Irgendwie denkt man ja immer: In Ruhe über alles reden – und dann findet sich eine Lösung. In Wirklichkeit läuft das leider meist anders: Man sagt gefühlte Tausend Mal dasselbe und am Ende ändert sich gar nichts. Geht das nicht besser?
Der Mann am Nebentisch hört der Frau nicht zu, die verzweifelt versucht, ihm etwas zu erklären, das sie belastet. Ich kann nicht verstehen, was es ist, denn sie sitzt weiter von mir entfernt als er, aber der Ton ihrer Stimme sagt schon mehr als genug: Es belastet sie wirklich. Sie ist gleichzeitig genervt und den Tränen nahe. Aber er hört nicht zu. Er antwortet, er redet sogar ziemlich viel, aber jeder seiner Sätze ist ein Vorwurf: "Du bist doch die, die immer ..." Man muss nicht wissen, um was es geht, um zu erkennen, dass der Linguist Noam Chomsky recht hat, wenn er sagt, dass Sprache eigentlich nicht für Kommunikation konzipiert ist, sondern dafür, seine Meinung auszudrücken. Jeder Idiot kann hören, dass sie nicht miteinander reden, sondern gegeneinander. Nur die beiden nicht. Und ich sitze einen Tisch weiter in einer Diskussion mit der Frau, mit der ich mal zusammen war, und weiß im Grunde meines Herzens, dass wir uns hier vom Nachbartisch wahrscheinlich genauso anhören wie die beiden nebenan.
Es ist noch warm an diesem Abend, wir sitzen vor dem Lokal und sehen in Augenhöhe die noch ferienbraunen Arme der Vorbeigehenden. Berührungen. Händchenhalten. Die Zärtlichkeit der Freude beieinander zu sein. Kommunikation ist so einfach, wenn keine Worte nötig sind, egal warum. Wenn man sich küssen oder schlagen will, dann braucht man nicht reden. Nur alles dazwischen ist schwierig.
Ich weiß nicht, wie viel in meinem Leben anders gelaufen wäre, wenn ich alles verstanden hätte, was man mir gesagt hat.
Ich kann es nicht wissen, aber jetzt, wo ich die zwei am Nebentisch höre, die sich einmal gegenseitig für die tollsten Menschen gehalten haben, die es gibt auf dieser ganzen großen Welt, da frage ich mich: Habe ich vielleicht einfach nicht zugehört, oder nur so weit, bis die Pause kam, bei der ich einfallen und widersprechen konnte?
Ein Gespräch setzt voraus, dass der andere recht haben könnte. Aber das heißt noch lange nicht, dass er auch die Worte findet, um es mir zu erklären. Und dann sitzt man sich gegenüber, und Männer fangen an mit diesem Logik-Abklatsch zu argumentieren, der ist wie ein in China nachgebauter Porsche: Er enthält die Teile, aber er tut nicht, was er eigentlich soll. Und Frauen verweigern, alles das zu erklären, von dem sie glauben annehmen zu dürfen, dass er da doch selbst drauf kommen muss, der Idiot, "der ist doch sonst nicht so blöd"; was in der Regel ungefähr so endet, wie wenn ein Kind seine Mutter bestraft, indem es nichts isst: "Ist sie doch selber schuld, wenn ich Hunger habe!"
Wir trennen uns an diesem Abend in der Erkenntnis, dass wir nur geklärt haben, dass wir nichts klären werden. So wie Worte nie geholfen haben, es ist Tausende Male das Gleiche gesagt worden, ohne dass es etwas gebracht hätte. Nur zum Abschied umarmen wir uns noch einmal. Ich nehme ihre Hände in meine. Und sie sagt alles. Mit einem Blick.