Wieso sich auf eine neue Serie einlassen, wenn man auch immer wieder in vertraute fiktive Welten eintauchen kann? Diese Frage stellt sich unsere Kollegin und merkt: Sie ist nicht die einzige in der Redaktion, die dieselben Lieblingsserien in Dauerschleife schaut.
Hört sich erst mal komisch an, aber: Meine Lieblingsserie ist für mich wie ein Verflossener, dem ich noch immer hinterhertrauere. Sobald ich mich in eine Serie, äh, verguckt habe, fühlt es sich für mich fast wie Liebeskummer an, wenn ich sie zu Ende geschaut habe. Denn dann muss ich mich von den Charakteren trennen, die ich in den letzten Tagen/Wochen/Monaten so sehr lieben gelernt habe.
Man sollte meinen, der beste Weg, um über diese Art von "Break-up" hinwegzukommen, wäre, sich mit einer anderen Serie zu trösten. Aber nein, auch da ist es wie mit dem schmerzlich vermissten Ex: Keine Serie scheint mir so gut wie die, von der ich mich gerade getrennt habe. Ich sträube mich regelrecht davor, mir die angesagtesten Netflix- oder Amazon-Neuheiten anzugucken, einfach nur, weil ich davon überzeugt bin, dass nichts an meine Comfort-Sendungen herankommt!
Das Phänomen "Comfort Binge"
Das Resultat: Ich schaue immer nur dieselben Serien. Wieder und wieder und wieder. Ich kenne manche Serien so gut und auswendig, dass ich mir einen Shuffle-Modus auf Netflix wünsche, damit ich nicht selbst auswählen muss, welche Folge ich als nächstes schaue. Nun ja, immerhin ist das nicht so toxisch, wie wenn man immer wieder zum Ex zurückkehrt…
Ständig dieselben Serien zu rewatchen ist ein bekanntes Phänomen, das sich auch meine Kollegin Laura schon mal angeschaut hat – und das einen Namen hat: "Comfort Binge". Oder, wie ich es liebevoll nenne: der "Friends"-Effekt. Denn, ganz ehrlich, wer hat diese rewatchable Sitcom nicht schon zehn Mal gesehen?
Mein Safe Space
Zusammengefasst geht es beim Comfort Bingeing jedenfalls um unkomplizierte Unterhaltung mit vertrautem Wohlfühlfaktor, der dadurch entsteht, dass man schon eine Bindung zu den Charakteren aufgebaut hat. Aber für mich steckt noch viel mehr dahinter! Ich bin ein Mensch, der gerne weiß, was ihn erwartet. Und bei meinen Lieblingsserien weiß ich, dass sie mich nie enttäuschen und mich immer gut unterhalten. Ich muss mich nicht auf etwas Neues einlassen, bei dem die Gefahr besteht, dass es mir nicht gefällt. Irgendwie muss man ja auch mehr Energie investieren, wenn man sich in eine neue Geschichte hineindenkt – oder einen neuen Menschen kennengelernt, um mal beim Dating-Vergleich vom Beginn des Textes zu bleiben.
Dazu kommt die überwältigende Streaming-Auswahl. Wie oft es mir schon passiert ist, dass ich gefühlt stundenlang die Netflix-Startseite angestarrt habe und dann doch nicht wusste, was ich schauen soll. Auf meiner Watchlist stehen so viele Serien, die ich "auf jeden Fall noch gucken muss", dass ich mich am Ende doch wieder dabei erwische, wie ich mir meine Lieblingsfolge von "One Tree Hill" reinziehe (für alle, die interessiert, welche: Staffel 3, Folge 13. Lucas und Brooke haben viel besser zusammengepasst, keine Diskussion nötig!).
