Wir wachsen aus Klamotten heraus, aus Beziehungen und manchmal über uns selbst hinaus. Soul-Musikerin Joy Denalane, 47, über Veränderungen und die Kraft des Loslassens
Als die deutsche Wäschemarke Triumph vor 130 Jahren gegründet wurde, durften Frauen noch nicht einmal wählen. Heute feiern sie mit der Kampagne „Liebe Deine Veränderung“ nicht nur starke Frauen wie Joy Denalane, sondern auch ein bisschen sich selbst. Wir trafen aus diesem Anlass die 47-jährige Soul-Sängerin in Berlin.
Emotion: Wann hast du dich das letzte Mal gehäutet?
Joy Denalane: Das mache ich fast täglich. Ich lerne ja immer dazu. Und wenn ich etwas dazulerne, muss ich irgendwo anders etwas ablegen, was das verhindert hat. Ich habe gerade „Why We Matter“ von Emilia Roig gelesen, in dem Homophobie und Queerness, Patriarchat und Feminismus aufeinanderprallen. Das hat meinen Blick erweitert.
Wir alle mussten uns im letzten Jahr verändern. Was vermisst du am meisten?
Die Familienessen, Freunde einladen zu können, das fehlt mir wahnsinnig. Und beruflich natürlich die Konzerte. Ich habe aber in die Pandemie hinein eine Platte herausgebracht, das hat mich über Wasser gehalten.
Fällt es dir leicht, loszulassen? Kleider zu verschenken, Fotos zu löschen…
Fotos löschen kann ich nicht. Nur die von mir selbst. Aber Fotos, auf denen meine Menschen sind – geht nicht. An Klamotten hänge ich überhaupt nicht. Ich glaube an die Kraft des Loslassens.
Wie geht dein Umfeld mit Richtungswechseln um?
Gut. Meine Freunde sind offene und interessierte Leute, uns geht nie der Gesprächsstoff aus. Bei uns gilt: Wir leben und lernen. Das führt zwangsläufig in die Veränderung.
Hattest du manchmal das Gefühl, du müsstest anders sein?
Meine Eltern haben mir nie gesagt: „Das kannst du nicht, das machst du nicht.“ Das hat mir viel Kraft gegeben. Und ich habe fünf Geschwister. Ich bin die Dritte, und weil meine Eltern arbeiteten, haben mich meine älteren Brüder überall mit hingeschleppt. Zum Glück mochten sie mich und haben nie versucht, mich zu ändern. Sie haben mir nie vorgehalten: „Du bist nicht Mädchen genug. Du lachst zu laut.“ Ich durfte Ich sein.
Wie gehst du mit körperlichen Veränderungen um?
Dagegen kann man nicht viel tun, außer Sport zu treiben und auf die Ernährung zu achten. Für mich ist Älterwerden nichts Schlechtes.
Du hast zwei Söhne. Hast du dir während der Schwangerschaft Sorgen gemacht, dass dein Körper nie wieder derselbe sein würde?
Überhaupt nicht. Ich habe das ja an meiner Mutter gesehen, die in meiner kindlichen Wahrnehmung ständig schwanger war und trotzdem dieselbe blieb. Dadurch bin ich sehr unbedarft an meine Schwangerschaften herangegangen. Aber generell war das Thema Körper nie mein Lieblingsthema.
Ich habe einfach keinen Model-Körper, bin aber ganz und gar Kind der Supermodel-Ära. Gott, wir haben sie angehimmelt!
Joy DenalaneTweet
Warum nicht?
Ich habe einfach keinen Model-Körper, bin aber ganz und gar Kind der Supermodel-Ära. Gott, wir haben sie angehimmelt! Wir sind mit diesen überzogenen Idealen aufgewachsen und haben dauernd gedacht: „Mann, jetzt hast Du schon wieder zu viel gegessen.“ Ich bin gar nicht frei davon. Mir hilft dann Sport, vernünftig zu essen, mich um meinen Körper zu kümmern.
Wie kriegen wir mehr Girlpower in die Chefetagen? Was versuchst du deinen Jungs zu vermitteln?
Man kann pragmatisch rangehen mit Quoten. Und man kann Gleichberechtigung institutionalisieren, also an Kindergärten, Schulen und Universitäten mit Bildern und Bildung arbeiten, die traditionelle Vorstellungen sprengen. Aber es fängt natürlich viel früher an. Damit, wie man weiblich gelesene Kinder erzieht. Ich frage mich: Was lebe ich ihnen vor? Was erwarte ich von ihnen? Was sind die eigenen Automatismen, die man nicht immer kontrollieren kann? Die man vielleicht erst sieht, wenn das Kind älter ist. Jeder einzelne kann nach seinen Kräften und Möglichkeiten mitdrehen an der Veränderung.
Trotz allem brauchen wir Dinge, die immer gleich bleiben. Omas Windbeutel, der Lieblingslippenstift. Was sind deine Konstanten?
Es gibt vielleicht einen Lippenstift, den ich immer wieder kaufe, aber nur in Ermangelung eines Produktes, das besser ist. Nicht aus der Nostalgie heraus halte ich an Dingen fest, sondern aus Pragmatismus. Kurz: Meine Konstanten sind keine Dinge. Liebe, Freunde und Familie geben mir Halt.
Mut ist der Motor der Veränderung. Das Mutigste, was du jemals getan hast?
Musikerin zu werden, war ganz schön mutig. Kinder zu kriegen, ist mutig. Traut man sich oder traut man sich nicht? Ich frage mich in solchen Situationen: „Was kann denn schon passieren?“ Meist merkt man aber erst im Nachhinein, wie mutig man eigentlich war.
Zu Mut gehört auch Angst. Wovor fürchtest du dich?
Dass meiner Familie etwas zustoßen könnte.
Wie bleibst du offen für Neues?
Ich versuche, nicht rigide zu sein, die Dinge mit Leidenschaft und Neugier anzugehen. Außerdem sind wir gar nicht dafür gemacht, immer gleich zu bleiben. Es kostet oft viel mehr Energie, festzuhalten als sich zu verändern.
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