Seit letzter Woche müssen in Norwegen Werbebilder, die bearbeitet wurden, auch als retuschiert gekennzeichnet werden. Die dortige Regierung leistet damit einen wichtigen Beitrag zur Bekämpfung von Körperdruck. Eigentlich müssten Gesetze aber noch strenger sein, findet unsere Kollegin Anna Dunst.
Zu schön, um wahr zu sein: Neues Transparenzgesetz soll Körperdruck bekämpfen
Bereits im letzten Jahr befürwortete das norwegische Parlament das Gesetz, das Werbetreibende und Influencer:innen zu Transparenz über Retusche verpflichtet, mit großer Mehrheit. Vor wenigen Tagen, am 1. Juli 2022, ist das Gesetz schließlich in Kraft getreten. Wer sich nicht daran hält, muss mit Strafzahlungen rechnen. Die Regierung möchte damit den vorherrschenden "Körperdruck" in der Gesellschaft reduzieren, der nun einmal von solchen bis zur vermeintlichen Perfektion bearbeiteten Bildern ausgelöst wird. Das ist ein wichtiger Schritt, finde ich.
Junge Menschen und insbesondere junge Frauen leiden unter den überhöhten Schönheitsidealen, die ihnen in Werbungen oder auf Social Media in Endlosschleife präsentiert werden. Und dieser Umstand ist durch zahlreiche Studien mittlerweile auch sehr gut belegt. Dass retuschierte Posts Unzufriedenheit auslösen – für mich total nachvollziehbar. Denn die Selbstverständlichkeit, mit der Schönheitsideale auf Werbeplakaten und in Instagram-Posts propagiert werden, suggeriert, dass jede:r so aussehen könnte wie die Models auf den Bildern. Aber natürlich nur, indem man die meist teuren Produkte kauft, die diese Verwandlung bewirken sollen. Aber wie sollen wir jemals so makellos aussehen wie die Models darauf, wenn nicht einmal die Models in Wahrheit so aussehen?
Ein wichtiger Schritt – aber reicht er auch?
Das neue Gesetz in Norwegen ist meiner Ansicht nach eine wichtige Errungenschaft – nicht nur, weil es versucht, den Perfektionsdruck einzudämmen, sondern auch, weil es sich vorrangig an junge Menschen richtet und sich mit ihrer digital geprägten Lebensrealität beschäftigt. Aber ist das genug?
Warum werden beispielsweise Postings oder Plakate, die kein Produkt bewerben, aber trotzdem bis zur absoluten Makellosigkeit retuschiert wurden, nicht ebenfalls kennzeichnungspflichtig? Mittlerweile kann ja jede:r Fotos ohne großen technischen Aufwand oder viel Know-How bearbeiten, zum Beispiel mit Instagram-Filtern. Wie anders Personen, die die Filter benutzen, tatsächlich aussehen, ist oft erst im direkten Vergleich auszumachen. Andererseits: Natürlich sind jüngere Generationen allesamt Digital Natives und mit dem Internet groß geworden – das heißt, sie haben oft auch ein ganz anderes Verständnis davon, was echt ist und was nicht.
Aber schaltet sich diese Ratio nicht irgendwann einfach aus, wenn man dauernd mit dem gleichen bildlichen Narrativ bombardiert wird? Ist es der richtige Weg, jungen Menschen bloß zu sagen, dass Filter, Retusche & Co. nicht die Wirklichkeit abbilden – oder brauchen wir diesbezüglich auch bei uns strengere Gesetze?
Wann geschieht in Deutschland endlich etwas?
Konkrete Gesetze bezüglich Kennzeichnungspflicht retuschierter Bilder gibt es in Deutschland noch nicht. Bis jetzt bleibt es bei Plänen, die sich allerdings bald konkretisieren könnten. Katharina Fegebank, Grünen-Politikerin, Zweite Oberbürgermeisterin Hamburgs und amtierende Vorsitzende der Gleichstellungs-und Frauenminister-Konferenz (GFMK) sagt: "Wir wollen im Rahmen unseres Vorsitzes auch für die Problemfelder Schönheitsideal und Schönheitswahn auf Social-Media-Plattformen sensibilisieren." Hamburg plant etwa, bis zur Haupttagung der GFMK im Sommer einen Antrag zum Thema Kennzeichnungspflicht vorzulegen.
Ein Vorreiter ist übrigens auch Norwegen mit seinem neuen Gesetz nicht. In Frankreich müssen Bilder, bei denen Körper von Models retuschiert wurden, bereits seit Oktober 2017 dementsprechend gekennzeichnet werden. Ich jedenfalls wünsche mir, dass andere Länder bald nachziehen.
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