Komfort ist schön und gut, aber wie beim Dating (letzter Vergleich, versprochen!) muss man auch mal aus seiner Komfortzone raus, um eine neue Liebe/Lieblingsserie zu finden. Manchmal ist man aber eben noch nicht bereit dazu. Und bis es so weit ist, schauen wir einfach weiter unsere Lieblingsserien. Hier sind ein paar davon:
"One Tree Hill"
"One Tree Hill" ist fester Bestandteil meiner Zu-Bett-Geh-Routine: Jeden Abend schaue ich mir eine Folge an. Ich brauche das vertraute Geräusch eben einfach zum Einschlafen! Generell unterhält mich das Teenie-Drama auch nach dem zwanzigsten Mal Bingewatchen – obwohl ich die Dialoge mittlerweile quasi mitsprechen kann. Warum, kann ich selbst nicht genau sagen. Eins der bekanntesten Zitate aus der Serie drückt es vielleicht am besten aus: "There's only one Tree Hill. And it's your home." Hach…
Selina Jüngling, Junior-Redakteurin (Crossmedia)
"Grey's Anatomy"
Ich habe meine Lieblingsserien alle auf DVD, weil ich bei dem häufigen Wechsel von Streaming-Diensten Angst habe, dass es sie dort irgendwann nicht mehr gibt. Dazu gehören: "Sex and the City", "Grey's Anatomy", "The Vampire Diaries". Die schaue ich rauf und runter und in Dauerschleife, manchmal auch ganz bestimmte Folgen, weil ich bestimmte Momente noch einmal miterleben möchte. Ich weiß nicht, wie oft ich die Szene in "Grey's Anatomy" gesehen habe, in der Derek das Bett im Schlafzimmer dreht, und einfach mit Edding einen Tumor an die Wand malt, an dem er als Chirurg gerade verzweifelt. Meine absolute Lieblingsszene in all den Staffeln!
Merle Schüning, Junior-Redakteurin (Crossmedia)
"Sex and the City"
Zeig mir ein Outfit von Carrie Bradshaw und ich sage dir, welche Folge es ist. Im Ernst: Ich bin riesengroßes Fangirl (ja, manche Szenen sind inzwischen out-dated und der Cast ist alles andere als divers, aber im Kontext der Zeit schreit die Serie nach sexueller Selbstbestimmung der Frau – and so do I!) Egal wo ich bin, sobald ich die Serie starte, fühle ich mich Zuhause. Außerdem inspiriert mich der schier unendliche Fundus an Outfits. Denn genau wie Carrie liebe ich Mode, Sex und Metropolen und to be honest: Sie ist wahrscheinlich nicht gänzlich unbeteiligt daran, dass ich Journalistin geworden bin!
Sarah Kessler, Volontärin
"This Is Us", "Modern Family"
"This Is Us" geht einfach immer – weil die Serie, die eine Familie durch mehrere Generationen begleitet, so wunderbar emotional, lustig und eine Art Projektionsfläche für viele, viele Familiensituationen ist. Dasselbe gilt für die Mockumentary "Modern Family", deren Macher das Wechselspiel aus Humor und Emotionalität nahezu perfektioniert haben. Weil beide Serien für mein Empfinden einfach viel zu wenige Staffeln haben, sind sie zu meinen zigfach wiederholten und heißgeliebten Comfort Binges geworden. Vielleicht liegt es ja daran, dass mich und meine Familie mehr als 1000 Kilometer trennen – man sagt ja, dass die Themen der eigenen Lieblingsserien die Dinge offenbaren, die man in seinem Leben vermisst.
Anna Dunst, Redakteurin (Digitalredaktion)
"Friends"
Ich weiß, ich weiß, ich entspreche absolut dem Klischee. Aber die Friends sind einfach meine Freund:innen. Die alte lila gestrichene New Yorker Wohnung in gewisser Weise auch mein Zuhause. So problematisch und diskriminierend ich so einige Themen, Dialoge und Charaktere (Ross – hallo?) heute auch finde, so herzhaft kann ich doch immer noch über manche Szenen lachen. Obwohl ich sie alle mitsprechen kann. Ich muss schon gar nicht mehr hingucken, um genau zu wissen, was passiert und welche Outfits die Charaktere gerade tragen. Ich lasse mich beim Kochen davon berieseln, schaue sie beim Bügeln oder beim Putzen oder (ja, ich habe einen leichten Hang zum Pathos) wenn ich nach einem Urlaub nach Hause komme und traurigerweise meinen Koffer wieder auspacken muss. Meine absoluten Lieblingsfolgen sind die, in der Ross zu einem Event muss und niemand fertig ist ("I got the hummus!"), und die, in der Monica und Chandler ihre Beziehung verheimlichen und sich mit Phoebe einen kleinen Scherz erlauben. If you know, you know. Beziehungsweise: "They don’t know that we know they know we know."
Lea Birke, Managing Editor (Digitalredaktion)
Mehr Themen: