In der neuen Drama-Serie "8 Tage" rast ein Asteroid auf die Erde zu. Hauptdarstellerin Christiane Paul über nützliche Eigenschaften in Katastrophensituationen - und ganz reale Bedrohungen unserer Gesellschaft.
EMOTION: Wie fühlt es sich an, wenn die eigene Heimatstadt zum Katastrophenszenario wird?
Christiane Paul: Toll! Also, dass Berlin jetzt mal kurz zerlegt wird, fand ich nur so okay. Aber es war total spannend zu sehen, wie die Serie Anarchie erzählt und wie das System zusammenbricht. In der Straße, in der meine Filmfamilie ihr Haus hat, stehen zum Beispiel überquellende Mülltonnen, die nicht mehr abgeholt werden, alles ist verlassen, zerrissen, abgerupft. Eine spannende Kulisse. Man muss viel Aufwand betreiben, um das so darzustellen.
Die Serie wirft die Frage auf: Was würdest Du tun, wenn Du nur noch 8 Tage hast. Was würden Sie tun?
Keine Ahnung. Das Verrückte ist ja, dass man nicht weiß, was man dann wirklich tut. Ich glaube, dass man auf solche existenziellen Situationen nie vorbereitet ist und komplett anders reagiert, als man sich vorher vorgestellt hat. Auch weil der Körper eine große Rolle spielt. Der hat ja eine Verbindung zum emotionalen Zentrum und reagiert dann entsprechend, ob mit Schock oder Bewegungsstarre oder Laufen oder Schwitzen. Ich würde wahrscheinlich versuchen, irgendeine Lösung zu finden, weil das so in meinem Naturell verankert ist, aber die Vorstellung einer solchen Katastrophe ist schrecklich.
Welche Eigenschaften bringen Sie noch mit, die in so einem Szenario nützlich wären?
Ich gebe nicht auf. Das ist bei meiner Filmfigur ja auch so. Sie versucht wirklich alles, um ihre Familie zu retten. Ich würde auch nicht so schnell aufgeben, für meine Kinder würde ich alles versuchen.
Der Asteroideneinschlag ist auch als Metapher zu verstehen.
Es ist vielleicht eine Metapher für das, was mit Europa gerade passiert. Europa wird von außen destabilisiert und wir müssen zusehen, dass wir nicht alle auseinanderbrechen. Wir haben den Brexit, die mehr oder weniger rechtspopulistischen Regierungen im Osten und Südosten, der Süden hat kaum noch Geld, Frankreich und Deutschland haben große Probleme, die Einheit Europas aufrechtzuerhalten, um nicht zwischen den anderen Mächten im Osten und Westen hin- und hergeschoben zu werden. Wir können uns nur dagegen wappnen, wenn wir uns bewusst machen, dass wir ein starkes Europa sein müssen, um nicht unterzugehen und dass wir uns nicht zerstreiten dürfen. Für England ist es wohl leider zu spät.
Susanne ist Ärztin, Sie selbst ja auch. Sind Sie Ihrer Rolle dadurch näher?
Da gibt es natürlich schon Dinge, die ich durch meine paar Jahre Berufserfahrung mitbringe. Ich bin aber doch noch mal drei Tage in die Charité gegangen zum Hospitieren, um wieder ein paar Grundfertigkeiten in den Körper zu bekommen.
Haben Sie vorher eigentlich schon mal jemanden erschossen?
Nee, aber jetzt danach habe ich ein paar erschossen. Ich bin auf den Geschmack gekommen. In "Counterpart", einer amerikanischen Serie, erschieße ich sehr viele Leute. Das macht so wahnsinnig Spaß (lacht).
Sie haben inzwischen ja in einigen Serien mitgespielt: Wird Ihnen das Fernsehen langsam lieber als das Kino?
Nein, da habe ich keine Präferenz, ich drehe auch Kino nach wie vor sehr gerne. Im Moment herrschen ja fast goldene Zeiten, weil es vor und hinter der Kamera so ein wahnsinniges Angebot gibt. Ich versuche, mich immer nach den Stoffen zu entscheiden, nach der Regie oder wer mitspielt. Bei all den neuen Möglichkeiten hoffe und glaube ich, dass das Kino nicht untergeht, auch wenn es leider gerade ein bisschen schwächelt.
