Essen ist Erinnerung und Essen ist Heimat. Das gilt vor allem für ältere Menschen, deren Mahlzeiten in vielen Seniorenheimen nur als Kostenfaktor betrachtet werden.
Doch bedeutet gerade unserer Großmütter-Generation Essen sehr viel mehr noch als uns: Es strukturiert ihren Tag, bringt alle an einen Tisch, stiftet Gesprächsstoff, schafft Nähe.
Das Buch "Wir haben einfach gekocht" stellt den emotionalen Wert des Kochens in den Vordergrund. Es zeigt die Höhepunkte einer kulinarischen Reise durch 12 deutsche Seniorenheime und verewigt 100 Rezepte, die es wert sind, auch für die nächsten Generationen erhalten zu bleiben.
Hier erzählen Manuela Rehn und Jörg Reuter, die beiden Initiatoren des Buches, wie dieses außergewöhnliche Projekt zustande kam und was sie von dieser Exkursion mit nach Hause genommen haben:
In drei Monaten habt Ihr auf Eurer Reise durch deutsche Seniorenheime insgesamt mehr als 100 Rezepte mitgebracht, die die "Küche von damals" aufleben lassen. Was hat Euch am meisten dabei beeindruckt?
Am meisten hat uns beeindruckt, wie präsent den Senioren alle Erinnerungen und Handgriffe noch waren. Dass selbst die Damen, welche anfangs noch meinten, nein wir können keine Kartoffeln mehr schälen, weil die Hände nicht mehr wollen, nach wenigen Minuten dann doch voller Freude mitgemacht haben. Es war unglaublich bewegend die ganzen Geschichten zu hören die mit den Rezepten verbunden waren. Und wir haben verstanden: Gemeinsam zu kochen verbindet – egal in welchem Alter.
Ihr sagt, Kochen und Essen sei "emotionale Heimat" – warum?
Ans Kochen sind unzählige Erinnerungen geknüpft: Menschen, die man geliebt hat und für die oder mit denen man gekocht hat. Zum anderen die starke Verwurzelung der Küche mit der Region – man kann förmlich schmecken, wo die Rezepte ihren Ursprung haben. Gemeinsam kochen heißt aber auch gebraucht zu werden und damit weiterhin einen Sinn zu haben. Wichtige Erfahrungen weitergeben; es ist wie ein genetischer Code.
Welches waren die emotionalsten Momente Eurer Reise?
Die Abschiede. Jedes Mal. In nur zwei Tagen hatte man das Gefühl, sich ein wenig kennengelernt zu haben und den Wunsch, dies zu vertiefen. Es sind hier und da auf beiden Seiten Tränen geflossen. Und wir dachten: Wie einfach es doch ist, gemeinsam eine schöne Zeit zu haben –auch in Seniorenheimen. Indem man einfach gemeinsam kocht und ein Thema hat, das alle verbindet.
Was hat Euch überrascht, wo mit hättet Ihr nicht gerechnet?
Dass wir überall, egal wo wir waren die gleichen Reaktionen erlebten. Diese große Freude und der Spaß und die Einigkeit, dass man so etwas öfters machen sollte.
Waren Euch die meisten der Rezepte bekannt?
Natürlich gibt es viele Klassiker wie Rouladen, die hat man uns in fast jeder Station erzählt. Doch dann wiederum gibt es so feine lokale Unterschiede, dass selbst im Umkreis von 10 Km eines Ortes die Rezepte leicht abgewandelt wurden.
Habt Ihr die persönlichen Lieblingsrezepte aus Eurer eigenen Kindheit darunter wiedergefunden?
Ja. Für Jörg war es der Schaschlik, den er schon fast vergessen, aber als Kind geliebt hatte –die Großeltern haben Schaschlik im Garten gegrillt. Und für Manuela sind es die Quarkkeulchen oder auch Quarkplätzle genannt.
Welche Bedeutung hatte das Kochen früher für die Senioren – welche Rolle spielt Essen heute bei ihnen?
Früher hat das Kochen den Alltag der Senioren bestimmt. Damals gab es keine Fertiggerichte. Man musste mit dem Wenigen, Vorhandenem viele Familienmitglieder versorgen. Da hieß es kreativ sein. Zudem war es die Generation der Frauen! In ihren Händen lag das leibliche Wohl der Familie. Die Küche war der Mittelpunkt des Wohnplatzes. In Seniorenheimen sieht es heute leider meist oft ganz anders aus. Viele Küchen funktionieren zentralisiert , das heißt, sie kochen für mehrere hunderte wenn nicht sogar tausend Menschen. Da geht es um Kosten und um Effizienz. Die Integration der Senioren in den Kochalltag findet praktisch gar nicht statt. Gegessen wird oft freudlos in der Kantine.
Welche übergeordnete Idee steht hinter dem Buchprojekt und wohin fließen die Erlöse?
Mit dem Buch möchten wir auf genau diese Rolle von Essen aufmerksam machen: Es ist ein emotionaler Genuss! Wir möchten, dass die Menschen wieder mehr integriert werden. Dass sie mitgestalten können, mitbestimmen, was es zu essen gibt. Und aktiv daran mitwirken. Warum nicht kulinarische Tischrunden und Kochevents zwischen Senioren und jungen Menschen initiieren? Uns geht es darum, dass die Freude am Kochen und Essen auch im Seniorenheim weitergeht.
