Die sagt: Wenn dich ein Mann interessiert, guck dir seinen Vater an. Denn der hat ihn maßgeblich gesprägt. Wenn es danach geht, hätte keine Frau unsere Kolumnisten widerstehen können. Eine Liebeserklärung an seinen Vater.
Ich habe Kuchen mitgebracht, weil mein Vater darum gebeten hat, und jetzt sitzen wir am Bett meiner Mutter, und er bringt ihr einen Teller und eine Gabel. Ich habe gehört: Wenn man wissen will, ob man mit einem Mann zusammen sein kann, muss man sich seinen Vater angucken, oder genauer, ob man mit seinem potenziellen Schwiegervater zusammen sein könnte. Ich möchte – Stand heute
– in diesem Leben nicht mit einem Mann zusammen sein, aber ich unterstütze die Theorie mit der Schwiegervaterkompatibilität aus tiefstem Herzen. Mein Vater ist der beste Mann, den ich je getroffen habe, und es würde mein Leben sehr viel einfacher machen, wenn alle Frauen dieser Theorie folgten.
Es ist eine Gemeinheit, dass uns unsere Eltern so sehr prägen, und dass wir gleichzeitig voll verantwortlich sind für all die Vorstellungen, die sie uns mitgeben. Wenn ich das richtig verstehe, entwickelt sich bei Kindern zuerst jener Teil des Gehirns, der für die Gefühle zuständig ist. Es stimmt also, wenn man sagt, Kinder spüren alles. Das ist schließlich am Anfang das Einzige, was sie machen. Und später ist es noch einmal so, wenn sich ihr Gehirn in der Pubertät auflöst, um neu verlötet zu werden, in jener Phase also, in der man seine Nachkommen anguckt und sich fragt, ob ein wirklich gerechter Staat nicht für Eltern mit pubertierenden Kindern die Behindertenparkplätze freigeben müsste? Und in diesen flüssigen Zement der Nachkommensgehirne hinein prägen Eltern das Bild der Musterbeziehung. Herzlichen Glückwunsch, wir werden alle sterben.
Meine Mutter war mit einer echten Grippe im Krankenhaus, weil das in ihrem Alter und in ihrem Zustand eine gefährliche Krankheit ist, und im Krankenhaus kam eine Lungenentzündung dazu, und jetzt ist sie hier in diesem Altersheim zur Reha. Meine Schwester hat es gewagt, unseren Vater zu fragen, was wir alle gedacht haben: Ob das nicht vielleicht der Moment wäre, ihr hier einen Platz zu organisieren?
Aber er sagt, das ginge nicht. Er müsse sie pflegen, sie fühle sich nicht wohl mit Fremden, und das sehe man schon daran, dass sie nicht gut einschlafe, wenn er nicht ihre Hand hält. Wer will mir verübeln, dass ich eine überromantische Vorstellung von Beziehungen habe, wenn das die eine ist, die mich geprägt hat? Oder anders: Wer könnte nicht verstehen, dass ich Angst davor habe, diesem Vorbild nie im Leben gerecht werden zu können?
Aber ich bin eben kein Kind mehr. Vielleicht ist das die beste Definition von Erwachsenwerden: mehr sein als meine Prägung? Diese ganze Angst nehmen und es einfach versuchen, und diese ganze Romantik nehmen und sie über die Tatsache hin wegretten, dass es bisher am Ende doch immer ... zu Ende war?
Meine Mutter isst genüsslich ihren Kuchen und lächelt zufrieden. „Man gönnt sich ja sonst nichts“, sagt sie, aber das sagt sie in letzter Zeit einfach bei allem, was sie macht. Mehr muss auch nicht. Alles da.