Das hoffe ich auch, auch wenn ich selbst gerne Serien binge.
Oh ja, ich auch. Das letzte, was ich gebinget habe, war "Black Earth Rising" mit John Goodman. Sonntagabend bis zwei Uhr nachts und dann hatte ich nach drei Stunden Schlaf wieder ein volles Programm. Da hab ich auch gedacht, wie doof. Macht man natürlich trotzdem wieder.
Man kommt beim Seriengucken ja auch nie an ein natürliches Ende, es gibt ja immer genug Cliffhanger, so dass man noch weiterschauen will.
Deswegen gucke ich eben gerne auch mal einfach einen Film.
Haben Sie eine Lieblingsserie?
Ich fand "Stranger Things" schon ziemlich toll, man ist so emotional bei diesen Kindern dabei. "River" war auch toll und die deutsche Serie "Beat".
Es muss ja nicht gleich ein Asteroid sein, aber gibt es etwas, was Sie aus Berlin vertreiben könnte?
Es wird gerade so voll in Berlin, die Immobilienpreise steigen, der Unterscheid zwischen Arm und Reich verschärft sich. Berlin bot ja immer die Option, dass man hier für angemessenes Geld leben konnte. Das ist vorbei.
Diese Entwicklung finde ich problematisch: Wenn wir alles kommerzialisieren und sozialen Raum aufgeben, ist das für die Gesellschaft nur ganz schwer auszuhalten. Ich kenne das aus England und den USA; wo das ja noch krasser ist. Diese maximale Ausbeutung, sehr viel zu arbeiten für sehr wenig Geld, und dann werden noch Immobilienpreise aufgerufen, die in keiner Relation zu der Unterbringung stehen. Sowas verändert die Menschen, das macht mir Sorgen.
Wenn ich in Berlin unterwegs bin, habe ich das Gefühl, die Drogen nehmen wieder zu, ich sehe so viele Obdachlose, in Hamburg auch. Wir müssen dafür Lösungen finden und die Leute auffangen, wir dürfen unser Sozialsystem nicht aufgeben. Oft sagt dann einer: „Zahl mal in New York Miete!“ Ich kann diese Vergleiche nicht mehr hören. Was haben wir mit New York zu tun?
Was könnte man dagegen unternehmen?
Ich habe mich mit Berlins Innensenator Geisel unterhalten, der mich sehr beeindruckt hat, weil er so offen war. Die Stadt war so in den roten Zahlen, dass sie viel Bestand verkaufen musste und kaum mehr eigene Flächen hat. Deshalb baut sie jetzt auch alles zu, was ihr gehört, so eng, wie in den 20ern, als die Mietskasernen entstanden sind.
Ein komplexes Problem, man weiß nicht, wie man es richtig machen kann. Wir müssen aber auf jeden Fall weg von der Neoliberalisierung, gerade entfesseln wir den Kapitalismus und lassen die Menschen auf der Strecke. Es gibt eine Verantwortung der Politik gegenüber den Leuten, die die Gesellschaft bauen, aber wer kann sich Berlin noch leisten als Krankenschwester? Auf diese Dinge gucken wir oft gar nicht, wenn wir nicht selbst betroffen sind, aber das müssen wir.
Über die Serie "8 Tage": Noch acht Tage, dann trifft ein Asteorid die Erde - und Europa liegt im Zentrum des Aufpralls. Was tun angesichts der nahenden Katastrophe? Flüchten um jeden Preis, feiern bis zum Untergang, alles klären, was noch geklärt werden muss? Die spannende Serie von Stefan Ruzowitzky und Michael Krummenacher spielt anhand verschiedener Protagonisten verschiedene Szenarien durch. Überzeugend, berührend, beklemmend.
Ab Freitag, 1. März sind im Stream auf Sky Ticket und Sky Go alle acht Episoden verfügbar. Die lineare Ausstrahlung auf Sky 1 HD erfolgt ebenfalls am 1. März ab 20.15 Uhr mit einer Doppelfolge, danach folgt wöchentlich eine neue Episode.