Violette Serrat steht für French Chic wie kaum eine andere. Ihre neue Rolle als Global Director of Make-up bei Guerlain könnte nicht besser passen – wir sprachen mit der 32-jährigen Pariserin über Selbstliebe, Kunst, ihre französischen Wurzeln und ihr Beauty-Start-up.
Violette zählt zu meiner persönlichen Top 5 der Menschen, die ich unbedingt mal interviewen will. Umso aufgeregter bin ich, als es endlich klappt und ich im Teams-Call darauf warte, bis sie dazukommt. Das Erste, was sie zu mir in ihrem charmanten französischen Akzent sagt, ist: "Schöner Lippenstift!". Ich antworte, dass es ihr "Petal Bouche" sei, der rote Lippenstift ihrer eigenen Beauty-Brand Violette_FR. Sie lacht: "Ich weiß, ich erkenne meine Babys sogar auf dem Bildschirm".
EMOTION: Warum hast du dich dazu entschlossen, mit Guerlain zusammenzuarbeiten?
Violette Serrat: Als Französin und Make-up-Artist ist es unmöglich, nein zu sagen. Guerlain ist die Marke, die den ersten Lippenstift kreiert hat, sie waren in so vielen Dingen Pioniere. Welche andere Brand kann auf eine 200 Jahre alte Geschichte zurückblicken? Unglaublich. Es ist mein Land und meine Kultur. Ich fühle mich geehrt, dass sie an mich gedacht haben – ich musste einfach ja sagen.
Gibt es ein Produkt von Guerlain, das du mit persönlichen Erinnerungen verbindest?
Zu den "Météorites" habe ich ich eine besondere Verbindung. Ich habe sie schon auf dem Beauty-Tisch meine Großmutter und Mutter gesehen. Als ich in den Laboren von Guerlain war und gesehen habe, dass die Perlen von Hand gerollt werden und ich es selbst versuchen durfte, hat das in mir eine gewisse Nostalgie ausgelöst. Es hat mich sehr berührt, dass ich dieses ikonische Produkt überarbeiten und daraus die "Météorites 2.0" machen darf, sodass sie jede:r wieder benutzen will.
Du bist der Inbegriff des französischen Chics. Kann jede Frau dieses "je ne sais quoi" haben?
Natürlich! An unserer DNA ist nichts Besonderes, wir sind alle gleich. Der Unterschied ist nur: Wir sind wir selbst und zelebrieren genau das. Wir sind frei in unserem Look – es geht nicht darum, dass wir zu "gemacht" oder besser aussehen. Du fühlst etwas, wenn du roten Lippenstift trägst, oder? Genau das ist Make-up für uns. Wir feiern uns damit selbst, anstatt etwas an uns zu optimieren.
Ist das auch deine Definition von Beauty?
Absolut – zu hundert Prozent. Ich verwende Beauty nicht als Performance-Tool. Wenn du jeden Tag eine Maske aufsetzt, um anders auszusehen und dich abends dann abschminkst – wie sollst du dich selbst lieben? Warum nicht einfach das Gesicht morgens behalten und ein kleines schönes Extra hinzufügen – genau so sehe ich Beauty. Ich bin sehr mit meinen französischen Wurzeln verbunden. Und egal ob mit meiner Brand oder mit Guerlain – ich versuche dieses coole französische Image zu entschlüsseln, sodass jede:r darauf Zugriff hat und sich genauso fühlen kann. Ich will meine Überzeugung teilen, dass wir alle perfekt geboren sind und mit Make-up einfach Spaß haben sollten.
Was ist deine erste Beauty-Erinnerung, die dir in den Kopf kommt?
Ich war verrückt nach dem Film "Wizard of Oz" und dachte mir nur: Dorothys Schuhe sollten als Lippenstift existieren. Ich arbeite noch immer dran, mittlerweile schon seit drei Jahren. Es ist schwierig, so einen roten Lippenstift zu kreieren, der vegan und nachhaltig ist.
Hast du einen ultimativen Tipp für ein bisschen Glamour im Alltag?
Glitzer, roter Lippenstift und Parfüm. Und manchmal hilft auch ein Glas Wein.
Wann wusstest du, dass du Make-up-Artist werden willst?
Um ehrlich zu sein nie. Ich mag Make-up gar nicht so sehr, was komisch ist. Ich liebe die Instrumente und wie ich Beauty als Wellness-Tool nutzen kann. Und wie ich Menschen dabei helfen kann, sich selbst zu fühlen. Ich komme eigentlich aus dem Kunst- und Mode-Bereich, deshalb war Beauty immer mein künstlerisches Medium, es ging nie um das Make-up selbst. Als ich bei einigen Fashion-Shows war und andere meiner Branche stundenlang darüber sprechen hörte, wie sie das Make-up kreiert haben, welche Produkte sie benutzt haben – ich dachte mir nur: Es ist mir wirklich egal. Ich interessiere mich für die Geschichte dahinter, wie ich mit den Looks die Kollektionen der Designer:innen zum Leben erwecken kann. Da habe ich schnell gemerkt, dass ich ein totales Alien in dieser Industrie bin. Aber ich habe es geschafft, meinen Platz zu finden und Dinge auf meine Art und Weise umzusetzen.
Dein künstlerischer Background hat dich also sehr beeinflusst.
