Sängerin Sarah Klang nennt sich "The saddest girl in Sweden" und startet mit ihrer Musik jetzt auch bei uns durch. Das Besondere: Sie spricht offen über ihre depressiven Stimmungen und erzählt uns, wie sie es trotz Traurigkeit schaffen will, Karriere zu machen.
EMOTION: Es hat Dich mal jemand "das traurigste Mädchen Schwedens" genannt. Ist das wirklich so?
Sarah Klang: Nein, ich hab mich selbst so genannt, "The saddest Country-Girl of Sweden" war mein Name als Solokünstlerin (Slogo). Aber dann, als ich die Band gegründet habe und wir bekannter wurden, waren die Leute verwirrt, weil wir keine Country-Musik gespielt haben. Von dieser Musikrichtung bin ich inspiriert, aber wir machen Pop, mit einem Vintage-Sound. Die Songs auf dem Album sind alles meine Geschichten – traurige Liebeslieder. Also dachte ich, das passt doch mit "The saddest Girl of Sweden".
Würdest Du sagen, dass Du traurig bist, oder melancholisch? Oder eher depressiv?
Ich bin definitiv nicht depressiv, oder das, was man unter einer klassischen Depression versteht. Aber ich habe diese Seite an mir, wie viele kreative Menschen. Bestimmt, rückblickend, hatte ich in meinem Leben schon ein paar leichte Depressionen. Jetzt geht es mir aber gut.
Mein eigentliches Problem, was Gefühle angeht: Ich habe starke PMS – okay, das Fachwort dafür heißt PMDS. Das normale PMS-Syndrom führt bei vielen Frauen dazu, dass sie sich schlecht und gereizt fühlen, schon fast depressiv sind. Bei mir ist es auch so. Allerdings viel intensiver. Als Jugendliche und in meinen frühen Zwanzigern, habe ich gedacht, dass ich wirklich krank und hochgradig depressiv bin. Bis ich dann endlich Hilfe gefunden habe.
Mein Arzt wusste gut über das Thema Depression Bescheid, aber auch über PMS. Die feinen Unterschiede kennen nicht viele Ärzte. Bei denen ist es immer eher so: Ah, Ihnen geht's schlecht, Sie sind traurig, gereizt und fühlen sich matt? Dann kann es nur eine Depression sein. Aber ich habe gewusst, dass es das eigentlich nicht sein kann. Mein Arzt hat mir ein Medikament verschrieben, das nicht gegen Depressionen ist, sondern meine Hormone reguliert.
Gingen diese Phasen in Deiner Jugend los, weil sich Deine Hormone verändert haben?
Ich glaube, dass ich immer schon sehr sensibel, aber nicht immer super melancholisch war. Ich war immer auch euphorisch, glücklich und aktiv. Ich bin beides. Als ich ungefähr 17, 18, 19, 20 war, habe ich diese krassen Stimmungsschwankungen bekommen. Die meisten Frauen, die PMS haben, haben das ungefähr eine Woche vor ihrer Periode und vielleicht noch ein paar Tage danach. Aber ich hatte es zwei Wochen vorher, die Woche während meiner Periode und noch ein paar Tage danach. Ich hatte also nur zwei Tage im Monat, in denen ich mich gut gefühlt habe.
Es ist für mich sehr schwer gewesen, herauszufinden, woran meine Stimmung liegt – bin ich gerade verrückt, bin ich depressiv, hormongesteuert, wann schwingt es wieder um?
Wenn man sensibel ist, gibt es immer Themen, die einen mehr oder weniger triggern – welche sind es bei Dir?
Definitiv Stress. Und manchmal kann ich meine Gefühle nicht kontrollieren, wenn ich von Menschen umgeben bin, die mich nicht so gut kennen und nicht wissen, was los ist. Das macht mich sehr unsicher. Ich lerne zwar, damit umzugehen, seit drei Jahren jetzt ungefähr, seit der Diagnose. Und es hilft mir, weil ich Medikamente habe, die mich runterbringen.
Wie bist Du aufgewachsen?
