Früher war Gesa Neitzel TV-Redakteurin in Berlin. Heute leitet sie Safaris in Südafrika. Ihre Geschichte zeigt, wie sehr es sich manchmal lohnt, die eigene Komfortzone zu verlassen.
"Ach, hier sollte man leben und arbeiten." Hattet Ihr diesen Gedanken auch schon mal im Urlaub? Wenn Ihr einen Ort entdeckt habt, der Euch zutiefst glücklich macht? Gesa Neitzel aus Berlin hat dieser Gedanke nach einer Südafrika-Reise nicht mehr losgelassen. Hier erzählt sie von Sehnsucht, Ängsten und dem Glück in der Wildnis.
Ich fühlte mich, als würde ich im Wartezimmer meines Lebens sitzen.
Gesa Neitzel, Rangerin und Autorin über ihren Neustart.Tweet
"Von außen betrachtet sah mein Leben gar nicht schlecht aus: Nach dem Abi bin ich direkt für ein Volontariat nach Berlin. Erst habe ich als TV-Redakteurin bei MTV und dann bei 'The Voice of Germany' gearbeitet. Klar war das aufregend und cool. Es war nicht so, dass ich meinen Job oder die Kollegen nicht mochte. Trotzdem war ich immer die, die nach Partys im Morgengrauen durch die Stadt zog und sich die Frage nach dem Sinn des Ganzen stellte. Ich war rastlos, verreiste viel und zog ständig innerhalb Berlins um. Ich fühlte mich, als würde ich im Wartezimmer meines Lebens sitzen. Es ist mir schwergefallen, diese Gedanken zuzulassen – ich hatte doch alles! Doch in Wahrheit fand ich den täglichen Stress im Studio schrecklich. Ich wurde immer unzufriedener, bis ich mich selbst kaum noch aushielt. Da wurde mir klar: Du musst was ändern, du musst raus.
Mit zwei Freunden ging es für ein paar Wochen auf Safari, mein erster Urlaub in Afrika. Ich kann gar nicht genau sagen, was es war, aber schon kurz nach der Ankunft spürte ich eine innere Ruhe. Die Weite der Landschaft löste in mir das Gefühl von Offenheit aus. Nie hätte ich gedacht, dass mich Natur so berühren kann. Am Neujahrsmorgen fuhren wir durch den Kruger-Nationalpark, am frühen Morgen stolperte ein junger Elefant vor uns auf den Weg. Ich fand es unglaublich, dass da dieses wilde Tier vor uns steht. Ehrfürchtig beobachtete ich jede seiner Bewegungen und spürte eine starke Verbindung zwischen uns. Am Ende des Trips gab's einen Moment, in dem ich allein an den Drakensbergen stand. Mein Blick schweifte über die Bergkette, in der Ferne zog ein Sturm auf. Während ich das Wolkenschauspiel betrachtete, wurde mir plötzlich klar: Ich brauche mehr davon, mehr von dieser Freiheit.
Zurück in Berlin war mir alles zu viel, die vier engen Wände, das Handy, das ständig etwas von mir wollte, und mein alter Job.
"Du willst jetzt aber nicht nach Afrika", hörte ich meine Mutter sagen.
Es war Montag, unser Telefontag. Stille. Seit drei Wochen war ich wieder da und hatte mich bis jetzt nicht getraut, diesen Gedanken mit jemandem zu teilen. 'Doch', platze es aus mir raus,'und ich will Rangerin werden.'
Ich weiß, es klingt verrückt, ich hatte nie Haustiere oder überhaupt Interesse an Tieren. Und doch fühlte ich mich nirgends so bei mir wie draußen im afrikanischen Busch mit den Affen, Löwen und Elefanten.
Die Ranger auf unseren Touren müssen das gespürt haben, sie waren es, die vorschlugen, dass ich diese Ausbildung machen könne. Aber ich bin doch Deutsche! Egal, haben sie gesagt, geht alles, auch ohne Vorerfahrung.
Kurz vor der Abreise kam die Angst
Zu Hause recherchierte ich, telefonierte und fand tatsächlich einen Platz. Zehn Monate später ging es los, aber vor der Abreise packte mich die Angst: Mir wurde plötzlich klar, dass die Rückkehr nach Afrika bedeuten würde, dass ich danach nicht wieder in mein altes Leben zurückkehren kann. Dafür war der Schritt zu groß. Doch in Johannesburg gelandet, wusste ich sofort wieder, warum ich das hier wollte. Die erste Station meiner Ausbildung war auf einer Lodge in Botswana. Es ging sofort raus. Ich lernte Spuren zu lesen, alles über Vegetation und Pflanzenkunde und natürlich über das Verhalten der Tiere. Was will der Elefant sagen, wenn er die Ohren ausbreitet oder den Schwanz hebt?
Wer auf ein wildes Tier trifft, hat keine Zeit an Mails oder Arbeit zu denken. Man muss im Moment bleiben, mir gibt das Ruhe. Außerdem spüre ich in Afrika ein ganz besonderes Gefühl der Verbundenheit, es ist die Wiege der Menschheit, da kommen wir alle her, hier haben sich unsere Instinkte entwickelt.
Schon kurz vor Ende meiner Ausbildung war klar, dass dieses Leben meine Zukunft ist. Gemeinsam mit meinem Freund, der auch Ranger ist, habe ich eine Agentur für Safarireisen (safarifrank.com) gegründet. Unser großer Traum ist es, irgendwann unsere eigene Gästelodge zu haben."
Noch mehr über Gesas aufregendes Leben in Afrika erfahrt Ihr in ihrem Buch "Frühstück mit Elefanten" (Ullstein Verlag) und auf ihrem Instagram-Account wonderful_wild.