Fieber, Kopfschmerzen, Abgeschlagenheit: Viele Menschen klagen nach einer Corona-Impfung über diese Symptome. Dabei ist in den meisten Fällen gar nicht der Impfstoff selbst dafür verantwortlich, sondern der "Nocebo"-Effekt, zeigt jetzt eine neue Analyse.
Dass allein der Glaube an etwas Berge versetzen kann, kennen wir alle vom Placebo-Effekt: Wer nur fest genug von der Wirksamkeit eines (Schein-)Medikaments überzeugt ist, wird mit hoher Wahrscheinlichkeit auch von Besserungen und positiven Auswirkungen berichten. Weniger bekannt ist sein Pendant, der sogenannte "Nocebo-Effekt". Er beschreibt genau das Gegenteil: Wenn Betroffene mit negativen Begleiterscheinungen eines Medikaments rechnen, dann können sie auch tatsächlich eintreten. Dieser Effekt soll auch zum Großteil die häufig geschilderten Nebenwirkungen der Corona-Impfungen erklären – das deuten jetzt neue Studien an.
Corona-Impfung und Nocebo-Effekt: Sind die Nebenwirkungen nur Einbildung?
Forscher:innen des Beth Israel Deaconess Medical Centers in Boston (BIDMC) haben im Rahmen einer Analyse 12 Studien mit insgesamt 44.380 Teilnehmer:innen analysiert und kamen zu dem Ergebnis: Wer schon vor der Corona-Impfung mit bestimmten Nebenwirkungen wie Unwohlsein und Schmerzen rechnet, wird diese auch mit höherer Wahrscheinlichkeit erleben. Der Nocebo-Effekt soll dabei für bis zu zwei Drittel der milden Nebenwirkungen nach einer Covid-19 Impfung verantwortlich sein.
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Nocebo-Effekt wirkt bei erster Corona-Impfung am stärksten
In den einzelnen Studien wurde jeweils der einen Hälfte der Proband:innen ein gängiges Corona-Vakzin verabreicht, der anderen Hälfte wurde eine Kochsalzlösung gespritzt. Den Teilnehmenden wurde vorher nicht mitgeteilt, in welcher Gruppe sie sich befanden. Nach der ersten Impfung meldeten 35 Prozent der tatsächlich Geimpften Nebenwirkungen wie Müdigkeit und Kopfschmerzen. Von den Proband:innen, die den Schein-Impfstoff erhalten hatten, klagten 46 Prozent über solche Nebenwirkungen. Aus diesem Verhältnis errechnete das Forschungsteam um Julia W. Haas vom BIDMC den Nocebo-Effekt.
Nach der zweiten Impfdosis trat der Nocebo-Effekt allerdings seltener ein und war nur noch in 50 Prozent der Fälle für die Nebenwirkungen verantwortlich: 61 Prozent der tatsächlich Geimpften und nur noch 32 Prozent der Schein-Geimpften berichteten von Begleiterscheinungen. Das könnte allerdings daran liegen, dass nach der Auffrischungsimpfung generell häufiger Nebenwirkungen auftreten.
Verschiedene Auslöser für Nocebo-Effekt
Die beteiligte Wissenschaftlerin Friederike Bender von der Philipps-Universität in Marburg klärt darüber auf, dass nicht die negative Erwartungshaltung allein den Nocebo-Effekt auslösen kann. Zum einen spiele natürlich die Aufklärung über mögliche Nebenwirkungen vor der Impfung eine Rolle: "Wenn wir auf ein bestimmtes Symptom warten, lenken wir im Weiteren unsere Aufmerksamkeit darauf. Wir – oder genauer gesagt – unser Hirn sucht nach Hinweisreizen, die auf dieses Symptom hinweisen". Das erhöhe die Wahrscheinlichkeit für den Nocebo-Effekt. Zum anderen können auch andere Faktoren mitspielen, wie etwa die Atmosphäre während der Impfung: Strahlt der Arzt oder die Ärztin während der Behandlung Kompetenz und Wärme aus, fühlen sich die Patient:innen wohler und vertrauen eher darauf, dass die Impfung ohne weitere Komplikationen verläuft.
Schwere Nebenwirkungen in Nocebo-Studien nicht untersucht
In der Analyse wurde nicht untersucht, ob auch schwerere Nebenwirkungen nach der Corona-Impfung mit dem Nocebo-Effekt in Zusammenhang stehen. Herzmuskelentzündungen oder Blutgerinnungsstörungen, von denen vereinzelt nach den Impfungen berichtet wurde, sollen laut Wissenschaftsmagazin "Spektrum" nicht vom Nocebo-Effekt ausgelöst werden.
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