Überall. Die ersten Jahre in Göteborg. Dann sind meine Mutter und ich überall hin umgezogen. Erst in die Mitte Schwedens, dann ganz hoch in den Norden, wo es im Winter so gut wie gar kein Sonnenlicht gibt – nur zwei Stunden täglich. Da leben übrigens auch Rentiere. Das Licht macht viel aus. Ich war es gewohnt, an der Westküste Schwedens zu leben, und dann sind wir da hoch in den Norden gezogen. Ich wollte einfach nur zurück. Und dann habe ich noch Hautprobleme bekommen. Sie ist rot geworden und von der Kälte ausgetrocknet. Zusammen mit dieser ständigen Dunkelheit hat mich das wirklich sehr gestresst. Ich würde da freiwillig nie wieder hin ziehen.
Würdest Du sagen, dass Deine Gefühle sich in deinen Songs widerspiegeln?
Ja. Meistens schreibe bzw. singe ich über Geschichten, die mir selbst passiert sind. Die Songs sind wie ein Tagebuch für mich.
Ist es denn so wie ein 1:1 Verschnitt oder vielleicht auch etwas "übertrieben" dargestellt, um das Gefühl erst so richtig auszuleben?
Sicher. Damit es ein richtiger Song wird, musste da schon noch etwas Pepp rein. Ein weiterer Punkt: Englisch ist nicht meine Muttersprache. Deswegen müssen die Songs klar und deutlich sein, finde ich. Sie sagen die Dinge einfach so, wie sie sind. Ich wiederhole viel, nutze aber auch mehr als nur die Lyrics, um mich auszudrücken. Auf der Bühne oder im Studio, wenn ich dann performe, kann ich schon auch sehr dramatisch sein. Das gehört für mich dazu.
Warum wolltest Du Musik machen?
Musik war immer mein Weg. Schon als ich klein war, habe ich gerne Musik gehört und gesungen. Aber nie professionell. Eine Zeit lang war ich zwar in der Musikschule, aber da habe ich schnell herausgefunden, dass dieser Weg mich nicht reizt. Egal ob in der Schule, oder zu der Zeit, als ich in Restaurants und Shops gearbeitet habe – in meinem Hinterkopf hab ich aber immer gewusst, dass Musik das Einzige ist, was ich wirklich gut kann und auch wirklich durchziehen will.
Und was genau liebst Du so an der Musik? Singen, Songwriting? Den Moment auf der Bühne?
Wenn ich live performe, passieren Dinge, die ich nicht wirklich in Worte fassen kann. Im Moment ist man so super fokussiert, dass alles gut klingt und die Band und ich zusammenspielen. Aber es ist nicht so, dass ich dabei denke: Ich stehe hier und gebe meine Seele preis. Nach dem Auftritt spüre ich aber: Oh, es hat sich was getan. Da sind so viele Leute und sie geben auch etwas zurück. Ich denke, das ist eine wirklich tolle Sache.
Du sagt, Songs schreiben heilt Dich ...
Ja, absolut! Es ist, als würde man ein Tagebuch schreiben. Und ich glaube, für viele Kreative, oder selbst die, die sich nicht kreativ fühlen, kann schreiben oder zeichnen etwas sein, was einem das Gefühl gibt, den belastenden Moment auf dem Papier zurückzulassen. Und dann kann ich wieder nach vorne blicken und weitermachen.
Dieses sich in einen Song fallen lassen und Gefühle in Lyrics packen, ist doch vollkommen anders, als Karriere zu machen, oder? Da muss man ja auf Knopfdruck funktionieren ... Wie schaffst Du es, nicht daran zu zerbrechen?
Nun, Karriere mache ich seit quasi einem Tag {lacht}. Deshalb weiß ich es nicht. Also für mich ist es jedenfalls so, dass ich es liebe, Musik zu machen, seit ich Kevin Anderson getroffen habe, der mein Produzent und auch Gitarrist ist. Und wir wollen einfach nur wirklich gute Aufnahmen machen. Alles, was das Business betrifft, lief bisher eher im Hintergrund ab – Interviews, Promotour, mehr und mehr geplante Auftritte, Social-Media-Präsenz. Das ist etwas anderes als Musik machen. Musik machen strengt mich nicht an. Aber es stresst mich schon, gerade jetzt, wo alles besser läuft, am Ball zu bleiben. Eben die Arbeit hinter den Kulissen, abseits der Show.
