Die Pläne für eine Aktienrente in Deutschland werden konkreter: Steuerzahler:innen werden Aktionär:innen und an der Spitze managt das alles eine Frau. Echt jetzt? So könnte es zumindest kommen.
Die gesetzliche Rente soll auf neue Füße gestellt werden, die Aktienrente soll dabei helfen. Mit den Erträgen, die die Bundesregierung am Aktienmarkt erwirtschaften will, soll die gesetzliche Rentenversicherung stabilisiert werden. Jetzt hat Finanzminister Christian Lindner (FDP) konkretere Pläne dafür vorgestellt. Er nennt es "Generationenkapital", das künftig in einen Fonds fließt und am Kapitalmarkt investiert werden soll. Die Idee der Aktienrente stand schon im Koalitionsvertrag der Ampel.
Demografie hebt Rentensystem aus den Angeln
Der neue Fonds soll die bestehende gesetzliche Rente ergänzen, nicht aber ersetzen. Das gesetzliche Rentensystem ist umlagefinanziert – und funktioniert immer schlechter. Denn immer mehr Rentner:innen kommen auf weniger Beitragszahler:innen. Die Beiträge reichen nicht mehr, um die Renten abzudecken. Deswegen muss der Bund jedes Jahr hohe Zuschüsse aus Steuermitteln bereitstellen. 2022 waren es über 100 Milliarden Euro, rund 30 Prozent der Ausgaben der gesetzlichen Rentenversicherung.
Revolution im Sparbuch-Land?
Mit dem Konzept der Aktienrente könnten künftig nicht nur Beiträge und Steuern die Finanzierung der gesetzlichen Rente tragen, sondern auch die Erträge eines Kapitalstocks. Dahinter steht die Idee: Der Staat legt Geld am Kapitalmarkt an, kauft also Aktien und Anleihen – und der Gewinn wird den Bürger:innen als Zuschuss zur Rentenfinanzierung zur Verfügung gestellt. Jede:r Steuerzahler:in wird damit in gewisser Weise zum Aktionär oder zur Aktionärin. Dabei sind die Deutschen traditionell eher vorsichtig, wenn es um Aktieninvestments geht. Nur etwa jede:r Fünfte hat sich an den Kapitalmarkt getraut. Deshalb sprechen Beobachter:innen im Zusammenhang mit der Aktienrente schon von einer kleinen Revolution für die Sparbuch-Nation Deutschland.
Staat sorgt für den Kapitalstock
Funktionieren soll es nach den aktuellen Plänen so: Im Bundeshaushalt 2023 sind für den Aufbau eines Stiftungsvermögens, mit dem dann langfristig das Rentensystem stabilisiert werden soll, Kredite in Höhe von zehn Milliarden Euro vorgesehen. Diese Summe soll künftig jährlich in den Fonds fließen. Dort soll langfristig investiert werden, um auch von Zinseszinseffekt zu profitieren. Deshalb soll gesetzlich vorgeschrieben werden, dass Erträge frühestens erst ab 2037 entnommen werden dürfen. Das Risiko für eventuelle Verluste trägt der Bund.
Öffentlich-rechtliche Stiftung als Fondsmanagerin
Über die konkreten Investitionen des Fonds werden nicht Politiker entscheiden. Im Gespräch ist, die öffentlich-rechtliche Stiftung KenFo, die unabhängig von der Regierung ist, mit der Anlage der Gelder zu befassen. KenFo – das ist der Fonds zur Finanzierung der kerntechnischen Sanierung. Er wurde 2017 zur Finanzierung des Atomausstiegs gegründet und ist die größte öffentlich-rechtliche Stiftung Deutschlands. Er ist mit rund 24 Milliarden Euro gestartet, die die Kraftwerksbetreiber gezahlt haben, und soll in den kommenden 80 Jahren durchschnittlich 3,7 Prozent Rendite im Jahr erwirtschaften. An der Spitze steht die Managerin Anja Mikus.
Hier kannst du nachlesen, welchen Weg KenFo-Chefin Anja Mikus in ihren jetzigen Job nahm.
Hauptziel Beiträge stabilisieren
Allerdings wird es nach den jetzigen Plänen nicht so sein, dass wir uns mit der Aktienrente über einen Zuschuss zu unserer Rente freuen dürfen. Rentner:innen werden von den Gewinnen am Kapitalmarkt nicht direkt profitieren. Die Bundesregierung plant, dass die Erträge zur Stabilisierung der Entwicklung des Beitragssatzes genutzt werden und nicht zur Aufbesserung der Rente. Damit ist Lindners "Generationenkapital" eher eine Aktienrücklage.
Schulden für die Aktienrente
Und zunächst sind neue Schulden für den Fonds nötig. Die Einzahlungen in das Rentenkapital sind also nicht nur eine Ausgabe, sondern rein juristisch ein Zinsdifferenzgeschäft. Auf der anderen Seite werden die Darlehenszinsen die mögliche Rendite des Fonds zunächst schmälern.
Was das für dich bedeutet? Du zahlst ganz normal weiter in die gesetzliche Rentenkasse ein – und nicht in einen Aktienfonds. Wie der staatliche Fonds läuft, spielt für die Höhe deiner späteren Rente erst einmal keine Rolle. Die Erträge, die der Fonds erzielt, sollen nur dafür sorgen, dass deine Rentenbeiträge nicht immer weiter steigen, sondern im Rahmen bleiben.
Vergleich mit dem Vorbild Schweden
Kritiker:innen sagen aus all diesen Gründen: Das ist gar keine echte Aktienrente. Wie so eine Aktienrente funktioniert, kann man in Schweden besichtigen. Das Land wird immer wieder als Vorbild angeführt. Dort zahlt jede:r zusätzlich zu den Rentenbeiträgen 2,5 Prozent vom Bruttoeinkommen in einen Aktienspartopf. Die Bürger:innen können auch freiwillig mehr zahlen. Beim Schwedenmodell wird jeder/m Einzahler:in für die individuelle Summe, die sie oder er vom Bruttoeinkommen in den Aktienspartopf zahlt, ein eigener Wertpapierstapel zugeschrieben. Jede:r kann also genau sagen, wie hoch sein Anteil an der Zusatzrente aus Aktienfonds ist.
Ganz wichtiger Baustein der schwedischen Aktienrente ist die Möglichkeit, den Pflichtanteil für die Einzahlung freiwillig aufzustocken. Es macht die Einzahler:innen tatsächlich zu Aktionär:innen. Im Laufe der Jahre vor dem Renteneintritt können die Schwed:innen verfolgen, wie ihr Anteil sich entwickelt und welche Rendite das Kapital erwirtschaftet. Es wirkt motivierend, wenn sie dem Geld in den jährlichen Standmitteilungen beim Wachsen zusehen können. Aber natürlich brauchen sie auch Nerven, wenn mal eine negative Mitteilung kommt und es an der Börse mal nicht so gut lief für den Aktienfonds.
Beitragszahler:innen entdecken die Welt der Aktien
Insgesamt aber rücken alle Bürger:innen über das staatliche Rentensystem mit seinem Aktien-Baustein näher an den Kapitalmarkt heran. Das baut Berührungsängste ab. Ein Fortschritt, weil damit eine Tür zu mehr finanzieller Selbstbestimmtheit aufgestoßen wird.
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