex!
Als ich in der 6. Klasse war, sprühten ein paar Rowdys den Spruch "Vögeln ist besser als turnen" an die Turnhalle meiner Schule. "Was heißt eigentlich vögeln?", fragte ich zu Hause. Wie lange das her ist, erkennt man schon daran, dass meine Mutter ausweichend antwortete: "Keine Ahnung, hat vielleicht was mit Tierschutz zu tun" und ich mich damit zufrieden gab.
Sex-Gespräche mit der Mutter
Nur ein einziges Mal habe ich mit meiner Mutter, die im Übrigen nur 21 Jahre älter ist als ich, wirklich über Sex geredet. "Wie viele waren es denn bis jetzt?", fragte sie mich sorgenvoll, als ich 18 war. Und ich, im selben "Wie gut, dass ich nicht so spießig wie die Alte bin"-Größenwahn, in dem sich jetzt vermutlich meine 23-jährige Tochter befindet, erwiderte nur: "Nicht viel, nur drei." Woraufhin sie etwas spitz murmelte: "Männer mögen keine abgetretenen Fußmatten." Und ich trotzig zurückgab: "Und Frauen keine abgelutschten Lollis." Danach haben wir, und das war gut so, das Thema Sex nie wieder gestreift. Seit meine eigene Tochter im gebärfähigen Alter ist – seit etwa zehn Jahren also –, weiß ich, dass sie sich nichts weniger vorstellen möchte als ihre alte Mutter beim Geschlechtsakt. Selbst leicht anzügliche Witze wie "Sitzt eine Blondine auf der Heizung ..." findet sie bei mir einfach nur "Mama, bitte!".
Das 1. Mal der kleinen Prinzessin - seltsam für die Mutter
Umgekehrt gilt dasselbe: Ich erinnere mich noch gut an ihren ersten "Übernachtungsbesuch". Sie war 16, mein Mann und ich hatten uns, sehr zögerlich, zu einer Erlaubnis durchgerungen. Und dann lagen wir, die alten Eltern im Bett, mit einem Buch vor der Lesebrille, und lauschten auf
ungewohnte Geräusche. Aber es war still hinter der Tür unserer kleinen Prinzessin, verdächtig still. "Die Vorstellung macht mich wahnsinnig", seufzte mein Mann. "Zu spät", sagte ich, "außerdem warst du bei deinem ersten Mal erst 15. Und sag jetzt nicht, das sei etwas völlig anderes."
Es wurde eine sehr unterschiedlich unruhige Nacht in beiden Zimmern. Ja, es ist ein zweischneidiges Schwert mit der Sexualität, besonders wenn sie beim einen kommt und beim anderen, na ja, nicht gerade geht, aber jedenfalls nicht mehr das glänzende neue Spielzeug ist. Auch oder gerade, wenn man sich als Mutter für cool und aufgeschlossen hält. Die Tochter zum Gynäkologen seines Vertrauens schickt. Immer mal wieder ein "Mit mir kannst du über alles reden" fallen lässt. Aber hört man tief in sein Mutterherz hinein, möchte man am liebsten gar nichts wissen. Eine Freundin von mir hatte ihren Mann zu einem kleinen Nachmittagsnümmerchen überredet, gerade sollte es losgehen, als es im Nebenzimmer sehr akustisch zur Sache ging. "Ich hatte vergessen, dass mein Sohn zu Hause war", sagt sie, "und seine Sexgeräusche waren so, dass mir meine eigenen auf einmal richtig alt vorkamen."
Kinder gehen offen mit Sex um
Das sind einfach die Momente, wo man sich als Mutter plötzlich wie Oma fühlt. Denn im Gegensatz zu uns haben unsere Kinder oft kein Problem damit, uns an ihrem Sexualleben teilnehmen zu lassen. "Mami, ich kann jetzt nicht, ich habe gerade Sex", entschuldigte sich kürzlich die Tochter meiner anderen Freundin am Telefon, "ich ruf in fünf Minuten zurück." Das tat sie auch. "Schockiert?", fragte sie. Ja, dachte ihre Mutter. "Ach was", sagte sie. Es hätte schlimmer kommen können.
Lustkiller Stress - hier erfahren Sie, warum es manchmal klug ist, die Lust zu vergessen.
Evelyn Holst ist Expertin für Klartext. Und für Humor (hat viel davon), Familie (hat selbst eine) und Frauen (ist ja eine). Ihr Lebensmotto: Es gibt keinen Grund zum Jammern. Es sei denn...