Und was machst du, wenn es Dir zu viel wird?
Ich weine. Und da gibt es leider nicht wirklich viel, was ich sonst machen kann. Ich mein, niemand zwingt mich, das zu machen. Also ich könnte ja damit aufhören, bevor es mir zu schlecht geht. Und besonders, weil ich ein sensibler Mensch bin, werden mir manche Situationen auch mal schnell zu viel. Zwei große Shows nacheinander oder ein Auftritt im Fernsehen, da werde ich schon etwas wahnsinnig: Was ich anziehen soll, oder wie sehe ich überhaupt aus und so weiter – Dinge, in denen ich sonst viel selbstsicherer bin. Ich denke aber auch daran, dass ich mich bisher im Nachhinein immer viel besser gefühlt habe. Dieser Gedanke allein hilft mir sehr.
Gibt es eine Art Ritual, wonach Du Dich besser fühlst?
Wenn ich merke, dass es mir mental nicht so gut geht, trinke ich keinen Alkohol mehr oder nehme sonstige Drogen. Wenn man sensibel ist, kann das noch mal so viel mehr triggern. So wie viele andere in Schweden auch, habe ich sehr früh angefangen, zu trinken und das gehörte auf Partys einfach dazu. Und jetzt, ein wenig älter, weiß ich es besser und weiß, es hilft mir nicht, sondern den Zustand nur verschlechtert. Außerdem habe ich herausgefunden, dass ich regelmäßig essen muss. Frühstück, Mittag, Abendessen. Hungrig herumlaufen macht mich nämlich ziemlich fertig. Und ich schlafe sehr viel und ruhe mich aus, um mich wieder besser zu fühlen.
Hast Du Deine produktive Phase im Songwriting eher, wenn es dir gut oder schlecht geht?
Tatsächlich, wenn es mir besser geht. Es ist eher so der Übergang – wenn ich das Tief gerade verlassen habe. Dann kommt auch die Kreativität zurück. Und ich schaffe eben auch mehr, wenn ich mich gut fühle.
Ist Musik machen für Dich vergleichbar mit konventionellen Therapie-Methoden?
Ich MUSS die Tabletten, die hormonellen Anti-Depressiva, nehmen. Sonst könnte ich keine Musik machen, könnte mich nicht aufraffen, überhaupt etwas zu tun, oder mit jemandem zu sprechen. Das ist wie Level 1 dabei, sein Leben lebenswert zu machen. Mit jemanden in einer Therapie zu reden, ist aber anderes als Songs zu schreiben. Natürlich mache ich nicht nur Musik und schreibe Songs, um mich von Belastungen zu befreien, ich mache das, weil es mein Hobby ist und ich gerne mit Klängen, Instrumenten rumexperimentiere.
Was für ein Selbstverständnis hast Du als Künstlerin?Ich denke, als eine Frau im Musikbusiness, ist man automatisch eine Feministin – bei allem, was man tut. Weil die Branche eben so stark von Männern dominiert wird. Und Leute, die mich auf der Bühne sehen, wie ich mich bewege, anziehe und schminke, fragen mich: Oh, ist das geschauspielert? Und ich antworte dann immer: Nein, das bin ich. Ich mache Musik, wie jeder Typ auch. Aber solange das Musikbusiness so ist, wie es ist, finde ich es toll, dass Frauen mich sehen und vielleicht auch inspiriert sind, weil sie sich denken: Oh, wenn sie das kann, kann ich es vielleicht auch ausprobieren. In diesem Verhältnis sehe ich mich als Künstlerin eben auch als Feministin. Aber ich möchte einfach nur Musik machen.
Tourdaten: Sarah Klang live erleben
11.04. Hamburg - Nochtwache
12.04. Berlin - Auster Club
13.04. Köln - Wohngemeinschaft
14.04. Haldern - Pop Bar
Du möchtest mehr von Sarah Klang erfahren? Das Porträt zu ihr findest Du im aktuellen EMOTION Magazin, welches ab heute erhältlich ist. Also, schnell zum Kiosk oder ganz einfach hier bestellen: