Streit an Weihnachten ist leider oft vorprogrammiert. Warum ausgerechnet zum Fest der Liebe Konflikte hochkommen und wie wir Stress vermeiden können.
Streit an Weihnachten? Alle Jahre wieder liegen die Nerven blank
Die Lebkuchen liegen schon seit Wochen in den Regalen, die "Last Christmas"-Dauerschleife ist programmiert und die Weihnachtsmärkte stehen kurz davor, ihre Tore zu öffnen. Mit anderen Worten: Es weihnachtet sehr! Was die meisten von uns in ihrer Vorfreude jedoch elegant verdrängen: Die angeblich "schönste Zeit" des Jahres ist auch eine der konfliktreichsten. Die Spannung baut sich im Laufe der Adventszeit langsam auf, genährt von stressigem Geschenke-Shopping, Backorgien und der Verpflegungsplanung – es könnte ja sein, dass die Läden nach den Feiertagen tatsächlich nie wieder öffnen … Schließlich kommt es zum großen Knall: Tränen fließen bei der Bescherung, erst fliegen die Vorwürfe, dann die Teller – und unter Umständen ist die komplette Familie bereits am ersten Feiertag gespalten, bevor der Gänsebraten auf dem Tisch steht.
Streit vermeiden – ja, das geht!
Kommt dir das bekannt vor? Verbringst du Weihnachten auch damit, gute Miene zum bösen Spiel zu machen und zwingst dich zu grenzdebilem Dauergrinsen, um den Haussegen zu retten? Dabei ist das alles absolut vermeidbar – wenn du dir vorher ausreichend Gedanken machst! Denn die wenigsten Konflikte entstehen einfach so aus dem Nichts. Ein friedvolles Fest ist möglich, wenn du mögliche Konfliktherde rechtzeitig ansprichst, bevor sie überkochen. Grundvoraussetzung dafür ist erst einmal das Verständnis, was Konflikte überhaupt sind.
Emotionsmanagement: Bedürfnisse rechtzeitig erkennen
Eigentlich ganz einfach: Ein Konflikt ist die Summe von Panne + Problem + Emotion. Gerade die Wohnungstür zugezogen, bemerkst du, dass der Schlüsselbund auf dem Küchentisch liegt = Panne. Das bedeutet eine erhebliche Verzögerung, bis du beim Weihnachtsessen der Schwiegermutter auftauchen = Problem. Diese ist sowieso nicht gut auf dich zu sprechen und wird dir vor allen Leuten eine Standpauke halten, wie man denn so unachtsam und gedankenverloren sein kann = Emotion. Und schon kocht alles hoch.
Konflikte runterkochen – so geht's
Genau darum geht es nämlich im Detail: Konflikte sind letztendlich Emotionsmanagement. Emotionen sind Botschafter von Bedürfnissen, die sich stark vereinfacht in die drei Kategorien Sicherheit – Zugehörigkeit – Entwicklung einordnen lassen. Werden diese nicht im erforderlichen Maße bedient, kann z.B. Wut entstehen – als Ausdruck von Ungewissheit über die Zukunft, Ausgrenzung aus einer Gemeinschaft oder mangelnder Anerkennung für die geleistete Arbeit. Unsere Wut ist also nichts anderes als ein Indikator für ein nicht erfülltes Bedürfnis. Wird es erfüllt, kocht der Konflikt wieder auf das Niveau eines Problems herunter – das meist relativ einfach aus den Rahmenbedingungen heraus und auf der Sachebene gelöst werden kann. Du solltest also diesen emotionalen Störenfried stets auf dem Schirm haben und ihm die nötige Beachtung schenken, da er die Objektivität verzerrt und Lösungen erschwert.
Das Aufeinandertreffen von menschlichen Befindlichkeiten funktioniert im Grunde genommen wie ein Lichtschalter: Entweder passt alles und der Tannenbaum ist hell erleuchtet – oder die Funken schlagen. Dann sind entsprechende Reparaturen nötig, mit anderen Worten: Konfliktlösungen.
Tipp: Konflikte durch Kategorisierung lösen
Um einen Konflikt nachhaltig zu lösen ist es entscheidend, dass du die beteiligten Emotionen identifizierst und es dir gelingt, die damit verbundenen Bedürfnisse zu bedienen. Und schon geht den Konflikten im wahrsten Sinne des Wortes die Luft aus! Darüber hinaus solltest du wissen, dass es nicht mehr als drei Arten von Konflikten gibt. Kennst du die passende Kategorie, gelingt dir die Steuerung zukünftig schnell, präzise und virtuos:
- Debatte: Eine Debatte bezeichnet eine lebhafte Diskussion oder ein Streitgespräch. Etwa darüber, ob es die Geschenke vor oder nach dem Essen gibt, ob das Weihnachtsmenü um eine vegane Variante ergänzt wird – oder ob sich die Cousine ihr Essen dann selbst mitbringen soll. Grundlegendes Element der Debatte ist die Bereitschaft, seine eigene Meinung aufzugeben. Mit der Frage "Was könnte dich überzeugen?" ist leicht festzustellen, ob grundsätzlich Offenheit dafür besteht.
