Lena Klenke hat ein Händchen für Projekte, die zum Hype werden. Doch das ganze Tamtam interessiert sie gar nicht, sie würde auch so immer ihr Bestes geben. Mit uns spricht die Schauspielerin über das Dilemma der sozialen Medien, Erfolge und Niederlagen, und über die Zuversicht, dass alles gut wird.
Zunächst mal die harten Fakten: Lena Klenke ist Schauspielerin, kommt aus München und ist ein sogenannter "Cusper" – das sind Menschen, die zwischen zwei Generationen geboren wurden, auf Englisch also "on the cusp". Die 27-Jährige gehört nicht mehr ganz zu den Millennials, aber auch noch nicht völlig zur Gen Z. Und so schlagen auch zwei Herzen in ihrer Brust: Da wäre einerseits eine geradezu nostalgische Liebe zu allem Analogen (zum Beispiel zu echten Büchern aus Papier), und andererseits die Faszination für soziale Medien, selbstironische Memes und die grenzenlosen Möglichkeiten des Internets. Es ist also nur konsequent, dass Lena Klenke ihre größten Erfolge bislang sowohl im Kino (mit "Fack ju Göhte" Teil 1 bis 3) als auch im Netz (mit der Netflix-Serie "How to Sell Drugs Online (Fast)") gefeiert hat. Zum Interview treffen wir uns auf eine Saftschorle in einem alten Kino mitten in Hamburg ...
Lena, bevor wir loslegen, müssen wir noch was klären. Das Internet schreibt dir zwei Geburtstage zu: den 15. Oktober 1995 und den 25. Dezember 1995. Welches Datum stimmt?
Der 25. Dezember 1995!
Oh, ist das nicht nervig, Weihnachten Geburtstag zu haben?
Sehr. Ich hab tatsächlich noch nie mit meinen Freunden gefeiert und bin ehrlich gesagt immer froh, wenn der Tag vorbei ist. (lacht)
Fühlst du dich eher den Millennials zugehörig oder der Generation Z?
Den Millennials.
Was schätzt du an deiner Generation?
Ich mag, dass wir auch mal ohne Handy können. Wenn ich mit meinen Freundinnen in den Urlaub fahre, haben wir Bücher dabei und lesen uns manchmal gegenseitig vor. Ich habe das Gefühl, dass mein Gehirn noch dazu fähig ist, sich auf eine Sache zu konzentrieren, ohne dass ich das Bedürfnis habe, nebenbei noch was anderes zu tun.
Du kannst also zu Hause in Ruhe einen Film schauen, ohne zwischendrin aufs Handy zu gucken?
Ich merke schon, dass meine Aufmerksamkeitsspanne kleiner wird. Die Gedanken und Augen fangen an zu wandern: "Oh, da müsste ich mal wieder Staub wischen."
Wir sitzen gerade in einem Kino, einer der wenigen Orte, an denen man für zwei, drei Stunden ohne Ablenkung in eine Geschichte eintauchen kann.
Ja, und das ist so toll! Kino ist ein dunkler Raum, eine Leinwand, das war's. Deswegen mag ich Zugfahren auch so gerne. Es ist wie ein Abtauchen in einen Tunnel. Ich kann den Zug nicht verlassen und bin gezwungen, mich auf das zu konzentrieren, was ich gerade tue. Verrückt, dass man diesen Fokus braucht, um Sachen zu schaffen.
Wie stehst du zu Social Media?
Ich habe hin und wieder Phasen, in denen ich die Instagram-App lösche und mir denke: "Ich lade sie mir nie wieder runter, ich brauche das gar nicht." Es gibt aber auch Zeiten, in denen ich total beeindruckt bin von Leuten, die sich auf dieser Plattform etwas aufgebaut haben. Instagram ist für mich auch Inspirationsquelle und Kommunikationsmittel. Es ist ein konstanter Struggle.
Du klingst kritisch gegenüber Social Media, nutzt Instagram aber auch, um Markenwerbung zu machen. Geht das zusammen?
Ich denke mir: Solange ich hinter dem stehe, was ich tue und ich selbst bleibe, funktioniert das. Ich würde niemals mit einer Marke zusammenarbeiten, mit der ich privat nichts anfangen kann. Es ist so: Wenn ich mit Werbung, die ich selbst mag, deren Produkte ich gut finde, Geld verdiene, kann ich im Gegenzug auch ab und an einen Low-Budget-Film zusagen, der mir sehr am Herzen liegt.
Wie wichtig ist dir Sicherheit?
Ich arbeite in einem unvorhersehbaren Job, deswegen habe ich in meinem Alltag gerne die Kontrolle. Ich will wissen, was auf mich zukommt.
Hast du einen Plan im Kopf, wie deine Karriere aussehen soll?
Nicht wirklich. Bis zu einem gewissen Punkt kann ich meine Karriere beeinflussen, aber letztendlich bin ich in meinem Beruf als Schauspielerin doch fremdgesteuert. Ich mache das schon, seit ich 13 bin und habe gelernt, das entspannt zu sehen, go with the flow, funktioniert mal mehr, mal weniger...
Wie war deine Teenie-Zeit?
Ich hatte weniger Zeit für Freunde, aber ich wollte unbedingt Schauspielerin werden, deswegen hatte ich nie das Gefühl, etwas zu verpassen. Es war allerdings auch nicht einfach, die Schulzeit ist ja die Zeit, die am meisten von Neid geprägt ist. Da gab's auch mal blöde Kommentare.
