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Fernbeziehung meistern
Bild: pexels

Und wieder ein Abschiedskuss am Gleis – wie eine Fernbeziehung meistern?

09.12.2022
Lena Frings

In Deutschland lebt ungefähr jede achte Person in einer Fernbeziehung. So auch unsere Autorin. Zum Jahresende hat sie aufgeschrieben, was Distanz mit ihrer Beziehung macht – und warum es auch eine gute Seite an Fernbeziehungen gibt.

Wieder sitze ich im Zug. Die Fahrt zwischen den beiden Städten dauert knapp sechs Stunden – wenn alles glatt läuft. Ich kenne das schon: die vorbeifliegende Landschaft und den Einbruch der Dämmerung, das Neonlicht, den Teppichboden im Zug und die übervollen Abteile. Mein Laptop steht auf dem kleinen Klapptisch vor mir und mithilfe meiner Kopfhörer versuche ich alles um mich herum auszublenden. Ich denke mich in den Text hinein, den ich noch schreiben muss. Diesmal: Fernbeziehungen. Womit wir gleich beim Thema wären….

Klar, Fahrten sind nervig und auf Dauer vor allem sehr teuer. Irgendwann gewöhnt man sich an sie. Man lernt, in Zügen produktiv zu arbeiten und weniger gedankenabwesend aus dem Fenster zu schauen – obwohl auch das gelegentlich schön sein kann. Die größere Schwierigkeit einer Fernbeziehung besteht meiner Meinung nach aber nicht in den zeitaufwändigen Fahrten, sondern darin, an zwei Orten gleichzeitig leben zu wollen. Es ist kaum möglich, sich spontan zu treffen. Immer wieder stehen Abschiede an und immer wieder muss man sich fragen: Wer und wo ist Zuhause? Ich habe über das letzte Jahr hinweg verschiedene Seiten einer Fernbeziehung kennengelernt.

Leben mit einer großen Sehnsucht

Die eine Seite einer Fernbeziehung: Leben mit einer großen Sehnsucht. Man zählt die Tage und Wochen, manchmal Monate, bis man einander wiedersehen kann. Man telefoniert viel und lebt in einer Art Parallelwelt. Und hofft so sehr, dass dem kommenden Treffen nichts im Weg steht. Denn auch das passiert gelegentlich. Ein positiver Corona-Test, ein Bahnstreik oder ein neuer Jobauftrag können schnell einen Strich durch die Wiedersehenspläne machen.

Einmal schickte mein Freund mir ein Foto eines Magazins, in dem einer meiner Texte abgedruckt war. Wir hatten uns eigentlich am Wochenende treffen wollen, die Ticktes waren schon gebucht, als er plötzlich krank wurde. Das Heft lag im Wartezimmer der Arztpraxis. Es war irgendwie absurd und beschrieb unsere Situation ganz gut: Es war wahrscheinlicher, dass wir an unerwarteten Orten voneinander lasen, als dass wir uns tatsächlich sahen.

Eigene Pläne verfolgen

Doch ich habe auch die andere Seite von Fernbeziehungen kennengelernt. Beide erleben ganz viel, verfolgen ihre eigenen Pläne. Manchmal hat man auch einfach keine Lust mehr auf die große Sehnsucht, man kann nicht mehr in diesem Zwischenraum sein. Vielleicht geht man plötzlich sehr viel feiern und lernt neue Menschen kennen. Man kommt nicht mehr mit dem Erzählen hinterher und vielleicht entgleitet man sich ein wenig.

Doch es braucht diese Phasen, unbedingt! Um sich frei und lebendig zu fühlen. Was (zumindest meiner) Beziehung dann hilft: Das Vertrauen, dass man sich irgendwann wieder näher sein wird. Und das Vertrauen darauf, dass die andere Person das auch will. In einer Fernbeziehung zu leben, heißt, dass beide ihren Weg gehen und trotzdem füreinander da sind. Man supported sich, obwohl man an verschiedenen Orten lebt. Und immer wieder gibt es dann gemeinsame Inseln der Zweisamkeit.

Das ist vielleicht nicht die bequemste aller Beziehungsformen. Aber es ist eine fordernde, freie und abenteuerliche, bei der man auch viel über sich lernt. Apropos bequem; ich muss gleich aussteigen. Noch einmal in den Bus und dann bin ich endlich Zuhause. Fürs erste zumindest.


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