Natürlich kennt unsere Kollegin Rebecca das Klischee der Crazy Dog Lady. Aber wo bitte ist das Problem, wenn die Lebensbegleiterin eben eine Hündin ist? Ein Plädoyer für die tierische Familie.
Frau mit Herz sucht Hund
Liebe auf den ersten Blick – das war es bei Irmi für mich. Als ich sie auf der Seite einer Tierschutzorganisation in Portugal entdeckt habe, habe ich die Website monatelang immer wieder angesurft, um zu schauen, ob sie noch da ist. Und sie hat schon damals brav auf mich gewartet.
Ich komme überhaupt nicht aus einer Hundefamilie, hatte keine Erfahrung und trotzdem schon länger den Wunsch nach einem Hund. Natürlich stellt man sich erst mal Fragen wie: Passt ein Tier wirklich in mein Leben? Wie wird es mit einem Hund aus einer Auffangstation sein? Welche besondere Unterstützung braucht er? Funktioniert das auch im Büro? Und schaffe ich das alles alleine?
Klischees gehören weggelacht
Dann kam eine Phase, in der ich mit einer Depression krankgeschrieben wurde. Diese Zeit hat vieles verändert. Als es mir wieder besser ging, wurde mir klar, dass ich nun endlich einen Hund in meinem Leben will. Und nein, Irmi war nicht meine Rettung, falls ihr jetzt denkt, dass das die Geschichte ist. Niemand muss mich retten. Natürlich begegnet mir das Klischee der Crazy Dog Lady. Ich glaube, jede Frau, die noch reproduktionsfähig ist, aber ohne Familie und dafür mit Hund, hat den Spruch "Ist das jetzt der Baby-Ersatz?" schon tausendmal gehört.
Ich kann das zum Glück gut weglachen. Irgendwie mag ich das Bild der Crazy Dog-Lady sogar, hätte am liebsten mindestens ein Dutzend mehr an meiner Seite. Aber was glauben die Leute denn? Man kann sich eben nicht alles im Leben aussuchen, vieles aber so gestalten, wie es einem guttut. Ich wollte immer viele Kinder, in meinem Freundeskreis dachten alle, ich werde die Erste mit Baby sein. Aber es hat sich leider nicht ergeben. Soll ich deswegen jetzt für immer traurig und alleine bleiben? Ich habe einfach keine Lust dazu, einem Leben nachzutrauern, das ich nicht führen kann. Gleichzeitig habe ich auch ein Recht darauf, nicht einsam zu sein.
"Irmi und ich sind eine Gang"
Ja, Irmi und ich sind sowas wie eine Familie, eine Gang. Sie ist meine Gefährtin und begleitet mich durchs Leben, alle wissen das. Mein Bruder heiratet in diesem Sommer und natürlich kommt sie mit mir zur Hochzeit. Niemand, der uns kennt, würde das infrage stellen. Sie ist immer an meiner Seite, zu Hause und bei der Arbeit. Ich genieße ihre Nähe, liebe es, wenn sie sich ankuschelt oder friedlich neben mir auf dem Sofa schlummert, ihr leises Schnarchen! Welche Frau kann das schon von ihrem Mann sagen?
Mr. Darcy auf der Hundewiese?
Übrigens, kleine Beobachtung aus meinem Hundealltag: Es scheint so zu sein, als hätten alleinstehende heterosexuelle Männer weniger Bedürfnis nach dieser Art Bindung (oder erlauben es sich nicht, wer weiß das schon). Ich kenne in meiner Umgebung wirklich sämtliche Menschen, die Hunde haben – entweder sind es Familien, Frauen wie ich oder schwule Männer, die ich auf meinen Runden treffe. Für alle, die hoffen, Mr. Darcy auf der Hundewiese zu begegnen: Das ist leider eher unwahrscheinlich – Single-Männer mit Hund sind scheinbar rar.
Trotzdem lernt man mit Hund sehr viele neue Leute kennen. Diese Bekanntschaften waren es auch, die die härtesten Tage der Corona-Zeit erträglicher gemacht haben. Ich konnte alle Alleinstehenden gut verstehen, die sich während der Pandemie für einen Hund entschieden haben. Das regelmäßige Rausgehen mit Irmi, die Bewegung, die frische Luft und der Kontakt haben mich in der Zeit auch psychisch gesund gehalten. Ich fühle mich dank Irmi nie alleine.
Familie ist ganz individuell
Ich glaube, gerade in einer Zeit, in der Einsamkeit ein so großes Thema ist, würde es helfen, wenn die Art, wie ich und viele andere leben, als irgendwie familiär verstanden wird. Das nähme den Druck raus und würde den Menschen am Ende helfen. Ob ich durch den Hund etwas kompensiere, ist letztlich egal, Hauptsache ist doch: Mir geht es gut. Für mich ist klar, dass es nach Irmi wieder einen Hund in meinem Leben geben wird – auch wenn sie natürlich 100 Jahre alt wird.
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