Jetzt bist du 27 Jahre alt. Wie ist es für dich, in der Serie "How to Sell Drugs Online (Fast)" immer noch eine Teenagerin zu spielen?
Zwischen der dritten und vierten Staffel, an der gerade geschrieben wird, wird es einen Zeitsprung geben. So jung wir auch aussehen: Irgendwann glaubt uns eben keiner mehr, dass wir noch zur Schule gehen. (lacht)
In "How to Sell Drugs Online (Fast)" geht es um einen Schüler, der sich vom Kinderzimmer aus ein Drogen-Imperium aufbaut. Warst du vom Konzept der Serie sofort überzeugt?
Überhaupt nicht. Eigentlich hab ich mich bis zum Abdrehen der ersten Staffel gefragt: Was mache ich hier eigentlich? Und interessiert das überhaupt irgendjemand?
Die Frage wurde relativ schnell beantwortet, die Serie ist ein großer Erfolg.
… und jetzt bin ich sehr froh, ein Teil dieser Familie sein zu dürfen. Nach der ersten Staffel waren wir trotzdem unsicher, ob es überhaupt weitergeht. Und jetzt dürfen wir sogar noch eine vierte machen.
Die Serie ist auch international sehr beliebt. Gab es einen Moment, in dem dir der Erfolg so richtig bewusst wurde?
Ich saß in New York in einem Café und auf einmal kommt jemand auf mich zu und sagt: "Oh my god, you're that girl from 'How to Sell Drugs Online (Fast)'!" Das war so absurd.
Kannst du selbst Fan deiner eigenen Arbeit sein?
Leider nicht. Ich bin zu kritisch mit mir. Eigenlob fühlt sich auch immer ein bisschen komisch an.
Was unterscheidet die Serie von anderen deutschen Produktionen?
Es sollte von Anfang an nicht typisch deutsch aussehen. Wir haben ein junges Autor:innenteam, das immer am Puls der Zeit schreibt. Netflix gibt einem die Chance, Neues auszuprobieren. In Deutschland gilt es immer noch als verpönt, wenn ein Film nicht im Kino erscheint, sondern auf einer Streaming-Plattform. Dabei liegen da heutzutage viel mehr Möglichkeiten.
Machst du dir Gedanken darüber, wie es sein wird, wenn der Hype abflaut?
Durch "Fack ju Göhte" habe ich früh mitbekommen, wie es ist, wenn etwas sehr erfolgreich ist und auf einmal eine Phase kommt, in der es keinen mehr interessiert. Dagegen hilft, dass ich mich im Alltag mit Menschen umgebe, von denen ich weiß, dass sie mich nicht wegen des Erfolgs mögen. Ich mache diesen Job ja, weil ich eine Passion dafür habe und Geschichten erzählen will, nicht weil ich berühmt sein möchte.
In deiner Branche muss man leider auch gut mit Absagen umgehen können. Wie gut bist du darin?
Das kann schon sehr hart sein, vor allem in dem Moment, in dem man die Absage bekommt. Aber irgendwann realisiert man, dass das aus einem Grund passiert. Ich habe selten einer Rolle, die ich nicht bekommen habe, hinterhergetrauert.
Du hast einmal in einem Interview gesagt, dass du nach einem Projekt immer eine Pause brauchst, um zu dir zurückzufinden. Hast du dich schon mal zu sehr in einer Rolle verloren?
Ja, das passiert. In meinem letzten Projekt, die Serie "24 Stunden" von Leonie Krippendorff, gehörte zu meiner Rolle eine Fehlgeburt. Wir hatten eine Hebamme am Set, die uns bestätigt hat, dass die Szene der Realität sehr nahekommt. Es war alles okay, während wir das gedreht haben, mir war bewusst, dass ich das nur spiele. Aber abends im Hotelzimmer habe ich mich so erschöpft gefühlt und war einfach sehr traurig. Man spielt sich selbst etwas vor, aber der Körper weiß das ja nicht. Vor der Kamera geht man in emotionale Extreme und danach ist man einfach leer. Ich verstehe total, wenn es Kollegen und Kolleginnen passiert, dass sie in ein Loch fallen, weil sie sich über lange Zeit so intensiv in Rollen hineinversetzt haben.
Wie kommst du da wieder raus?
Das ist unterschiedlich. Sport hilft, Sauna auch, da schwitzt man alles raus (lacht). Sonst ein Spaziergang, sich was Gutes tun, in die Realität zurückfinden.
Bekommen wir zum Abschluss noch ein paar Kulturtipps von dir? Für die bist du ja auf Instagram bekannt. Wenn du jemandem einen Film, eine Serie und ein Buch empfehlen müsstest, welche wären das?
Kommt drauf an, für wen, aber ein Klassiker ist auf jeden Fall der Film "Absolute Giganten" von Sebastian Schipper. Was Serien angeht, liebe ich "Succession". Und den Buchtipp muss ich in Deutsch und Englisch aufteilen: einmal "Die hellen Tage" von Zsuzsa Bánk und "Animal" von Lisa Taddeo – aber da würden mir auch noch so viele mehr einfallen.
Dieser Artikel erschien zuerst in der EMOTION 06/23.
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