Warum nochmal sind meine letzten Beziehungen gescheitert? Und kann das vielleicht auch was mit mir zu tun gehabt haben? Um Klarheit darüber zu erlangen, trifft unsere Autorin ihre Verflossenen wieder. Eins vorweg: Es lohnt sich!
Jedes Mal glauben wir von Neuem: Das ist die Liebe meines Lebens – bis sie zerbricht. Oft schieben wir die Schuld der anderen Person in die Schuhe und zweifeln trotzdem heimlich an uns selbst: Warum kriege ich es einfach nicht hin? Verfalle ich immer wieder in dieselben toxischen Muster? Diese Fragen hat sich auch Katja Lewina in ihrem neuen Buch "Ex" gestellt und ihre zehn wichtigsten Ex-Männer getroffen, um herauszufinden, was damals eigentlich schiefgelaufen ist. Von ihnen wollte sie wissen: War es wirklich so, wie ich es mir seit Jahren selbst erzähle? Oder gibt es noch eine zweite Wahrheit, die es wert ist, gehört zu werden? Spoiler: Die gibt es.
Endlich "Ex"tase
Mit Ex Paolo landet Katja sofort im Bett. Früher war der Sex schlecht. Jetzt schlafen sie miteinander, "so, wie ich es schon immer wollte". Die 38-Jährige schämt sich, dass ihr Körper nach drei Kindern nicht mehr derselbe ist wie vor 16 Jahren. Er hat noch den gleichen "Jungenkörper". All die Jahre glaubte sie, von Paolo sitzen gelassen worden zu sein. In seiner Erinnerung ist sie es, die brutal war. Sie sei rücksichtslos gewesen, sagt er, er hätte sich nie auf sie verlassen können. Ein Aha-Moment, der Katja dazu bringt, mehr Ex-Lieben aufzusuchen.
Old ist nicht immer Gold
Ihre erste große Liebe Johnny versetzt sie in letzter Sekunde. Früher war er ihr Held. Er hatte den schönsten Iro, ließ sich ihren Namen tätowieren. Katja erwischt ihn in seiner alten Stammkneipe und ist schockiert: tiefe Falten, Geheimratsecken, trockener Alkoholiker, psychisch instabil. Er hätte alles für sie getan, sagt Johnny, aber das sei ihr nicht genug gewesen. Heute versuche er nur noch, sich selbst zu retten. An Heinrich läuft Katja erst mal vorbei. "Ich hatte jemand Jüngeres, Schlankeres, Unbebrilltes erwartet." Jetzt kam er ihr vor "wie ein Onkel". Füllig, Steppjacke, lichtes Haar. Politiker. Von ihm wurde sie "gefesselt, angepisst, ausgepeitscht und aufgehängt". Sexyness gegen Macht. "Es war fast schon missbräuchlich", sagt sie. Heute will er ihr immer noch sagen, was sie zu tun hat. Sie findet ihn ekelhaft, seine Frau sieht das genauso. Katja will ihn nie wieder sehen.
Belügen wir uns selbst?
Zu so einen Trip in die amouröse Vergangenheit gehört viel Mut. Lewina, die seit 2014 in einer offenen Beziehung lebt und mit ihrem Partner drei Kinder großzieht, aber trotzdem immer wieder unter Liebeskummer durch ihre Zweitbeziehungen und Affären litt, sagt: "Das war besser als Therapie." Ihr sei es endlich gelungen, Kommunikationsfehler, eigene Defizite, Ängste und Tabus zu enttarnen, die der Liebe den Garaus machen. "Viele machen nach einer zerbrochenen Beziehung den Fehler, viel zu schnell weiterzuziehen und ein neues Glück zu suchen, statt kurz mal innezuhalten und zu schauen: Was ist eigentlich passiert?" Denn dabei belügen wir uns leider oft selbst.
"Wenn wir retrospektiv nach einer Trennung auf die Beziehung zurückblicken, tendieren wir entweder dazu, die Beziehung zu idealisieren oder den Partner bzw. die Partnerin schlechtzureden", bestätigt die Berliner Psychologin Pia Kabitzsch. Dahinter stecken verschiedene Schutzmechanismen, etwa um unser Ego aufrechtzuerhalten. Kabitzsch ist überzeugt, dass es wertvoll für die eigene Weiterentwicklung sein kann, Ex-Beziehungen zu reflektieren, um eigene ungesunde Muster zu erkennen und sie bestenfalls zu durchbrechen.
