Das Sprachförderprojekt MITsprache zu unterstützen, ist für EMOTION eine Herzensangelegenheit. Denn sprachlos in der Fremde zu sein, das kennt auch Chefredakteurin Katarzyna Mol-Wolf.
An die ersten Tage in Deutschland erinnere ich mich noch genau. Es war im Juni 1981, meine Mutter, damals Solidarnosć-Mitglied, war mit mir aus Polen geflohen, um einer Verhaftung durch das kommunistische Regime zu entgehen. In München wohnten wir in einem kleinen Mitarbeiterzimmer über der Gaststätte, in der sie als Spülerin jobbte. Dass ich mit den Kindern, die mit ihren Eltern den Biergarten besuchten, nicht sprechen und ihnen nur beim Spielen zusehen konnte, machte mir erst nichts aus. Ich musste niemanden kennenlernen – meine Freunde warteten ja in Polen auf mich. Schließlich sollten wir in dem fremden Land nur zwei Wochen bleiben. Für diese Zeit war mir meine Mutter genug. Doch plötzlich war alles anders: Die politische Situation in Polen verschärfte sich, die Grenzen wurden geschlossen und meine Mutter entschied sich kurzerhand, in München zu bleiben. Unser Urlaub (als solchen hatte sie mir unsere abrupte Abreise verkauft) war vorbei: Meine Zukunft sollte jetzt in Deutschland sein, ich hier zur Schule gehen. Plötzlich wollte ich doch lieber bei den Spielen der anderen Kinder mitmachen und verstehen, worüber sie lachten. Sprachlos vor meiner neuen Klasse zu stehen, machte mir Angst.
Der Abend in Bildern
Erinnerungen an die Kindheit
Diese emotionalen Momente meiner Kindheit sind mir sofort wieder präsent, wenn ich heute Flüchtlingen begegne. Daher war ich – und mit mir der EMOTION-Verlag – gleich begeistert, als mir Schauspielerin Dennenesch Zoudé von der Arbeit der Berliner Stiftung Fairchance erzählte und ihrem Sprachförderprogramm MITsprache. Dessen Basis ist "Deutsch für den Schulstart", ein an der Universität Heidelberg entwickeltes Förderprogramm. Denn Sprache ist die Basis für Erfolg in der Schule und damit für eine gelingende Integration. Das habe ich damals selbst gemerkt: In Polen hatte ich Bestnoten in Mathe, aber an meiner neuen Schule verstand ich noch nicht mal die Aufgaben. Genau da setzt MITsprache an. Knapp 800 Kinder an einem Dutzend Berliner Schulen und Kitas wurden so schon gefördert, in diesem Schuljahr wird das Konzept auf Hamburg und Hagen ausgeweitet – als wissenschaftlich bestätigte Erfolgsgeschichte.
Auch und vor allem dank Menschen wie Ole Junker. Unaufgeregt versucht der Direktor der Grundschule Rotenhäuser Damm in Hamburg-Wilhelmsburg mit seinem Kollegium, die Lernausgangslage seiner Schüler, von denen über 90 Prozent einen Migrationshintergrund haben, zu verbessern. Ein toller Partner für uns, die dieses Projekt tatkräftig mit Spendensammeln unterstützen möchten. Und ein Lehrer, wie ich ihn mir als Kind gewünscht hätte.
MITsprache wirkt weit über die Schule hinaus: etwa mit Sozialarbeitern, die die Eltern der geförderten Kinder miteinbeziehen, um bei ihnen die Akzeptanz dafür, dass ihre Kinder eine ihnen selbst fremde Sprache lernen, zu fördern und sie zum Mitmachen anzuregen. Mein persönliches Aha-Erlebnis war, als ich hörte, dass es für den Spracherwerb entscheidend ist, dass die Eltern mit den Kindern weiterhin ihre Muttersprache sprechen. Haben Sie das gewusst? Meine Mutter, die damals beschloss, nur Deutsch mit mir zu sprechen, wusste es nicht. Sie wollte nur das Beste für mich, aber ich hasste es. Ich sehnte mich nach meiner Heimat, meinen Freunden, meiner Sprache.
Wie mein erster Schultag war? Ich habe ihn überlebt. Ich erinnere mich noch an einige sprachlose Situationen auf dem Spielplatz. Aber auch den Moment, als ich spürte, dass ich endlich mitreden konnte.