Kunst ist für mich alles. Ich sage immer: Kunst ist die Liebe meines Lebens – sie inspiriert mich ständig in meiner Arbeit.
Hast du eine:n Lieblingskünstler:in? Welche Kunstwerke hängen bei dir zu Hause?
Meine Lieblingskünstler sind Mark Rothko und Yves Klein – ich wünschte, ich würde Kunst von ihnen besitzen! (lacht). Zu Hause habe ich ein tolles Bild von Fong Min Liao. Sie ist eine großartige Künstlerin, die vor allem mit Rot spielt. Ich liebe die Lebendigkeit ihrer Werke.
Was ist dein Signature-Style? Ohne welche Fashion-Pieces kannst du nicht leben?
Jeans, weißes T-Shirt und roter Lippenstift.
Seit diesem Jahr hast du deine eigene Beauty-Brand. Was war das Wichtigste für dich, als du Violette_FR gegründet hast?
Die Seele und den Herzschlag meiner Marke zu bewahren. Sobald du Investor:innen mit ins Boot holst, wird es ein Business und Leute sagen dir, was du tun sollst. Zu mir meinten sie: "Du launcht einen Lippenstift während Covid? Niemand will Lippenstift tragen. Du bringst ein Parfüm online raus? Niemand kennt dich für Düfte." Mein Parfüm "Avec Amour" war innerhalb von fünf Stunden ausverkauft, der Lippenstift ist jetzt schon Kult. Der Schlüssel ist, auf dein Herz und deine Instinkte zu hören und allem, was du tust, einen Sinn zu geben.
Du kommst ursprünglich aus Paris, lebst aber in New York. Was vermisst du?
Den Lifestyle, alles. In Paris siehst du niemanden mit einem Coffee-to-go auf der Straße. Wir nehmen uns die Zeit, um uns kurz für fünf Minuten hinzusetzen und unseren Kaffee zu genießen. In New York hingegen gibt es keine Person, die kein Getränk in der Hand hält, mich selbst inkludiert. Paris inspiriert mich sehr – überall wo ich laufe, die Architektur, einfach alles. Paris ist mein Zuhause, dort fühle ich mich sicher.
Willst du mal nach Paris zurückkehren?
Ich brauche New York und seine Energie. Dieses Ding mit New York und den großen Träumen, das ist keine Lüge. Mittlerweile lebe ich seit sechs Jahren hier und alles, was seitdem passiert ist, ist unglaublich. Ich arbeite superhart, aber New York hat es möglich gemacht. Die Stadt hat etwas Magisches und ist sehr divers. Wer weiß, ob ich jemals nach Paris zurückkehre – ich habe dort erst ein Appartement gemietet – Paris ist jetzt ein Zuhause, das ich vermissen kann.
Wo findet man dich in New York? Was sind deine Lieblingsplätze?
Ganz ehrlich? Im echten Leben findest du mich nur in meinem Office oder zu Hause. Meine Arbeit ist mein Zuhause (lacht). Sonst liebe ich Brooklyn, im Frühling finde ich im Botanical Garden immer Inspiration. Und ich bin auch gern auf Wochenmärkten unterwegs.
Was ist dir lieber: essen gehen oder selbst kochen?
Ich liebe es, wenn jemand für mich kocht (lacht). Früher habe ich viel und gern gekocht und gebacken, aber seitdem ich meine Tochter habe, nicht mehr so viel. Wenn ich Zeit habe, verbringe ich sie lieber mit meinem Mann oder mit ihr. Aber ich gehe auch gern gut essen, so wie im "Blue Hill at Stone Barns" in New York – dieses Michelin-Restaurant, das nur Produkte aus eigenem Anbau verwendet – das ist großartig.
Dein Terminplan ist bestimmt supervoll – du bist Make-up-Artist, arbeitest für Guerlain, hast dein eigenes Business und bist Mama. Wie hältst du die Balance zwischen Arbeit und Familie und findest auch noch Zeit für dich selbst?
Um ehrlich zu sein habe ich keine Zeit für mich. Ich habe mal Sport gemacht, meditiert – das schaffe ich alles nicht mehr. Ich weiß, das ist nicht für immer, aber ich habe ja gerade erst ein Start-up gegründet. Auch wenn ich diese Momente für mich selbst vermisse, passe ich auf mich auf. Zeit für meine Familie ist mir superwichtig – wichtiger als alles Andere. Ich will für meine Tochter da sein. Wenn ich für Guerlain nach Paris muss, kommt sie einfach mit – ich liebe es, mit ihr zu reisen. Rituale mit ihr sind mir auch wichtig – Frühstück, sie ins Bett bringen. Das bedeutet auch, dass ich oft arbeite, wenn sie schläft – dass ich meine Arbeit so organisiere ist für mich nicht verhandelbar.
Du hast schon so viel in deinem Leben erreicht. Wo siehst du dich in zehn Jahren?
Mal sehen, ich lebe eher im Moment. Hoffentlich habe ich noch ein Kind und wir sind als Familie glücklich. Und ich mache noch immer den Job, den ich so liebe.
Moodboard trifft Make-up-Tipps – wer sich von Violette und ihrem Stil inspirieren lassen will, kann ihr unter @violette_fr folgen
Mehr lesen: