Eine neue Umfrage zeigt, dass junge Menschen in Deutschland lieber in der Vergangenheit leben würden. Woher kommt die plötzliche Abneigung gegen die Zukunft?
Sätze wie "Früher war alles besser" erwartet man eher von Menschen höheren Alters. Nicht aber von der jungen Generation, die doch eigentlich voller Lebensdurst und jugendlichem Optimismus in die Zukunft schauen sollte. Doch viele junge Menschen sind eher zukunfts-skeptisch, zeigen Ergebnisse einer repräsentativen Online-Befragung für die Hamburger Stiftung für Zukunftsfragen von British American Tobacco. Demnach fänden 56 Prozent der 18- bis 34 Jährigen ein Leben in der Vergangenheit attraktiver. Vor gut zehn Jahren lag dieser Anteil bei nur 30 Prozent. Weniger überraschend ist, dass sich in der aktuellen Umfrage auch viele Befragte im Alter von 35 bis 54 Jahren die Vergangenheit zurückwünschen, genauer gesagt 66 Prozent.
Woher kommt die Sehnsucht nach der Vergangenheit
Der Meinungswandel der Jüngeren hat verschiedene Gründe, allen voran die Überzeugung, dass der Zusammenhalt früher besser gewesen sei. In der digitalen Welt ginge das Gefühl von Gemeinschaft und "echten" Freundschaften immer mehr verloren, sagt Ulrich Reinhardt, wissenschaftlicher Leiter der Stiftung. Freund:innnen in sozialen Medien ersetzten "nicht die Freund:innen, auf die man sich auch dann verlassen kann, wenn Fragen zum Leben da sind, wenn die Unsicherheit groß ist und wenn man vielleicht einfach Spaß haben möchte". Während der Pandemie habe sich das Problem verstärkt. Der Ukraine Krieg habe sich hingegen nicht auf die Umfrageergebnisse ausgewirkt.
Aber auch die Sehnsucht nach Beständigkeit und Sicherheit (34 Prozent) ist für die jungen Menschen ausschlaggebend, insbesondere in der Arbeitswelt: Immer mehr wünschen sich einen sicheren Job, etwa im Beamtentum. In den Jahrzehnten davor habe hingegen der Wunsch dominiert, die Welt zum Besseren zu verändern. Jetzt seien die Unter-34-Jährigen zurückgewandt. 35 Prozent der Befragten gaben außerdem den Grund "weil es früher besser war" an und 29 Prozent fanden, dass "man früher glücklicher war". Und natürlich spielen auch Faktoren wie allgemeine Zukunftsängste (20 Prozent), die Umweltbedingungen (22 Prozent) oder Kriege und Krisen (23 Prozent) eine Rolle.
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Zukunftspessimismus ist weit verbreitet
Aus einer weiteren Jugendstudie, die die Vodafone-Stiftung Anfang April 2022 veröffentlichte, gehen ähnliche Ergebnisse hervor: Von etwa 2.000 befragten Menschen zwischen 14 und 24 Jahren, machen sich 86 Prozent Sorgen um die Zukunft. Mehr als die Hälfte (58 Prozent) ist der Umfrage zufolge der Meinung, dass es zukünftigen Generationen "etwas schlechter" oder "viel schlechter" gehen werde.
Nostalgie hilft in unsicheren Zeiten
Es ist auffällig, dass plötzlich so viele junge Menschen lieber in der Vergangenheit leben würden. Ein gänzlich neues Phänomen ist die Sehnsucht nach dem Gestern allerdings nicht, nur kommt sie in der jungen Generation gerade besonders stark zum Ausdruck. Unter Umständen verspricht uns die Vergangenheit vor allem in Zeiten, in denen im Außen vieles unsicher ist, Geborgenheit und Vertrautheit. "Vielleicht, weil wir über die Vergangenheit mehr Kontrolle haben, als über die Zukunft", vermutet Julius Frankenbach im Gespräch mit SR3. Er sagt, Nostalgie könne sogar glücklich machen und dabei helfen, die Zukunft zu bewältigen. Selbst in Studien wurde mittlerweile bestätigt, dass Nostalgie nicht nur positive Gefühle hervorrufen, sondern sogar Schmerzen lindern kann.
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