Wir Frauen sind ja diese fabelhaften Empathiewesen. Wir hören gut zu – und von da ist es bis zum guten Rat nicht weit. Das kennt unsere Kolumnistin genau. Und fragt sich, wieso es viel weniger Spaß macht, auf einen Rat zu hören.
Meine Freundin ist verliebt. Mit 48 und bis über beide Ohren. Nur leider ist ihr McDreamy verheiratet. Und hat zwei Kinder, die noch nicht schulpflichtig sind. Und wohnt 600 Kilometer weit weg. Und ist zehn Jahre jünger. „Klingt kompliziert“, sage ich, „lebt er denn getrennt?“ Noch nicht, meint sie, aber das wird schon. Meine Alarmglocken schrillen. Nur zu gut erinnere ich mich an meine lang zurückliegende Episode als Geliebte. Die Einsamkeit, die Ausreden, den Liebeskummer. „Ich rate dir ab“, sagte ich deshalb, „Ehemänner mit kleinen Kindern trennen sich nicht. Du verschwendest kostbare Lebenszeit.“ Ich will ja nur ihr Bestes, aber sie reagiert gereizt. „Danke, Lady Oberschlau“, sagt sie, „aber Ratschläge sind auch Schläge.“
Sie hat recht, ich auch, das ist ja das Ironische. Jeder gibt gern Ratschläge, aber keiner will sie hören. Als kürzlich eine Freundin: „Du bist zu blond für dein Alter, steh doch zu deinem Grau,“ zu mir sagte, zischte ich: „Im Gegensatz zu dir bin ich noch nicht grau.“ Was zwar stimmt, trotzdem albern ist. Sie meinte es ja nur gut. Genau wie ich, wenn ich die Liebesweisheit meiner Mutter: „Willst du was gelten, mach dich selten“, an meine Tochter weiterreiche. Eine im Übrigen, die ich seinerzeit genauso ignoriert habe. Ach, wenn meine beiden Kinder, 27 und 23, doch öfter auf mich hören würden! Geh zum Yoga, sage ich zu meiner Tochter, die beruflich viel Stress hat. Wenn du gern isst, musst du mehr Sport machen, zu meinem kompakten Sohn, und trink nicht so viel, Alkohol hat superviele Kalorien. Ach Mama, seufzen sie gelangweilt, danke für den Rat. Von Kochrezepten und Haushaltstipps abgesehen, der Mensch hasst Ratschläge. Auch die sinnvollen, die vor allem. Besonders, wenn es um Gesundheit, Erziehung oder Beziehungen geht. Keine Mutter will hören, dass ihre Kinder zu viel fernsehen, keine Ehefrau, dass es eheerhaltend ist, auch über die blödesten Witze ihres Mannes immer wieder zu lachen.
Von Kochrezepten und Haushaltstipps abgesehen, der Mensch hasst Ratschläge.
EMOTION-Kolumnistin Evelyn HolstTweet
Ich bin ebenso beratungsresistent. Wenn beim Sport eine Trainerin zu mir sagt: „Du musst den Rücken gerader machen, sonst bringt die Übung nichts und du verspannst dich nur“, dann klingt mein „Danke“ sehr schmallippig. Weil mich jemand korrigiert, wo ich doch dachte, ich mache alles richtig. Fragt jemand: „Darf ich dir mal einen Rat geben?“, bin ich innerlich auf das Schlimmste gefasst.
Natürlich gibt es diese Besserwisser mit der Ich-weiß-dass-ich-perfekt-bin-Aura. Aber oft sind Ratschläge eben nicht nur gut gemeint, sondern wirklich gut. Außerdem fühlt sich jeder gern ein bisschen überlegen. Deshalb mein kleiner Tipp für die Steuererklärung: immer ein paar Winzfehler drinlassen. Der Finanzbeamte freut sich über ein: „Das ist aber auch so kompliziert“, und hilft gern weiter, wobei er im Idealfall die großen übersieht. Meine Devise bleibt – es hätte schlimmer kommen können.
Evelyn Holst ist Expertin für Klartext. Und für Humor (hat viel davon), Familie (hat selbst eine) und Frauen (ist ja eine). Ihr Lebensmotto: Es gibt keinen Grund zum Jammern. Es sei denn...