Hätten die DFB-Frauen das EM-Finale für sich entschieden, hätte jede Spielerin 60.000 Euro Prämie erhalten – ein Bruchteil dessen, was die Männer im Fall eines Sieges bekommen hätten. Die Trainerin der Frauen fordert jetzt Änderungen.
Die Europameisterschaft der Frauen war medial so präsent wie keine zuvor – das hat sich auch in den Zuschauer:innenzahlen beim Finale niedergeschlagen, in dem die deutschen Frauen gegen die Engländerinnen spielten. Durchschnittlich 17,9 Millionen Menschen verfolgten das Spiel in der ARD, das ist ein Marktanteil von 64,8 Prozent. Ein Rekord: Nie zuvor haben so viele Deutsche bei einem Fußballspiel der Frauen eingeschaltet. Es ist ein Grund zur Freude, dass die sportliche Leistung der Frauen-Nationalmannschaft endlich mit ähnlichem Interesse und medialer Berichterstattung gewürdigt wird wie die der Männer. Aber was muss passieren, damit der Hype nicht nur von kurzer Dauer ist, sondern Frauen langfristig eine Karriere im Profifußball ermöglicht wird?
Fußball-Bundestrainerin Voss-Tecklenburg für Anpassung
Erster Punkt: Die Bezahlung. Man bekommt einen ganz guten Eindruck davon, wie weit die Schere hier zwischen den Spielerinnen und Spielern auseinandergeht, wenn man sich mit dem EM-Preisgeld befasst. Hätten die deutschen Frauen gegen die englischen "Lionesses" gewonnen, wäre jede der Spielerinnen mit 60.000 Euro Siegesprämie nachhause gegangen. Die deutschen Männer, die bei der letzten EM 2021 im Achtelfinale ausschieden, hätten im Fall eines EM-Sieges 400.000 Euro bekommen – ebenfalls pro Spieler.
Im ZDF-Interview sprach Martina Voss-Tecklenburg, die Trainerin der deutschen Frauennationalmannschaft, die sich bisher eher zurückhaltend zum Thema Bezahlung geäußert hatte, jetzt über ihre Forderungen. Bezogen auf die Titelprämien sagt sie: "Ich würde mir wünschen, dass es vielleicht auch der Gedanke im DFB ist, für die drei Topteams für den Titel das Gleiche auszuschütten". Mit den drei Topteams sind sowohl die A-Nationalmannschaften der Männer und Frauen sowie die U21-Auswahl der Männer gemeint. Voss-Tecklenburg schlägt vor, "bei den Männern ein bisschen weniger, bei den Frauen ein bisschen mehr" auszuzahlen.
50 Prozent der Profispielerinnen haben noch einen weiteren Job
Aber die Titelprämien sind nicht der einzige Umstand, der Fußball für Profifußballerinnen finanziell wenig lukrativ macht. Mehr als 50 Prozent der Profispielerinnen müssten neben ihrer Profikarriere noch nebenher arbeiten gehen, um ihren Lebensunterhalt zu stemmen, erklärt Voss-Tecklenburg. Sie wünscht sich Grundgehälter in der Frauenbundesliga, damit dieser Anteil verkleinert werden kann.
So weit zur Bezahlung der Spielerinnen. Aber reicht das, um jungen Mädchen und Frauen faire Chancen im Fußball zu ermöglichen? Martina Voss-Tecklenburg formuliert noch weitere Wünsche, die sie für die Zukunft des Frauenfußballs hat: unter anderem Talentgerechtigkeit zwischen den Geschlechtern, dass Jungen und Mädchen also gleichberechtigten Zugang zu Nachwuchsleistungszentren haben. Würde das passieren, wäre eine Profikarriere aller Wahrscheinlichkeit nach für mehr junge Mädchen denkbar – so findet dieses Szenario kaum in ihren Köpfen statt, weil Fußball immer noch vielerorts als Männersache angesehen wird. Lea Schüller, seit rund fünf Jahren für die Nationalmannschaft aktiv, sagt beispielsweise in einem Interview: "Es wurden (...) kaum Spiele (Anm. von Frauenmannschaften) im Fernsehen gezeigt. Deshalb war die Idee, tatsächlich Profi zu werden, für mich nie richtig greifbar".
Stichwort (mediale) Aufmerksamkeit: Zuletzt forderte die Bundestrainerin, dass auch die Frauenmannschaften zur Primetime anstoßen könnten. Genug Interesse besteht ja, wie die Zuschauer:innenzahlen beim EM-Finale gezeigt haben.
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