Hör auf dein Bauchgefühl
"Wir merken nicht, wenn wir in toxische Beziehungen schlittern, übersehen Red Flags und Warnungen von Freund:innen und Familie – weil wir unser Bauchgefühl ignorieren", warnt Lewina. Es bringe nichts, faule Kompromisse einzugehen. Stattdessen solle man gnadenlos ehrlich zu sich selbst sein. "Oft wissen wir doch schon in der ersten Sekunde, dass es nicht funktionieren wird. Trotzdem bleiben wir und klammern uns an die Hoffnung, dass doch noch alles gut wird."
Pia Kabitzsch, die auch auf Instagram und TikTok als @dating.psychologin Kennenlerntipps gibt, kennt die typischen Warnsignale: "Dazu gehört, dass die eigenen Grenzen nicht ohne Diskussion akzeptiert werden, dass man sich verstellen muss, um von der anderen Person gemocht zu werden, dass die andere Person Spielchen mit einem spielt oder man sich nicht auf Augenhöhe begegnet."
Katja Lewina kennt das nur zu gut. "In einer meiner Ex-Beziehungen wollte ich tausendmal gehen, aber er hat immer tausend Argumente gefunden, um mich umzustimmen. Das hat mich jahrelang hingehalten." Heute weiß sie: "Man kann und soll den anderen nicht ändern, retten oder zu einem besseren Menschen machen. Lasst es lieber gleich sein, wenn ihr schon zu Beginn ein schlechtes Gefühl habt."
Schwamm drüber
Katjas wichtigste Erkenntnis: "In den meisten Punkten, über die in einer Beziehung gestritten wurde oder die uns angekreidet wurden, steckt auch immer ein Funken Wahrheit." Mindestens. Es bringe uns nicht weiter, wenn wir uns darüber ärgern würden. "Umarmt euch lieber und schaut, was ihr daraus lernen könnt." So wie mit Vanja.
Als sie ihn wiedersah, sah seine Wohnung noch aus wie früher: Werkzeug und Stifte überall, überquellende Aschenbecher, leere Weinflaschen. Damals konnte er nicht treu sein. Seine Unzuverlässigkeit trieb sie in den Wahnsinn. Er kann auch heute nicht anders und zahlt den Preis dafür: "Alle verlassen mich, weil es mit mir nicht ernst werden kann." Dafür weiß er noch, wie ihre Unterwäsche aussah, als sie zum ersten Mal bei ihm schlief. Sie beschließen, Freunde zu werden.
In ihrem Buch widerlegt Lewina dann auch das älteste Ex-Klischee: Eine zerbrochene Vase sollte man lieber nicht noch mal zusammenkleben? Von wegen. Mit Paolo funkte es wieder. "Durch ihn begriff ich, dass ich in meiner Geschichte jahrelang um mich selbst gekreist war. Er hat mich völlig anders wahrgenommen als ich mich selbst." Ihr Glück 2.0 hält bis heute. "Wir hatten so viel zeitlichen Abstand und Reifungsmöglichkeiten, dass wir jetzt erst in der Lage sind, das Potenzial von damals auszuschöpfen."
Übung macht den Meister
Beziehungsfähigkeit, also zum Beispiel die Fähigkeit, Bedürfnisse zu kommunizieren, ist auch etwas, das man erst im Rahmen von Beziehungen lernen müsse, sagt Pia Kabitzsch. Mit jeder Beziehung werden wir also beziehungsfähiger – jedenfalls, wenn wir bereit sind, uns selbst zu reflektieren.
Generell würden wir allerdings dazu neigen, uns viel zu wenig um emotionale Wunden zu kümmern, glaubt Katja Lewina. Deshalb lautet ihr Rat an uns alle: "Ruft eure:n Ex an! Ihr könnt nur gewinnen."
Dieser Artikel erschien zuerst in der EMOTION 11/22.
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