Kirsten Dahler gehört ebenfalls zu den Unterstützern des Sprachförderprojekts MITsprache in Hamburg. Mit EMOTION hat sie darüber gesprochen, warum ihr dieses Projekt am Herzen liegt:
"Unserem Team und mir war es eine Herzensangelegenheit etwas an die Gesellschaft zurückzugeben, da es uns, unseren Kindern und Kunden so gut geht. In unserem unmittelbaren Umfeld sind nicht alle so begünstigt und ganz besonderen Schutz verdienen Kinder, die nichts für ihre Herkunft können. Somit haben wir den Grundstein für unsere Kinderhilfsinitiative "Hand in Händchen" gelegt, mit der die Dahler & Company-Standorte sich vor Ort Projekte aussuchen mit denen sie sozial benachteiligte Kinder unterstützen. In Hamburg und Berlin unterstützen wir das Projekt MITsprache. Da mein Traumberuf ursprünglich Grundschullehrerin war, freue ich mich sehr, dass wir jetzt in Hamburg mit der Unterstützung einer Grundschule in Wilhelmsburg beginnen, deren Kinder maßgeblich aus Migrations- oder bildungsfernem Hintergrund kommen. "Hand in Händchen" unterstützt mit Spendengeldern oder social volunteering."
Ebenfalls eine aktive Unterstützerin des Sprachprojekts ist Marietta Andreae. Auch sie ist uns erklärt, warum sie so davon begeistert ist:
"Von dem Berliner Sprachprojekt MITsprache der STIFTUNG FAIRCHANCE bin ich absolut überzeugt und finde es wunderbar, dass MITsprache nun in der Grundschule Rotenhäuser Damm in Hamburg-Wilhelmsburg implementiert wird.
Um ein Maximum an Aufmerksamkeit bei den Medien und der Öffentlichkeit für dieses erste Projekt in Hamburg zu erreichen, habe ich mit großer Freude am 12. April 2016, die Hamburger Auftaktveranstaltung von FAIRCHANCE/MITsprache mit vielen Künstlern und Unterstützern auf Kampnagel organisiert, die den zahlreichen Gästen ein abwechslungsreiches, emotionales Programm boten."
Highlight der Auftaktveranstaltung: der Auftritt der Band ABOTS, gesanglich unterstützt von Kindern der Wilhelmsburger Stadtteilschule, die für ihren Song gegen Rassismus mit dem Bertini-Preis für Zivilcourage ausgezeichnet worden sind.
Herr Townsend, was verbinden Sie als Band mit diesem Projekt? Fairchance hat uns interessiert, weil wir – vor allem Jamie und ich – viele Ortswechsel hinter uns haben. Jamie kommt aus den Staaten, ich bin in den Vereinigten Arabischen Emiraten geboren, beide sind wir in England aufgewachsen. Heute leben wir alle in Deutschland. Wir wissen, wie das ist, wenn man fremd ist und ankommen möchte.
Was bedeutet MITsprache für Sie persönlich? Ein Miteinander funktioniert nur, wenn man kommuniziert, sich austauscht. Das ist auch bei uns in der Band so. Nur weil wir alles immer direkt ansprechen, herrscht bei uns Harmonie. Kinder und Jugendliche, die sich untereinander sprachlich verständigen können und sich verstehen – die werden die Zukunft besser machen.
Das vollständige Interview mit der Band Abots finden Sie hier.
Auch Sie können helfen!
Wir möchten mit EMOTION langfristig dazu beitragen, dass MITsprache Kindern im ganzen Land hilft, Deutsch zu lernen. Wenn auch Sie helfen möchten, das Projekt zu unterstützen, dann spenden Sie an:
Stiftung Fairchance Hamburg
IBAN: DE19 5002 0200 0170 0784 49
BIC: BHFBDEFF500
Verwendungszweck: MITsprache Hamburg.
Sie erhalten für ihre Spende eine Quittung. Falls Sie mehr erfahren möchten, weitere Infos finden Sie hier: stiftung-fairchance.org
Aber natürlich sind nicht nur Spenden möglich. Wir freuen uns über jegliche Art der Unterstützung und sind uns sicher: Es gibt eine Vielzahl an Möglichkeiten, wie auch Sie sich für das Projekt einsetzen können. Schreiben Sie an: katarzyna.mol@emotion.de