Peinliche Problemchen mit dem Körper? Quatsch! Wie wir vermeintliche Makel akzeptieren und selbstbewusst damit umgehen.
"Manchmal rumort mein Darm ziemlich stark. Dann habe ich Angst, dass ich mitten im Yogakurs plötzlich Durchfall bekomme. Ich renne eh jede halbe Stunde auf die Toilette, weil ich so eine schwache Blase habe und mich schon manchmal ein bisschen einpinkele, wenn ich zu doll lachen muss. Das bin ich. Und wer bist du?"
Hat sich so schon einmal jemand bei euch vorgestellt? Nein?
Nun ja, das war mit Absicht etwas überzogen, aber machen wir doch mal ein kleines Gedankenspiel. Stellen wir uns vor, wir würden die gesundheitlichen Wehwehchen, die uns ein bisschen peinlich sind, vor uns hertragen, anstatt sie vor anderen zu verbergen, offen über sie sprechen, anstatt sie zu tabuisieren. In dieser imaginären Welt wären wir vielleicht nicht unbedingt stolz auf sie, doch wir würden sie akzeptieren. Sie wären etwas vollkommen Normales, über das wir genauso locker sprächen wie über die laufende Nase oder das gebrochene Bein. Aber warum fällt uns das so schwer?
Schäm dich nicht!
Weil wir uns schämen. Während die Akzeptanz und Offenheit gegenüber Menstruation oder psychischen Erkrankungen in der Gesellschaft glücklicherweise immer größer wird, gibt es noch immer einige gesundheitliche Themen, die wir lieber für uns behalten. Sobald es um unsere Intimbereiche (Schambereiche) geht – und vor allem darum, dass dort etwas nicht funktioniert – empfinden wir gleich sehr viel mehr Scham.
Vielen fällt es mittlerweile leichter zu sagen "Ich habe meine Tage" oder "Ich hatte schon ewig keinen Sex mehr" als über ihre Inkontinenz oder Geschlechtskrankheiten zu reden. Letztere Themen gelten in vielen Kreisen eher als Tabus. Dieser gesellschaftliche Konsens ist sogar so groß, dass viele lieber gesundheitliche Beschwerden in Kauf nehmen als mit jemandem darüber zu reden. Laut Deutschem Ärzteblatt ganz vorn dabei: Geschlechtskrankheiten, Erektionsstörungen und Blasenschwäche. Außerdem Verdauungsbeschwerden, Blähungen, Verstopfung oder Hämorrhoiden – alles rund um den Darm und das, was ihn verlässt.
Ein schönes Beispiel für einen offenen Umgang, das sicher viele kennen: "Darm mit Charme" von Giulia Enders enttabuisiert ein Tabuthema auf ganz charmante Weise.
Let’s talk about Blasenschwäche, Baby!
Klar, wir müssen es nicht gleich herausschreien. Aber ein erster Schritt zu einem bewussteren und selbstbewussteren Umgang mit einem solchen Thema wäre, sich zu informieren, wie häufig diese "Probleme" sind und wer vielleicht noch darunter leidet. Welche anderen Menschen haben möglicherweise dieselbe Sorge? Tauscht euch aus, bietet euch gegenseitig Hilfe und Ratschläge an, lernt: Ihr seid nicht allein damit.
Die Tatsache, dass unsere Erkrankungen uns peinlich sind und wir sie nicht zeigen möchten, bedeutet mit großer Wahrscheinlichkeit auch, dass andere ihre jeweiligen auch nicht zeigen. In vielen anderen Dingen sind wir so viel offener geworden. Influencer:innen machen es vor und zeigen auf Instagram ihre Dehnungsstreifen, ihre Falten, ihre unreine Haut, sprechen über Depressionen und Burnout, Fehlgeburten und Unfruchtbarkeit. Wir wissen, dass es wahnsinnig guttut, Gleichgesinnte oder Leidensgenoss:innen zu finden, die zeigen: Ich habe/mache/kenne das auch.
Schon gewusst? Eine von drei Frauen in Europa hat bereits Erfahrung mit Blasenschwäche!
Always, die Marke für Damenhygieneprodukte, hat deshalb Always Discreet entwickelt: Ein einzigartiges Sortiment von Blasenschwächeprodukten, damit Frauen ihr Leben in vollen Zügen genießen und sich rundum sicher fühlen können. |
Vor allem: Sprich mit Ärzt:innen
Mit Freundinnen oder in der Social Media Bubble über solche Themen zu sprechen und dadurch Unterstützung zu erfahren, ist eine Sache. Sich wirklich medizinische Hilfe zu suchen, ist noch einmal eine andere.
