Penis-Fotos – was reizt Männer nur daran? Ein Versuch, das Phänomen Dick-Pics zu erklären…
Eigentlich dachte unsere Autorin, dass Penis-Fotos eine Sache für den Schulhof seien oder vielleicht für durchgeknallte Promis, die Groupies an Land ziehen wollen. Bis sie selber plötzlich mit nackten Tatsachen auf dem Handy konfrontiert wurde, die sie eigentlich noch gar nicht so genau kennenlernen wollte. Ist man verklemmt, wenn man das gar nicht so toll findet? Und was reizt Männer eigentlich daran?
Zeig mir NICHT dein Penis-Bild beim ersten Date!
Eigentlich hatte ich meine ganze Hoffnung auf diesen Mann gesetzt. Er ist wie ich Mitte 30, studiert, Großstädter im Berufsleben, angeblich an einer Beziehung interessiert, attraktiv. Wir telefonierten schon, planten ein erstes Date (spazieren gehen), erzählten einander aus unserem Leben – bis er unvermittelt auspackte: Als ich gerade über ein paar Dinge sprach, die mich emotional sehr bewegten, fragte er mich urplötzlich, ob er mir ein Bild von seiner Erektion schicken dürfe.
Penis-Bild gefällig? Noch vor dem ersten Kuss?
Mir stockte der Atem, meine Vorstellung von unserer Zweisamkeit platzte wie ein Luftballon. Das Einzige, was mir einfiel, war ein Satz, den ich nie wieder möchte sagen müssen, weil er so bescheuert klingt: "Äh, ich würde dich gern erst live kennenlernen – und dann deinen Schwanz." Anschließend wusste ich nicht, ob ich mich erst schämen oder fremdschämen sollte. Wo war die schlagfertige Feministin in mir, wenn ich sie mal brauchte? Wir waren doch gerade erst beim Kennenlernen gewesen und schon wollte der Typ zu weit vorspulen. Bevor ich den Hörer auflegte, fiel mir doch noch ein: "Warum willst du mir das überhaupt schicken?" Der Mann reagierte überrascht, so als sei ich total altmodisch. Ich sei die erste Frau, die kein Foto von ihm wolle! „Es ist doch ein Kompliment, dass du mich so erregst. Ich wollte einen wirklichen intimen Moment mit dir teilen.“ Wie bitte? Für mich findet Intimität immer noch persönlich statt. Zumal mich intensive Gespräche und schöne Stimmen mehr antörnen als nackte Bilder.
"Stünde der Typ hinterm Busch, könnte ich ihn als Exhibitionisten anzeigen. So bleibt mir nur
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die Löschtaste"
Am Ende bat er noch mal, ob er mir sein Foto schicken dürfte und klang dabei fast wie ein kleiner Junge. Doch in mir regte sich gar nichts – außer meinem Dick-Pic-Trauma. Mein erstes Mal war nämlich ungefragt geschehen, während eines Chats mit einer anderen Internet-Bekanntschaft (von einer superseriösen Datingplattform). Als sich das Bild auf dem Handy lud, traf es mich wie ein brutaler Schlag ins Gesicht.
Dick-Pics - nein danke!
Ich fühlte alles auf einmal: Ekel, Wut, Ohnmacht. Hätte der Typ hinter einem Busch gestanden, wäre ich sofort weggelaufen und hätte ihn wenigstens als Exhibitionisten anzeigen können. In der digitalen Welt blieb mir nur die Löschtaste. Ich blockierte den Kontakt und fühlte mich beschmutzt und irgendwie naiv. Hätte ich anders reagieren sollen? Nur: wie eigentlich?
Penis-Fotos - machen das nur Neandertaler?
Ich hatte immer gedacht, Penis-Fotos seien eine Form des Cyber-Mobbings von fiesen Macho-Trollen oder eine alberne Kichernummer auf Schulhöfen. Natürlich hatte ich auch schon mitbekommen, dass Promis und Profi-Fußballer solche Bilder verschicken, um Groupies zu beeindrucken. Doch ich selbst hätte mich nie als potenzielle Empfängerin eines Dick-Pics gesehen. In meiner Welt einer durchaus freizügigen Großstadtfrau mit Hang zu realer Romantik war so ein Vorgang wirklich ein starkes Stück. Ich erzählte allen meinen Freundinnen davon. Darüber zu lachen hilft – wenn es gleichzeitig nicht so unangenehm wäre.
Etwa die Hälfte meiner Freundinnen war bereits Opfer einer solchen Foto-Attacke geworden. Einige wenige nahmen es gelassen: „Ach, einfach löschen, blödes Machtgehabe!“ Die anderen regten sich mit mir auf. Übrigens auch meine männlichen Freunde, die gleich empört ausriefen: „Das sind Neandertaler, eine hoffentlich aussterbende Spezies!“ Je weniger man sich mit solchen Männern befasse, umso schneller wären sie kaltgestellt. Eine Lehrerin erzählte mir, dass es unter Jugendlichen nicht ungewöhnlich sei, sich gegenseitig Fotos intimer Körperteile zu schicken.
Sind Penis-Bilder eine Frage des Alters?
Eine 20-Jährige schockt so ein Dick-Pic also vermutlich viel weniger als eine Frau über 30. Zumindest, wenn es nicht von einem Noch-Fremden kommt. In meinem Freundeskreis waren sich fast alle einig, dass so ein Schwanzbild okay ist und sogar schön sein kann, wenn man sich lange (und persönlich!) kennt – aber immer nur, wenn die Frau selbst darum bittet. Alles andere sei sexuelle Belästigung.
Dick-Pics: Sexuelle Belästigung?
Doch das ist es wohl in den meisten Fällen: Eine britische Studie sagt, dass 46 Prozent der Frauen zwischen 18 bis 36 schon einmal ein Dick-Pic bekommen haben – und 89 Prozent davon leider ungefragt. Mir kommt das Ganze wie ein Spiel vor, in dem der Mann die Richtung vorgeben will. Doch wie parieren? Im Netz gibt es dazu genug alberne Ideen: Zum Beispiel kann man auf das ungefragt eingesandte beste Stück digital das züchtige schwarze Kleid montieren, dass Melania Trump beim Papst-Besuch trug. Ich mag aber nicht noch mehr Bullshit in die Welt setzen. Spontan überzeugte mich die schlagfertige US-Komikerin Amy Schumer, die immer mit einem noch größeren Penis-Bild kontert und bei Beschwerden schreibt: „Hey, was denn? Ich dachte, wir spielen Dick-Pic-Quartett.“ Doch die Vorstellung, dass ich meiner Verwandtschaft Urlaubsbilder auf dem Handy zeige und sich dazwischen mein „Konter-Dick-Pic“ aufstellt, ist auch nicht gerade berauschend. Habe ich das Spiel vielleicht einfach nicht verstanden?
Das sagt die Sexualtherapeutin zu Penis-Bildern
Ich rufe die Sexual- und Psychotherapeutin Dania Schiftan an („Coming Soon: Orgasmus ist Übungssache. In 10 Schritten zum vaginalen Höhepunkt“) und lasse mich mit 37 Jahren aufklären. „Wenn ein Mann Ihnen ungefragt ein Bild von seinem Penis schickt, dann reagieren Sie am besten überhaupt nicht. Denn die am wenigsten gewünschte Reaktion ist: keine Reaktion. Tun Sie so, als hätten Sie das Bild nicht bekommen, und entscheiden Sie, ob Sie dann überhaupt noch weiter Kontakt wollen.“
Dann erklärt sie mir schlüssig die Motive solcher offenhosigen Männer:
Dahinter steckt das Bedürfnis, sich zu zeigen. Er ist stolz auf sein Geschlecht – wobei Männer nicht Ein Mann, der Interesse an der Beziehung hat, schickt nicht ungefragt ein Penis-Bild immer nur Fotos ihres eigenen Penis schicken.
Dania SchiftanTweet
Was hat der Mann davon?
Ob die Empfängerin dies gut oder schlecht findet, sei für den Absender erst mal nicht relevant. "Es geht darum, einen Überraschungsmoment zu generieren, der bei dem Mann durch den Nervenkitzel starke Emotionen und Erregung auslöst", sagt Dania Schiftan. "Diese Männer sind vor allem durch optische Reize und Fantasien sexuell erregbar." Doch auch die Expertin ist der Meinung, dass der Mann vorher fragen und die Frau sich keinesfalls verpflichtet fühlen sollte, ebenfalls Fotos von sich zu schicken. Schiftan sagt: "Wenn ein Mann ehrliches Interesse an einer Beziehung oder Affäre hat, schickt er so ein Foto nicht ungefragt." Generell müssen Frauen also für sich entscheiden, ob sie so eine Art der Vorabbegutachtung wollen. Hatte ich den eigentlich netten Mann vom Telefon also vielleicht zu früh ins Aus geschossen? Immerhin hatte er mich korrekterweise gefragt, ob ich das Dick-Pic haben möchte (allerdings die Antwort nicht abgewartet). Da muss ich zum Glück nicht lange überlegen: Für mich ist das nichts. So finde ich am Ende dennoch Gefallen an der Sache: nicht an den Fotos, aber am Zeitgeist-Phänomen Dick-Pic. Weil es mir hilft, zu filtern, welche Männer ich näher kennenlernen möchte und welche nicht. Und es erinnert mich daran, dass ich anders ticke. Ich mag meinen Körper und zeige ihn gerne – allerdings gibt es mich nur live und am Stück und nicht in einzelne (Geschlechts-)Teile zerlegt.