- Spiel: Ein Spiel ist ein Kräftemessen nach vereinbarten Regeln, die festlegen, wer gewinnt. Klar definierte Spielregeln im Business sind zum Beispiel Unternehmensleitbilder oder ein Teamkodex. Auch in Familien gibt es diese Regeln – etwa, dass traditionsgemäß Heiligabend immer bei den Eltern verbracht wird, der erste Feiertag bei Tante Heide, der zweite bei Onkel Jürgen …
- Kampf: Bei einem Kampf handelt es sich um eine Auseinandersetzung ohne Regeln, die mit der Unterwerfung oder Zerstörung des Verlierers endet. Klingt martialisch, kommt aber vor. Das sind dann die Fälle, die Sie nach Weihnachten auf der Titelseite der Boulevardpresse wiederfinden – "Haus abgebrannt: Kind zündet Weihnachtsbaum an" oder "Ehemann mit Tranchierbesteck schwer verletzt".
Ergänzend dazu noch fünf Tipps, wie du einigen der weihnachtlichen Konfliktklassiker bereits im Vorfeld die Luft aus den Segeln nimmst:
- „Ihr Kinderlein kommet“ – Plane auch die Kleinsten mit ein und gib ihnen kleine Aufgaben, die sie bei den Feierlichkeiten übernehmen können. So kommt keine Langeweile auf, die Kinder fühlen sich nicht ausgeschlossen – und das große Geschrei bleibt hoffentlich aus.
- „In der Weihnachtsbäckerei“ – Cousin Thomas hat in Windeseile alle Marzipankartoffeln vom Naschteller stibitzt und die restlichen Liebhaber:innen der Mandelleckerei schauen bedröppelt in die Runde? Sorge dafür, dass genug Nervennahrung vorhanden ist und am besten auch ausreichend von jeder Sorte, indem du für alle drei Weihnachtstage ein Kontingent bunkerst.
- „Stille Nacht, heilige Nacht“ – Richte Ruhezonen und Ruhezeiten ein, in denen keine "Bespaßung" stattfindet. So kann sich jeder nach Gusto z.B. mit einem Buch zurückziehen, einen kleinen Spaziergang machen und die Akkus durch Berücksichtigung der eigenen Bedürfnisse wieder aufladen.
- „Driving Home for Christmas“ – Gepäck und Geschenke passen nicht ins Auto, der Tank ist fast leer und es wäre sowieso besser, wenn man früher losgefahren wäre … Die Fahrt zu Familienmitgliedern sorgt oft schon für dicke Luft, bevor die Feier überhaupt angefangen hat. Stimme dich sich rechtzeitig ab und plane die Anreise, auch wenn es eigentlich nicht weit ist. Die Entspannung sollte es dir wert sein!
- „O Tannenbaum“ – die Lichterkette hat einen Wackelkontakt, die Christbaumspitze ist verschwunden und die Kinder schmollen, weil sie nicht helfen durften? Checke den Dekobestand vorab, kaufe Ersatz und mache ein Ritual aus dem Dekorieren, an dem alle Familienmitglieder Freude haben.
Du wirst sehen: Wenn du Konflikten auf diese Weise vorausschauend begegnest und sie bei Auftreten richtig kategorisieren, werden sich die Wogen schnell wieder glätten. Dann heißt es auch später noch „O Du fröhliche“ – und „Morgen Kinder wird’s was geben“ muss nicht als Drohung verstanden werden.
Christoph Maria Michalski ist seit 2010 Selbst-Unternehmer und als Konfliktnavigator und Gesellschafter von Start-ups zur digitalen Transformation aktiv. Als Ex-Geschäftsführer eines Bildungsträgers mit über 700 Mitarbeitenden hat er von Expansion bis GmbH-Löschung (fast) alles mitgemacht – jedes graue Haar eine Erfahrung!
Seine Erkenntnisse und Erfahrungen zum Thema "Konflikte" hat er in ein ungewöhnliches Buch fließen lassen: Kein Ratgeber, kein Sachbuch – sondern eine unterhaltsame Reise durch die Welt der Konflikte. Ein kurzweiliges, unterhaltsames, aber zugleich lehrreiches Buch, dass eine einzigartige Systematik der Konfliktnavigation offenbart.
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