Die Erlöse des Buches fließen übrigens komplett zurück ins Projekt für z.B. Weiterbildungsworkshop für Küchen in den Stationen zu diesem Thema.
Wird das Kochen mit und bei den Senioren weitergehen?
Wir wünschen uns das sehr! Vielleicht gibt es ja eine weitere Reise.
Hier könnt Ihr das Projekt weiterverfolgen:
https://www.facebook.com/wirhabeneinfachgekocht
Hier findet Ihr Näheres zu den Initiatoren des Buches:
http://vomeinfachendasgute.com/
Das Buch und das Team dahinter (v.l.n.r.): Jörg Reuter, Manuela Rehn, Cathrin Brandes, Caro Hoene
"Wir haben einfach gekocht", Umschau Verlag. 29,95 Euro
Der Erfolg des Buches ist so groß, dass der Verlag bereits einen Nachdruck geordert hat.
Und hier kommen – als kleiner Vorgeschmack– zwei Rezepte aus dem Buch:
Bubespitz mit Sauerkraut und Speck
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4 dicke mehlig kochende Kartoffeln
- 4 mittlere Eier
- 4 Esslöffel Mehl
- 2 große Prisen Salz
Wenn man die Kartoffeln am Vorabend in der Pelle weich kocht, lassen sie sich einfacher verarbeiten. Wenn man die Kartoffeln noch warm pellt und presst, werden die Bubespitz lockerer. Egal ob noch warm oder schon kalt, die gepellten Kartoffeln werden durch eine Kartoffelpresse in eine Schüssel gedrückt. Mit einem Holzlöffel das Salz und die Eier unterheben, bis die Eier im Kartoffelteig "verschwunden" sind. Nun mit den Händen nach und nach das Mehl unterkneten bis der Teig nicht mehr an den Fingern klebt und sich gut formen lässt. Dabei evtl. auch mehr als 4 EL verarbeiten. In einem großen Topf gut ein Handbreit Wasser zum Sieden bringen. Das Wasser ordentlich salzen. Aus dem Kartoffelteig Stränge formen, diese in fingerdicke Streifen schneiden und daraus zwischen den Händen kleine Würstchen mit leicht spitzen Enden formen. Je nach Größe des Topfs immer 10-15 Schupfnudeln zusammen in den Topf gleiten lassen. Die Schupfnudeln sinken erstmal auf den Boden und steigen nach kurzer Zeit an die Wasseroberfläche. Sobald sie schwimmen müssen sie noch 10 min ziehen, bis sie gar sind. Mit einer Schaumkelle aus dem Wasser angeln und auf ein gebuttertes Backblech legen. Wiederholen bis der ganze Teig verbraucht ist.
- 1/2 kg Sauerkraut
- 2 Zwiebeln
- 1 Esslöffel Butter
- 1/4 kg geräucherter Speck aus dem Schwarzwald
- 2 Lorbeeblätter
- 4 Wachholderbeeren
- 1 Nelke
- 2 Pimentkörner
- 6 Pfefferkörner
- 1/4l Apfelsaft oder Weisswein
Zwiebeln schälen und würfeln. In einem passenden Topf in der Butter anschwitzen.
Vom Speck die Rinde abschneiden, dann in Scheiben schneiden und fein würfeln. Zu der Zwiebel geben und mit anschwitzen. Das Sauerkraut ggf. etwas abbrausen und zusammen mit den Gewürzen in den Topf geben. Flüssigkeit dazugeben und alles mindestens eine halbe Stunde sanft köcheln bis das Sauerkraut gut schmeckt.
Eine Portion Bubespitz in einer Pfanne in recht viel Butter anbraten, bis sie knusprig sind. Sauerkraut dazugeben und etwas mitbraten. Heiß servieren.
Süße Weinsoße
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0,75 l guter Riesling (Kabinett oder Spätlese)
- 4 Eier
- 1 Eigelb
- 1/8 kg Speisestärke
- 1/8 kg Zucker
- 1 Becher Schlagsahne
Die Qualität des Weines entscheidet über den Wohlgeschmack der Nachspeise. Deswegen muss man vorher den Wein ausgiebig probieren. Er kann ruhig etwas fruchtig oder lieblich sein.
Die Hälfte des Weins mit dem Zucker sanft zum Sieden bringen. Den Rest Wein mit Eiern und Eigelb in einer Schüssel mit dem Schneebesen verrühren und dann die Speisestärke klumpenfrei unterschlagen. Die Eimischung unter Rühren in den Topf mit dem siedenden Wein geben und alles zusammen ca. 3-5 Min. erhitzen. Dabei ständig rühren und darauf achten, dass die Weinsoße nicht kocht und auch nicht ansetzt. Sobald die Weinsoße dicklich gebunden ist, den Topf vom Herd nehmen und die Nachspeise in eine Schüssel geben. Erkalten lassen. Wenn die Weinsoße kalt ist, die Sahne steif schlagen und mit dem Schneebesen vorsichtig unterheben. Mit einem Klecks Schlagsahne garniert in Glasschälchen servieren.
Mareile Braun ist Chefredakteurin von EMOTION Slow und liebt ihr Leben zwischen Gucci und Gummistiefeln. Wenn sie nicht gerade auf Fashion Weeks reist, bummelt sie zuhause gern mit ihrem Esel Pepe durchs Dorf.
Was sie sonst gerade bewegt: Yoga unter freiem Himmel, Tanzabende mit dem Gatten und ihre Workshops als "Slow-Down"-Trainerin.