Laut einer aktuellen Studie des Marktforschungs- und Beratungsinstituts YouGov ist jede:r Zweite in Deutschland mindestens einmal im Leben von solchen als peinlich erachteten Symptomen betroffen. Ein Drittel davon behalte diese aus Scham lieber für sich. Das führe dazu, dass viele im Stillen leiden und die Erkrankung unbehandelt bleibe. Für viele bedeutet das eine Einschränkung der Lebensqualität, sie gehen nicht mehr gern schwimmen, laufen, tanzen, treffen sich weniger mit anderen Menschen, haben weniger Sex, fühlen sich weniger frei. Teilweise führt das sogar zu enormen psychischen Belastungen. Dabei wäre das doch nicht nötig und viele der uns unangenehmen Symptome lassen sich zumeist mit einfachen Mitteln behandeln.
Achtung: Tabus können gefährlich werden
In einigen Fällen können diese Beschwerden aber auch Anzeichen für weitere, ernstere Erkrankungen sind. Deshalb lohnt es sich erst recht, sie untersuchen zu lassen. Die Deutsche Gesellschaft für Gastroenterologie, Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten (DGVS) unterstreicht, wie gefährlich es ist, Symptome wie Blasen- oder Darmschwäche zu ignorieren oder zu verharmlosen: Blieben Fehlfunktionen der Verdauungsorgane unbehandelt, seien sie ein möglicher Motor für viele Zivilisationskrankheiten wie Diabetes, Depressionen oder Alzheimer.
Im Bauchraum befinden sich fast so viele Nervenfasern wie im Gehirn. Unser Darm beispielsweise ist eine Projektionsfläche für alle Umweltfaktoren, die den Körper beeinflussen. Magen- und Verdauungsprobleme sind oftmals Anzeichen für psychischen Stress oder andere unterliegende Krankheiten. Umgekehrt haben Magen- und Darmprobleme unmittelbare Auswirkungen auf den gesamten Körper.
Lass die Scham keine Energieräuberin sein
Viele Betroffene selbst wünschen sich einen offeneren und sensibleren Umgang mit gesundheitlichen Tabuthemen. YouGov zufolge möchten 60 Prozent aller Befragten von Ärzt:innen sowie Apotheker:innen diskret, aber direkt auf ihre Symptome angesprochen und schließlich angemessen behandelt werden. Mediziner:innen können somit auch dazu beitragen, dass wir mehr und mehr mit den Tabus brechen, indem sie sie beim Namen nennen, konkrete Lösungen anbieten und ein vertrauensvolles Umfeld schaffen. Wenn wir vertrauen – ob Mediziner:innen, Freund:innen oder anderen Bezugspersonen – fällt es leichter, etwaige Hemmungen zu überwinden.
Es zieht unfassbar viel Energie, sich ständig Sorgen über die eigene "Unperfektheit" zu machen. Sagen wir es mal so: Die Zeit, die wir damit verbringen, uns zu schämen, unsere Inkontinenz vor unserer Ärztin zuzugeben, könnten wir nutzen, um sie zu behandeln, um danach wieder befreit allerlei körperlichen Aktivitäten nachzugehen. Diese Selbstzweifel und die Scham, die wir gegenüber den Funktionen unseres eigenes Körpers empfingen sind nur natürlich – doch sie berauben uns so wertvoller Dinge. Nobody's perfect!
"Unperfekt" ist vielleicht auch gar nicht das richtige Wort. Der Begriff suggeriert, dass es auf der anderen Seite auch ein überhöhtes "Perfekt" gibt, das wir anstreben sollten. Das ist aber natürlich nicht der Fall.
Stattdessen sollten wir vielleicht bei der Frage ansetzen, wie wir lernen, selbstbewusst zu sein. Wir selbst zu sein. Mit allen Ausflüssen, die dazugehören. Machen wir uns immer mal wieder klar: Wir sind alle keine Maschinen, wir können gar nicht zu 100 Prozent funktionieren. Manchmal geht halt etwas schief – oder läuft daneben.
Normalize it!
Und drehen wir den Spieß mal um: Stellen wir uns vor, unsere beste Freundin erzählt uns von ihrer Blasenschwäche. Wie würden wir reagieren? Wir würden doch absolut offen darüber sprechen und sie ermutigen, dazu zu stehen und sich behandeln zu lassen, oder?
Und im 21. Jahrhundert sollte es wahrhaftig nicht mehr revolutionär sein, eine Erkrankung zuzugeben. Tabus zu brechen ist eher ein Trend, bei dem noch mehr mitmachen sollten. Und dann gehen wir demnächst zur Ärztin unseres Vertrauens und bitten sie einfach mal um Beratung bei den Darm- oder Blasenproblemen. Oder wir wenden uns an unsere Freundin und gestehen: "Hey, ich muss in der letzten Zeit echt oft pupsen." Oder: "Manchmal habe ich so ungewöhnlichen Ausfluss – kennst du das auch?"
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